Wie sieht eigentlich das Sitzenbleiber-Zeugnis einer Ministerin aus? So, wie es Sabine Friedel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, am Donnerstag, 22 Juni, in der Landtagsdebatte demonstrierte. Die SPD darf zwar seit 2014 ein bisschen mitregieren. Aber dafür sorgen, dass genug Lehrerinnen und Lehrer eingestellt sind, muss Brunhild Kurth, die Kultusministerin der CDU.
„Die Situation, in der wir sind, ist keine Naturkatastrophe. Sie wurde herbeigeführt. Durch Fehler verursacht. Seit 2011 steigen die Schülerzahlen. Das wäre der Zeitpunkt gewesen, um umzusteuern, um wieder neue Lehrkräfte einzustellen, um die Absolventen in Sachsen zu binden“, sagte Sabine Friedel in der Debatte zum Lehrermangel am Donnerstag, 22. Juni, im Sächsischen Landtag.
Und dann gibt es die erste Schulnote. Denn seit 2011 ist Brunhild Kurth die zuständige Ministerin in Sachsen. Dafür wird sie vom Steuerzahler bezahlt. Nicht vom Finanzminister, auch wenn dieser Staatsexperte in Personalfragen immer so tut, als sei es sein Geld, das er da für Lehrer herausrücken soll. Georg Unland war auch schon 2011 Finanzminister. Und damals schon warf ein Bildungsminister das Handtuch, weil er an der Ignoranz des Finanzministers verzweifelte.
Ergebnis:
„Dieser Zeitpunkt wurde verpasst und ich bin sicher, dass das mittlerweile viele im Landtag bereuen“, vergab Sabine Friedel die erste Note 6 für Brunhild Kurth. Wer ein Problem sechs Jahre lang nicht gelöst bekommt, hat die Prüfung vermasselt. „Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Und für die Lehrer, Schüler und Eltern ist es herzlich egal, wer daran schuld ist. Für die Bürger ist es nicht eine einzelne Partei, sondern DIE Politik, die versagt hat. Und deren Fehler sie jetzt ausbaden müssen. Ich kann nicht im Namen DER Politik sprechen, denn die gibt es nicht. Aber im Namen der SPD sage ich: Es tut uns sehr leid, dass die Situation so ist, wie sie ist. Wir bitten um Entschuldigung. Ich wünschte, es wäre anders gekommen.“
Für Friedel ist klar, dass es keinen reibungslosen Start ins das Schuljahr 2017/18 geben wird.
„Wir hatten auch schon keinen reibungslosen Start in das Schuljahr 2016/17 und auch nicht in das Schuljahr 2015/16. Sachsen hat einen gravierenden Lehrermangel. Da kann man sich zwar wünschen, dass alles reibungslos funktionieren soll. Aber mit diesem Wunsch ist man fernab jeglicher Realität. Wir haben an vielen Stellen Unterrichtsausfall, aber der Unterrichtsausfall ist nicht unser einziges Problem“, so Friedel. „Wir haben viele Seiteneinsteiger – die Gott sei Dank da sind und uns helfen – die sich berufsbegleitend qualifizieren und dann zwei Tage in der Woche an der Schule fehlen.“
Was dann – Stichwort Unterrichtsausfall – schon die zweite 6 war.
„Wir haben Schulen, da wechselt in jedem Schuljahr der Fachlehrer. Wir haben etliche Grundschulklassen, wo die Klassenleiterin wechseln muss. Für die Schüler ist so ein Lehrerwechsel eine massive Belastung. Denn – und hier ist der Satz wirklich angemessen: Schule braucht Kontinuität“, so Friedel. „Die gibt’s gerade überhaupt nicht. Und das alles passiert, weil aufgrund des Lehrermangels ständig neu geplant werden muss, nicht nur von Schuljahr zu Schuljahr, sondern immer wieder auch mittendrin. Respekt und Dank an alle Schulleitungen, die das tun und so immer wieder helfen, die schlimmsten Dinge abzufangen!“
Eine Note 1 für die Schulleitungen.
Aber in Wirklichkeit zwei weitere Sechsen für Brunhild Kurth, die ihr Amt nicht ausfüllt.
Sabine Friedel wies in ihrer Rede außerdem darauf hin, dass ab Beginn der Koalition zumindest in Teilen umgesteuert wurde. Denn die SPD drückte ein paar kleine Verbesserungen durch, die ja bekanntlich Finanzminister Georg Unland (CDU) schon wieder kassieren will.
