Ob es die richtige Überschrift war, die das Sächsische Kultusministerium am Freitag, 9. März, wählte, um das Verhandlungsergebnis der Regierungskoalition zum Lehrerproblem in Sachsen zu betiteln, darf man durchaus bezweifeln. „Sachsen verbeamtet Lehrer“, hatte das CDU-geführte Ministerium über die Meldung geschrieben, weil die Verbeamtungsidee nun einmal ein CDU-Lieblingsthema war. Aber in dem 1,7-Milliarden-Euro-Programm steckt viel mehr.
Vor allem steckt vieles von dem drin, was der Juniorpartner SPD in der Regierung seit 2014 nicht hatte durchsetzen können gegen sture und unbelehrbare Kultusminister und einen Finanzminister, dem die Zustände in Sachsens Schulen herzlich egal waren.
Dass Sachsen dabei in eine Misere geraten ist, die es mit kluger Planung und verlässlicher Lehrereinstellung hätte vermeiden können, ist das Tragische dabei. Aus einem Land, das seine Lehrerinnen und Lehrer noch vor 15 Jahren in Teilzeit schickte, um Entlassungen zu vermeiden, ist ein Land geworden, das seit fünf Jahren die Löcher nicht mehr stopfen kann.
Und auf einmal kämpft es gegen finanziell viel besser gestellte Bundesländer um die begehrten Lehrkräfte. „Im Wettbewerb um Lehrer auf dem hart umkämpften deutschen Lehrerarbeitsmarkt geht Sachsen in die Offensive“, meldete das Kultusministerium am 9. März. „Neulehrer sollen künftig verbeamtet werden, Rückkehrer können ihren Beamtenstatus behalten und Grundschullehrer werden besser bezahlt als in den meisten anderen Bundesländern. Auch viele Jahre im sächsischen Schuldienst tätige Lehrkräfte sollen finanzielle Vergünstigungen bekommen. Gleichzeitig sind Maßnahmen zur Entlastung der Lehrer vorgesehen. Dazu hat heute die Staatsregierung ein Handlungsprogramm in Höhe von über 1,7 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre vorgelegt.“
Ein hart verhandeltes Ergebnis
Wie es nun – drei Monate, nachdem Michael Kretschmer als Ministerpräsident und Christian Piwarz als Kultusminister die Amtsgeschäfte übernommen haben – zu diesem Ergebnis kommen konnte, formulierte dann der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Panter: „Heute ist ein guter Tag für die Lehrer, Schüler und Eltern in Sachsen. Die harten Verhandlungen haben zu einem starken Ergebnis geführt. Die Koalition konnte heute ein Handlungsprogramm vorlegen, das tatsächlich eines unserer größten Probleme im Freistaat, den Lehrermangel, nachhaltig bekämpft.”
Und für ihn stimmt auch die Dimension der Maßnahmen: “Wir haben damit eines der größten Bildungsprogramme bundesweit aufgelegt. Es wird ab 2019 wirksam und hat bis einschließlich 2023 ein Gesamtvolumen von rund 1,7 Milliarden Euro. Ein Betrag, der für die Zukunft unseres Landes sehr gut angelegt ist und einen Richtungswechsel darstellt: Wir investieren in Köpfe und nicht mehr nur in Beton. Wir tun das, weil die Sächsinnen und Sachsen zu Recht von uns erwarten, dass unser Staat gut funktioniert und dass es den Menschen im Land auch in Zukunft gutgeht.“
Und dann listet er auf, worum die SPD-Fraktion in ihren Verhandlungen mit der CDU vor allem gerungen hat:
– Attraktivere Arbeitsbedingungen, auch finanziell, für neue und gestandene Lehrkräfte und die gleiche Eingruppierung aller Lehrkräfte, egal ob in Grundschule oder Gymnasium, egal ob mit DDR-Ausbildung oder mit Staatsexamen.
– Die Absicherung der Lehrerausbildung an den Universitäten, damit auch entsprechend des Bedarfes ausgebildet werden kann.
– Entlastung von Lehrern bei nichtpädagogischen Aufgaben durch Schulassistenz und Senior-Lehrkräfte.
– Erhöhung der Ganztagsmittel.
– Eine transparente und ehrliche Lehrerbedarfsplanung als Basis für die Einstellungs- und Studienkapazitätsplanung.
– Keine willkürliche Streichung von Unterrichtsfächern wie Sport, Musik oder Kunst.
Letzteres ja immerhin der jüngste Schnellschuss von Christian Piwarz, für den der CDU-Kultusminister heftige Kritik aus dem gesamten Freistaat erntete. Ausgerechnet bei der Dauer-Regierungspartei CDU ist das Verständnis für die elementare Rolle dieser Fächer für die Persönlichkeitsbildung in den Schulen augenscheinlich völlig verkümmert.
