Die zunehmende verbale Aufrüstung im politischen Raum hat auch Folgen anderswo: auf sächsischen Schulhöfen. Eine Gesellschaft, die immer mehr verlernt, wie man Probleme einvernehmlich klärt, neigt zur Gewalt. Oder tobt sich auf sächsischen Schulhöfen etwas ganz Anderes aus? Die Grünen haben nachgefragt.
Die im November 2016 veröffentlichten Ergebnisse einer Forsa-Umfrage unter bundesweit 2.000 Lehrerinnen und Lehrern zum Thema „Gewalt gegen Lehrer“ waren Anlass für die Abgeordnete Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, sich mit einer Kleinen Anfrage an die Staatsregierung nach der Situation in Sachsen zu erkundigen.
Die Antwort von Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) liegt nunmehr vor. Danach ist Kriminalität an allen Schularten in Sachsen ein Thema. Die häufigsten Delikte an sächsischen Schulen sind nach Aussage der Ministerin Diebstähle, Sachbeschädigungen und Körperverletzungsdelikte. So wurden im Schuljahr 2015/2016 an Grundschulen 535 Straftaten erfasst, an Mittel- und Oberschulen 1.081, an Gymnasien 429, an Berufsschulen 327 und an Sonstigen Schulen 638. Auf den Schulhöfen wurden insgesamt 822 Straftaten verübt.
„Ein positives Sozialklima an den Schulen ist die beste Gewaltprävention“, ist Petra Zais überzeugt. „Gegenseitige Wertschätzung, ganzheitliche Bildungsansätze und Schulsozialarbeit gehören für mich unbedingt dazu.“
Wer aber sieht, wie Sachsens Schulen mit Schülern vollgestopft werden, während man bei Lehrern jahrelang den Rotstift angesetzt hat, der ahnt, dass das nicht dauerhaft gutgehen kann. Für Kommunikation über das straffe Lehrplanangebot hinaus gibt es keinen Puffer mehr. In Leipzig wird dem Problem deswegen ja seit ein paar Jahren mit Sozialarbeitern begegnet, was auch eine Reaktion darauf ist, dass die sozialen Problemlagen in einigen Grundschulen und den meisten Mittelschulen seit Jahren manifest sind. Es ist die Kehrseite eines ganz und gar auf Effizienz und Leistungsdruck getrimmten Systems, das vielen Kindern auch frühzeitig die Botschaft vermittelt, dass es für sie keine Aufstiegschancen gibt.
Es sind nicht die Kinder, die den sozialen Konsens aufkündigen. Es liegt wohl näher, in der Zunahme dieser Vorkommnisse auch die Widerspiegelung einer zunehmend aggressiver und rücksichtsloser werdenden Gesellschaft zu sehen.
„Die vorgelegten Zahlen der Ministerin spiegeln allerdings nur die halbe Wahrheit wider, denn über nicht zur Anzeige gebrachte Straftaten liegen der Staatsregierung keine Kenntnisse vor“, erklärt Petra Zais. „Das spricht wohl für die Annahme der Polizeigewerkschaft, die davon ausgeht, dass die Meldezahlen der Straftaten an den Schulen nicht der Realität entsprechen und es eine viel höhere Dunkelziffer gibt. Die Zahl der erfassten Straftaten auf den Schulhöfen ist besonders hoch. Angesichts teilweise dramatischer Unterbesetzung im Vergleich zu weiter steigenden Schülerzahlen, können Schülerinnen und Schüler in den Pausen häufig nicht mehr angemessen beaufsichtigt werden. Besonders betroffen vom unzureichenden Betreuungsschlüssel ist der Hortbereich.“
Handlungsbedarf besteht nach Ansicht der bildungspolitischen Sprecherin bei einer verbesserten Datenerfassung.
„Ausreichende Kenntnisse über Straftaten sind eine Voraussetzung für zielgerichtete Prävention. Daneben müssen alle Lehrkräfte für den Umgang mit Straftaten und Gewalt sensibilisiert werden. Hier existieren noch viele Unsicherheiten. Den Schülerinnen und Schülern sollten die Konsequenzen strafrechtlichen Verhaltens stärker als bisher deutlich gemacht werden und auch die Eltern sind in die Prävention mit einzubinden.“
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