„Wir haben mit Eintritt in die Regierung zuerst einmal den Stellenabbau gestoppt. Wir haben die befristete Beschäftigung beendet. Jede freiwerdende Stelle wurde neu und unbefristet wiederbesetzt. Wir haben die Anzahl der Lehrerstellen erhöht – und zwar deutlich“, zählte Friedel auf, was die SPD zum Unwillen des allmächtigen Finanzministers alles durchgedrückt hat. Ohne diesen Wechsel sähe es derzeit noch viel katastrophaler aus an Sachsens Schulen. Denn 2009 hatte Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ja ein radikales Personal-Kürzungsprogramm verkündet. Völlig ohne eine einzige belastbare Personalplanung.
„Die Planung der Vorgängerregierung sah für das kommende Schuljahr knapp 26.400 Lehrerstellen vor – jetzt haben wir 29.700, das sind 3.300 Stellen mehr!“, konnte Friedel am Donnerstag sagen. „Und weil Stellen noch keine Leute sind, hört es da natürlich noch nicht auf! Wir haben Zulagen für Neueinstellungen organisiert, Zulagen für ältere Lehrkräfte, damit sie im Schuldienst bleiben. Wir haben die Lehrkräfte entlastet, zusätzliche Anrechnungsstunden für die älteren Kollegen gegeben, die Oberschullehrer in die E13 geholt, die Referendarsbezüge erhöht – und gestern erst die bessere Bezahlung von Überstunden beschlossen.“
Aber das Problem ist an anderer Stelle akut geworden: bei der Einstellungspolitik von Brunhild Kurth, die mit dem in Sachsen ausgebildeten Lehrernachwuchs so rücksichtslos umgeht, dass die Hälfte davon sofort nach dem Studium lieber in andere Bundesländer abwandert.
Sabine Friedel: „Wir brauchen einen anderen Umgang mit unserem Problem.“
Und tatsächlich steht man nun im Jahr 2018 da, wo man 2011 mit der Reparatur hätte beginnen müssen. Sieben vertrödelte Jahre.
„Wir dürfen erstens nichts mehr schönreden. Die Lage ist schlecht. Es wird dauern, sie zu verbessern. Aber Schritt für Schritt können und werden wir das hinbekommen“, meinte Friedel. „Zweitens: Kein Weiter so. Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Wenn wir in den Großstädten im gymnasialen Bereich mehr Bewerber haben, als wir dort eigentlich brauchen, dann sollten wir sie nicht wegschicken. Dann stellen wir eben über Bedarf ein. Auch an den großstädtischen Gymnasien gibt es genügend Arbeit. Warum schicken wir die Leute weg? Keiner Schule im ländlichen Raum ist dadurch geholfen, dass es einer Schule in Leipzig genauso schlecht geht, wie ihr. Dann nutzen wir das pädagogische Plus in den Großstädten, um mit unseren inhaltlichen Vorhaben voranzukommen – mit Inklusion, mit Teamteaching, mit dem Wechsel zur Ganztagsschule.“
Aber genau so geht Sachsens Kultusbürokratie mit den Lehrerbewerbungen um: Qualifikation passt nicht? Bewerbung abgelehnt. Lieber stellt man hunderte Seiteneinsteiger ohne pädagogische Vorbildung ein. Das ist nicht nur bürokratisch, das ist teuer, dumm, ignorant und vor allem perspektivlos.
Sabine Friedel: „Drittens: Die Not ist groß. Aber an manchen Stellen kann man aus der Not auch eine Tugend machen. Beim jahrgangsübergreifenden Unterricht ist das gut gelungen: Anfangs ging es nur darum, die Grundschulen im ländlichen Raum zu erhalten. Doch wenn man mit den Schulen heute spricht, wenn man die Lehrkräfte und die Schüler fragt, dann haben inzwischen alle ein großes Leuchten in den Augen. Eine Lehrerin sagte mir, das war die beste Entscheidung, die sie da getroffen haben: Der Unterricht macht mehr Spaß, die soziale Kompetenz ist enorm gestiegen und ‚Frau Friedel‘, sagte sie dann, ‚wir kriegen von den Kindern so viel mehr zurück. Das ist doch das, worum es in unserem Beruf eigentlich geht.‘ Diese Freude, diesen Stolz und diese Anerkennung selbst zu vermitteln und durch Begleitung und Unterstützung weiterzuverbreiten anstatt bürokratische Hürden und Stöckchen aufrechtzuerhalten, das ist doch unsere Aufgabe: Die Aufgabe des Kultusministeriums, die Aufgabe von uns als Regierungsfraktionen und die Aufgabe der Politik im Ganzen. So einen Antrag hätte ich mir gewünscht – da hätten dann auch meine Augen geleuchtet.“
Am Ende eigentlich sechs Sechsen für eine völlig überforderte Kultusministerin.
Der Wechsel in diesem Ministeramt ist überfällig.
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