Gerade erst wurde ja der Beteiligungsprozess zum Matthäikirchhof beschlossen. Noch ist völlig unklar, was dort künftig alles Platz finden wird. Die Liste der Wünsche am künftigen „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ ist lang. Und natürlich muss auch die Frage geklärt werden: Was wird dann mit dem Schulmuseum? Ein völlig neues Schulmuseum wünscht sich jetzt die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat.
Aber auf eine recht irritierende Weise. Denn sie will das Schulmuseum aus der Nachbarschaft der Gedenkstätte in der Runden Ecke entfernen. Dort gab es in der jüngeren Vergangenheit ja immer wieder Streit um die Nutzung des einstigen Stasi-Kinosaales, in die sich Schulmuseum und Gedenkstätte teilen sollten. Der Streit eskalierte, bis die Stadtverwaltung selbst schlichtend eingreifen musste.Und das, obwohl sich beide Ausstellungskonzepte durchaus ergänzen könnten.
Doch mit ihrem Antrag will die CDU-Fraktion den Oberbürgermeister beauftragen, einen neuen Standort ausfindig und damit den Weg für einen Neustart des Museums freizumachen. Dabei wird die ganze Zeit über einen Neustart der Gedenkstätte in der Runden Ecke diskutiert, wofür der Trägerverein eine neue Ausstellungskonzeption vorlegen soll, die das Anliegen der Gedenkstätte in moderne museale Präsentationsformen bringt.
Aber der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Michael Weickert, findet nun wieder das Schulmuseum mit seinem Anliegen veraltet: „Wir beantragen zunächst eine Bestandsaufnahme der aktuellen Arbeit des Museums, auf deren Grundlage wir das weitere Vorgehen planen wollen. Für uns ist aber klar: Das Museum muss raus aus der Mottenkiste! Das heißt, es muss raus aus dem jetzigen Standort. Der wird immer mit der Geschichte der DDR und der Stasi behaftet sein und schränkt das Museum damit von vornherein ein. Wir wollen stattdessen einen Neustart für das Museum, damit es endlich seinem Leitbild gerecht werden kann!“
Dabei sieht sich das Leipziger Schulmuseum als Lernwerkstatt überhaupt nicht auf die DDR eingeschränkt, auch wenn der Sammlungsbestand an Ausstellungsstücken aus der DDR-Zeit naturgegebenermaßen recht groß ist. Wer das Haus besucht, findet genauso die Schule in der NS-Zeit, in der Weimarer Republik und im Wilhelminischen Kaiserreich dargestellt.
Seit 2015 leitet der Schul- und Bildungshistoriker Dr. Thomas Töpfer das Museum. Und anders als der Nachbar am Standort Dittrichring kooperiert das Schulmuseum mit der Universität Leipzig und der HTWK. Wo die CDU hier „Mottenkiste“ entdeckt haben will, ist zumindest nicht nachvollziehbar.
Die CDU-Fraktion kann sich dabei auch eine Anbindung an das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig vorstellen. Der konkreten Diskussion soll allerdings nicht vorgegriffen werden, vermeldet sie gleichzeitig mit ihrem Vorstoß.
Und macht dann Vorschläge, die ausgerechnet das klare Profil Schulmuseum völlig sprengen: „Das Schulmuseum leistet eine wertvolle Arbeit für die Vermittlung pädagogischer Inhalte. Unser Ziel ist es, diese Arbeit weiterzuqualifizieren. Der derzeitige Standort ist für die umfassende Leipziger Bildungsgeschichte zu einseitig vorgeprägt. Neben der Schule in den Diktaturen der NS-Zeit und der SED bietet die Leipziger Geschichte darüber hinaus viele weitergehende, historisch bedeutsame Anknüpfungspunkte – als Beispiele seien hier die Arbeiterbildungsvereine oder Frauenbildungsvereine genannt.“
Wer die Ausstellung besucht, sieht, dass es hier nicht um Bildungsgeschichte im Allgemeinen geht, sondern aus gutem Grund um Schulgeschichte. Denn das Museum thematisiert auch die Rolle der Schule in der Gesellschaft – im „Spannungsfeld von Tradition und Erneuerung“. Wobei man vor Ort eben auch erfahren kann, wie Schule seit dem Wilhelminischen Kaiserreich instrumentalisiert wurde, um Herrschaftsansprüche schon bei der Bildung der Kinder zu implementieren.
Dass man über den Ort diskutieren kann – keine Frage. Denn hier ist das Schulmuseum erst seit 1999 zu Hause. Andererseits würde sich gerade so ein Museum in einem „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ bestens platzieren. Denn Schulbildung spielt eine ziemlich große Rolle bei der Ausbildung entweder von Untertanen oder von freien, selberdenkenden Menschen. Und das Spannungsfeld ist nicht erledigt, wenn man die heutige Schule mit ihrem Ziel des effizienten Leistungserfüllers genauer unter die Lupe nimmt.
Einen Neuanfang an einem neuen Standort müsse es aber definitiv geben, meint Stadträtin Dr. Sabine Heymann: „Konzept und Aufmachung des Schulmuseums werden unserer Leipziger Bildungsgeschichte nicht gerecht. Diese beginnt und endet nicht in einem DDR-Klassenzimmer, sondern geht über die Thomasschule, die Alte Nikolaischule sowie Arbeiter- und Frauenbildungsvereine, aber auch über den Machtmissbrauch in der Zeit des Nationalsozialismus viel weiter zurück; sie ist viel facettenreicher. Für ein echtes, umfassendes Schulmuseum brauchen wir dringend einen neuen Ansatz – das beginnt idealerweise an einem neuen Standort.“
Das dürfte sehr heftige Diskussionen im Stadtrat auslösen. Denn mit seiner Sammlung von 17.000 Objekten ist das Leipziger Schulmuseum ziemlich einzigartig. Und es lädt eben gerade dazu ein, sich mit der Rolle von Schule im Rahmen von Gesellschaft, Macht und Demokratie zu beschäftigen. Und zwar genau mit diesem engen Fokus.
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Keine Kommentare bisher