Für Sabine Friedel der Erfolg jahrelangen Ringens
Und besonders ins Zeug gelegt hat sich Sabine Friedel, die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: „Ich habe immer deutlich gemacht, dass wir jetzt die richtigen Maßnahmen ergreifen und sie beherzt angehen müssen, um den Lehrermangel langfristig zu beheben. Zusammen mit dem Lehrer-Maßnahmenpaket 2016 wird diese Koalition in den Jahren 2016 bis 2019 mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich in die Schulbildung investieren.“
Und dann erinnert sie daran, was die SPD 2014 vorfand, als sie zum Juniorpartner der CDU wurde: „Vor Regierungseintritt der SPD wurden nicht einmal genügend Lehrer neu eingestellt, um die Abgänge zu ersetzen. Mit dem Koalitionsvertrag und der damit einhergehenden Abkehr von der strikten Kürzungspolitik wurden wieder zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, Verträge entfristet und die Lehrerausbildung aufgestockt. Mit einem ersten Maßnahmenpaket, das ebenfalls nach harten Verhandlungen im Jahr 2016 geschnürt wurde, gab es erste deutliche Verbesserungen für viele Lehrer, insbesondere an den Oberschulen. Das neue Schulgesetz von 2017 ist für die Zukunft der schulischen Bildung enorm wichtig gewesen.”, so Friedel zum Stand aus ihrer Sicht bis zum Jahr 2018.
“Und nun gehen wir mit dem Handlungsprogramm einen weiteren großen Schritt. Viele kleinere Maßnahmen werden in Summe zur Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufes beitragen. Viel wichtiger ist, dass wir eine Perspektive aufzeigen: Eine ehrliche Bedarfsplanung sowie zusätzliches unterstützendes Personal geben den Weg vor, um Lehrern mehr Zeit für Unterricht und pädagogische Arbeit mit Kindern einzuräumen.“
Verbeamtung als Zugeständnis an die CDU
Dass dann die Verbeamtung von ausgewählten Lehrergruppen doch noch ins Paket kam, war der Kompromiss mit der CDU. “Es ist kein Geheimnis, dass die SPD kein Fan der Verbeamtung von Lehrern in Sachsen ist. Wir sind auch weiterhin der Überzeugung, dass es bessere Möglichkeiten gegeben hätte“, sagt Friedel.
„Der Kompromiss mit der CDU war hier aber nur zu erreichen, wenn die auf fünf Jahre befristete Verbeamtung bis 42 Jahre Teil des Paketes ist. Wir haben dem zugestimmt, weil wir so sehr viele wichtige Maßnahmen durchsetzen konnten, die tatsächlich gegen den Lehrermangel helfen und trotzdem die Gerechtigkeit im Lehrerzimmer im Blick haben.“
Wichtiger war der SPD, dass endlich die Ungleichbehandlung der Lehrerinnen und Lehrer bei der Bezahlung beendet wurde.
„Künftig werden im Freistaat Sachsen alle Lehrer gleich bezahlt. Künftig werden die über 9.000 Grundschullehrer in die Entgeltgruppe E13 bzw. A13 eingruppiert“, geht Dirk Panter auf diesen Teil des Pakets ein. „Zudem schaffen wir ein unbürokratisches Anerkennungsverfahren, um ca. 4.600 DDR-Lehrer endlich anzuerkennen und gleich zu entlohnen. Dazu wird auch eine Anerkennungskommission unter Beteiligung der Gewerkschaften eingerichtet, um Leitlinien abzustimmen sowie etwaige Härtefälle zu klären. Uns war von Anbeginn wichtig, dass es eine Gesamtlösung gibt. Die vielen Maßnahmen, die wir nun ergreifen, machen eine Zustimmung zum Gesamtprogramm möglich.“
Musik, Kunst und Sport bleiben unangetastet
Und Christian Piwarz musste bei seinem Wunsch, die Lehrpläne bei Musik, Kunst und Sport einzukürzen, einlenken. „Kein Thema für uns war eine willkürliche Kürzung bei Sport, Kunst und Musik. Das wird es nicht geben“, sagt Friedel.
„Wichtig ist uns, dass Lehrpläne und Stundentafeln insgesamt überarbeitet werden müssen. Zum einen wegen der überdurchschnittlichen Stundenzahl, die wir in Sachsen haben. Zum anderen, um ein modernes Lernen im 21. Jahrhundert zu ermöglichen sowie Schüler besser auf die Themen der Zukunft und die Digitalisierung vorzubereiten. Bei dieser Überarbeitung der Stundentafel müssen natürlich alle Fächergruppen einbezogen werden.“
Heißt: Das Kultusministerium muss jetzt endlich an die Arbeit und die mit Stoff überfrachteten Lehrpläne entschlacken. Es steht zu viel Wissenskram drin, der gepaukt werden muss – dafür fehlen die wichtigen Trainingseinheiten fürs geübte Denken.
„Ich bin froh, dass es ein ausgewogenes und wirksames Handlungsprogramm gibt“, sagt Dirk Panter. Und er betont noch einmal, dass einem auch in einer Regierungskoalition nichts geschenkt wird. Seit sieben Jahren brennt das Thema Lehrermangel, seit vier Jahren hat die SPD vergeblich versucht, das Kultusministerium zum Jagen zu tragen.
Gegen jede wirklich nachhaltige Korrektur bei der Bildungsfinanzierung sträubte sich der Finanzminister und die Bildungsministerin beharrte auf einem Schulverständnis, das nicht einmal mehr die CDU-Wähler akzeptieren konnten. „Es war wichtig, so lange und so intensiv zu verhandeln“, sagt Panter. „Denn ein Paket, das zwar eine Verbeamtung enthält, ansonsten aber weitgehend wirkungslos ist, wäre dem Land sowie den Lehrern, Schülern und Eltern nicht zuzumuten gewesen.“
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