Leipzig hat ein Duden Institut. Schon richtig lange. Seit 20 Jahren. Aber es kümmert sich zwar ums richtige Schreiben, aber weniger um die Feinheiten im Wörterbuch als um junge Menschen, die mit dem Rechtschreiben so ihre kleinen Probleme haben. Duden Institut für Lerntherapie nennt es sich seit 2004. Und die Kinder, die dort lernen, bedanken sich nur zu gern mit einem meist handgeschriebenen Rezept.
Ihrem Lieblingsrezept meist. Da fehlt schon mal ein „h“ oder die Zuckersträusel zeigen, wie man so ein Wort am liebsten ausspricht, ganz zu schweigen vom Maffin. Aber das sind alles Dinge, die auch Gleichaltrige, die keine Rechenschwäche, Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Englisch-Schwäche haben, schon mal fertigbringen. Deswegen übt man das ja in der Schule. Und die schönen Rechtschreibübungen macht man zwar irgendwie auch, um am Ende möglichst fehlerfrei schreiben zu können. Aber in Wirklichkeit geht es ja um das Einüben einer gemeinsamen Norm.
Das fällt nicht jedem gleich leicht. Und manchen Kindern fällt es viel schwerer als anderen. Und das kann man dann meist nicht mehr so nebenbei im Unterricht lösen. Da hilft dann so ein Institut, wie es das seit 1998 in der Riemannstraße gibt.
Das erste Institut für Lerntherapie dieser Art wurde 1992 gegründet – damals noch unter dem Namen PAETEC Institut für Therapie. Seit 2004 gehören die Institute zur Duden-Lernwelt. „Grundlage der Arbeit ist ein wissenschaftlich begründetes und praktisch erprobtes Konzept von Frau Dr. Andrea Schulz, das im Rahmen einer 1994 abgeschlossenen Promotion entstand und in den folgenden Jahren weiter ausgestaltet wurde. In diesem Konzept der integrativen Lerntherapie sind pädagogische, psychotherapeutische und fachdidaktische Maßnahmen miteinander verbunden“, heißt es in der Beschreibung der dortigen Arbeit.
Die Kinder malen also nicht hundert- und tausendfach immer wieder dieselben Sätze aufs Papier, sondern gehen die Sache praktisch und spielerisch an. „Durch eine integrative Lerntherapie soll eine erfolgreiche Teilnahme am Regelunterricht ermöglicht und eine Klassenwiederholung oder Umschulung in eine Sonderschule vermieden werden“, heißt es weiter.
So nebenbei entstehen aus dieser praktischen Arbeit mit den Kindern auch qualitativ hochwertige Duden-Lernhilfen.
Und nun hat sich das Leipziger Institut zum 20. Geburtstag auch selbst beschenkt. Es hat die Lieblingsrezepte der Kinder, die am Institut eifrig mitgemacht haben, in ein liebevoll gemachtes Büchlein gepackt. Und zwar nicht in einheitlichem Satz, sodass es aussieht wie andere Kochbücher auch, sondern genau so, wie die Kinder ihre Rezepte niedergeschrieben haben.
Manche mit Computer. Da hat dann bestimmt auch gleich die Rechtschreibprüfung ein bisschen geholfen. Aber auch mit der muss man ja erst einmal umgehen können. Dafür ist leichter lesbar, was Philipp für seine Triester Torte alles braucht und Karl für die Tom Kha Gai Suppe (Thailändisch).
Aber noch viel spannender sind natürlich die handschriftlichen Rezepte, in denen man sieht, wie die Kinder aus dem Institut mit Schönschrift und Rechtschreibung kämpfen. Da merkt man oft erst, welche schönen Fallstricke unsere Sprache bereithält. Denn unverhofft schiebt sich da ein Puterzucker in den Text für Sophies Streuselkuchen und Hedwig hat (nur zu Recht!) ein kleines Entscheidungsproblem zwischen Jogurt und Joghurt. Da geht es ihr wie der Duden-Redaktion.
Simon hält tapfer am „ß“ fest, wenn er Eßkartoffeln schreibt. Und Elisa macht es, wie wir es auch gern machten, als die Heftseiten immer zu schmal und die Ränder zu breit waren: Da werden eben die Worte getrennt, wo der blaue Strich ist, egal, was der Duden sagt. Was ungeahnte Spannungsmomente ergibt. Etwa wenn Elisa ankündigt: „Ihr vermis-„
Tja, was vermissen wir?
„cht das Mehl.“ Alles klar. Wenn ich Lehrer wäre, ich würde mich auf die Couch packen und kringeln. Gerade weil solche Fälle zeigen, dass unsere Sprache beim Schreiben ungeahnte Überraschungen bereithält. Solche, mit denen manche Lehrer ihre Schüler so richtig ins Entsetzen treiben können. Denn wie schreibt man Schine, wo doch Maschine auch ohne „e“ geschrieben wird?
In Wirklichkeit zeigen ja die Rezepte, wie viel die Kinder schon geschafft haben. Und die Rezepte selbst funktionieren auch, etliche Fotos zeigen, dass die Kinder sie auch selbst nachgekocht und nachgebacken haben. Manche sind exotisch, aber die meisten erinnern an die eigenen Mampffreuden der Kindheit.
Eierkuchen (in zwei Varianten), Willis Pommes und Pizza findet man hier genauso wie Marthas Bauerntopf und Tonis Flammkuchen. Das Schönste an Marthas Bauerntopf ist der Schwierigkeitsgrad: „simpel“. Wenn man so zum genauen Hinschauen animiert wird, merkt man erst, was für nette Worte es in unserer Sprache gibt, sogar richtig charaktervolle. Man kann sich sogar gleich die Köchin dazu vorstellen, wie sie locker den Federhalter zückt und hinschreibt: „simpel“.
Und so nebenbei lädt Dr. Mikaela Blume, Leiterin des Duden-Instituts, auch zu einem spannenden Fachtag ein, den das Duden Institut im Paulinum der Universität veranstaltet.
- Fachtag: Ausgewählte Aspekte früher Kindheit für erfolgreiches schulisches Lernen
In den letzten Jahren ist das Thema frühkindliche Bildung stärker in den Fokus der wissenschaftlichen und öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Auch unser diesjähriger Fachtag beschäftigt sich mit den sogenannten Vorläuferfähigkeiten, die ein Kind für einen guten Start in der Schule entwickeln sollte: Sprache, Wahrnehmung, Konzentration, Merkfähigkeit, Motorik und nicht zuletzt die Entwicklung sozialer Kompetenzen.
Alle Interessenten sind uns am 6. Juni im Paulinum der Leipziger Universität herzlich willkommen.
Keine Kommentare bisher