Wie oft haben wir das schon gehört: „Bildung ist die Investition in die Zukunft!“? Und dann liest man selbst den gnadenlos neoliberalen „Bildungsmonitor“ der INSM und sieht – versteckt im ganzen Zahlensalat – dass es sächsischen Regierenden egal ist. Wirklich egal. Sachsen? Das Land, in dem die Stimmung bundesweit am tiefsten im Keller ist? Das hat miteinander zu tun. Erst recht, wenn man Thomas Dudzak folgt, der den „Bildungsmonitor“ mit linkem Blick seziert hat.

„Zum 13. Mal in Folge bescheinigt der Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft dem sächsischen Bildungssystem den ersten Platz im Ländervergleich. Doch betrachtet man die Studie genauer, so werden eklatante Probleme deutlich”, stellt Thomas Dudzak, Landesgeschäftsführer der Linkspartei Sachsen, fest.

Und dann zählt er einfach auf, was in der Bewertungsmatrix des „Bildungsmonitors“ als Information steckt und was mit dutzenden völlig belanglosen Parametern einfach zugeschüttet wird:

– Im Ländervergleich hat Sachsen die drittschlechteste SchulabbrecherInnenquote.

– Sachsen wird die schlechteste StudieneinsteigerInnenquote bundesweit bescheinigt.

– Sachsen hat im Bundesvergleich eine deutlich überdurchschnittliche Ausbildungsabbruchquote.

– Sachsens Hochschulsystem erscheint im Bundesvergleich deutlich unterfinanziert.

– Die Studie weist auf eine vollkommen kaputte Personalaltersstruktur an den Schulen, mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren in der LehrerInnenschaft, hin.

– Beim Thema Digitalisierung erreicht Sachsen im Ländervergleich nur einen der hinteren Plätze.

„Gar nicht zum Tragen kommt in der Studie der seit Jahren andauernde, erhebliche Mangel an LehrerInnen im Schulsystem, wodurch zu Beginn dieses Schuljahres nicht einmal mehr sichergestellt werden konnte, dass vor jeder Klasse eine KlassenlehrerIn steht“, sagt er noch.

„In allen Bereichen, in denen politisches Handeln zum Tragen käme, versagt das sächsische Bildungssystem vollkommen. Dort, wo Sachsen vorne liegt, ruht man sich auf Errungenschaften der Vergangenheit und dem übergroßen Engagement des Personals im Bildungssystem aus. Wenn Sachsen im Bildungsmonitor also auf Platz 1 landet, sollte man das nicht als Erfolg feiern, sondern die Qualität des Bildungsmonitors und die Wichtung seiner Indikatoren deutlich hinterfragen. Sachsen versagt bildungspolitisch. Das ist kein Grund zum Feiern.“

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So weit die Analyse. Es fehlt sogar noch etliches: Die Unterfinanzierung im Schul(neu)bau, die nach wie vor gravierend hohe Zahl befristeter Verträge beim Hochschulpersonal, die noch längst nicht abgebaute Unterfinanzierung bei der Kita-Betreuung …

Wer die Vielzahl der Unterlassungen sieht, merkt erst, wie sehr die sächsischen Staatsregierungen in den letzten Jahren bei diesem Thema versagt haben. Sie haben nicht in Zukunft investiert, sondern gespart auf Teufel komm raus. Und die SPD als Juniorpartner meldet zwar immer wieder die kleinen Erfolge, die sie gegen den großen Elefanten CDU erringen konnte. Aber das sind kleine Schritte, die kaum wahrgenommen werden.

Denn was passiert eigentlich in einem Land, in dem gerade die jungen Menschen im Bildungssystem fortwährend frustriert wurden und werden?

Natürlich: Die besten Köpfe wandern weiterhin ab.

Der Jubel der ISNM über die „Rekorde“ bei den Drittmitteln ist z.B. ein falscher Jubel, denn Drittmittel sind fast ausschließlich Projektmittel. Die Projekte laufen zwei, drei oder auch mal fünf Jahre. Dann werden sie in der Regel beendet, die Arbeitsverträge laufen aus und die jungen Forscher, die hier zumeist in Spitzenforschungsprojekten beschäftigt waren, wandern ab. Fast immer an andere Hochschulen oder Institute, wo ihr Forschungsgebiet weitergeführt wird.

Sie gehen Sachsen einfach verloren.

Und dass die Studienanfängerquote so niedrig ist, hat wieder mit einem ganz sächsischen Problem zu tun: der systematischen Entwertung der Oberschule. Die Kinder werden nach der 4. Klasse viel zu früh getrennt, die Lernbedingungen an vielen Oberschulen sind (auch aufgrund dieser Entmischung) oft katastrophal. Logisch, dass die Eltern Druck ausüben, dass ihre Kinder dann eben auf die Normschule kommen – und das ist in Sachsen das Gymnasium. Auch dann, wenn hinterher überhaupt kein Studium geplant ist.

Das ganze System ist durch viele falsche Bastelarbeiten so dysfunktional geworden, dass man sich eher darüber wundert, dass doch noch ein Teil der Schüler das System einigermaßen erfolgreich übersteht. Was aber auch nicht wirklich klar ist, denn die neoliberalen Schulreformer haben ja alles in abfragbare Module gepackt – auch das Studium. Das Absolvieren von Modulen aber erzeugt keine eigenständigen Denker und selbstbewussten Menschen, sondern Druck und Stress. Deshalb fehlen auch die ganzen Krankheitserhebungen im Ranking. Was nutzen denn eigentlich „erfolgreiche“ Absolventen so eines Bildungssystems, wenn sie hinterher ausgebrannt und mit Depressionen belastet sind?

So gesehen ist selbst Dudzaks Analyse noch eine der Oberfläche. Es gibt nicht wirklich viele belastbare Punkte im „Bildungsmonitor“, in denen die zerrüttete Wirklichkeit im sächsischen und deutschen Bildungssystem sichtbar wird. Und man ahnt nur, wie das auf all die jungen Leute wirkt, wenn das dauerhaft so ist und die zuständigen Kultusminister nicht mal dran denken, das zu ändern. Es erzeugt eine depressive Grundstimmung.

Denn Menschen, die nicht souverän sind, die nie eine wirkliche ganzheitliche Bildung bekommen haben und zum Denken und Analysieren befähigt wurden, stehen ihrem Leben und der Gesellschaft hilflos gegenüber. Sind offen für Scheinlösungen und oberflächliche Stimmungspolitik. Genau das, was man mittlerweile bei rund 30 Prozent der Sachsen sehen kann. Populismus braucht einen populus, der bereit ist für den Hilferuf nach scheinbar einfachen Lösungen und „starken Führern“.

Die Zahlen zu den letzen Wahlen zeigen es ja: Es sind vor allem junge Leute mit niedrigen Bildungsabschlüssen, die populistisch wählen. Und das hat sehr viel mit einem elitären Bildungssystem zu tun, das auf Kosten der Jüngsten spart und glaubt, das mit kühnen Notfallpaketen wieder ausbügeln zu können.

Die Serie „Nachdenken über …“

Wenn der Bildungsversager Sachsen wieder Sieger im INSM-Ranking wird

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