Man muss eigentlich nicht lange suchen, um herauszufinden, warum ausgerechnet Sachsen auch im "Bildungsmonitor 2016" der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) Platz 1 belegte. Mit sozial hat weder die Initiative noch der "Bildungsmonitor etwas zu tun. Im Gegenteil: Er zeigt immer deutlicher, wie man mit "Effizienz" ein Bildungssystem zerstört.
Während SPD und CDU irgendwie ihre Zufriedenheit mit diesem neuen Zahlenwerk aus dem Hause INSM (zusammengestellt vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln) äußerten, fand der Landesschülerrat das Produkt in diesem Jahr einfach nur befremdlich und zeigte sich irritiert über die erneute „Titelverteidigung“ des sächsischen Bildungssystems im „Bildungsmonitor 2016“.
Sachsens Schülerinnen und Schüler seien konfrontiert mit Lehrermangel, teils desolaten Schulgebäuden, Unterrichtsmaterialien aus dem letzten Jahrtausend und dabei gebe es keine Aussicht auf innovative Maßnahmen bei der Unterrichtsgestaltung.
Insbesondere kann der LandesSchülerRat Sachsen die Aussagen der Sächsischen Staatsministerin für Kultus, Brunhild Kurth, vom Donnerstag, 18. August, den Schulen dürfe bei den aktuellen Herausforderungen keine neue Struktur übergestülpt werden, nicht teilen: Eine bedachte Weiterentwicklung des Bildungssystems sei in solchen Situationen umso wichtiger, Anpassung mit gleichzeitigem Blick auf die Zukunft würde das Lernen und Lehren an den Schulen fördern.
In der aktuellen Bildungsstudie führt Sachsen beispielsweise die Kategorie „Schulqualität“ an, da sächsische Schülerinnen und Schüler in naturwissenschaftlichen Schulleistungstests ein hohes Niveau aufweisen. Gerade der gesellschaftswissenschaftliche Bereich wird nach Auffassung des LandesSchülerRates jedoch zu sehr vernachlässigt, auch zulasten der politischen Bildung der sächsischen Schülerinnen und Schüler.
Wobei gerade die Kategorie „Schulqualität“ den ganzen Murks der „Studie“ verdeutlicht: Hier stehen nur die Ergebnisse aus dem letzten IQB-Testvergleich deutscher Schüler – und der stammt aus dem Jahr 2012. Eine seriöse Studie hätte auf derart alte Zahlen verzichtet.
Friedrich Roderfeld, der Vorsitzende des LSR: „Mit der Veröffentlichung des neuen Bildungsmonitors wird sich das Kultusministerium in seinem Handeln bestätigt fühlen. Wir müssen unbedingt verhindern, dass sich die Verantwortlichen auf dieser und ähnlichen Studien, in denen Sachsen führende Plätze belegt, ausruhen. Das Bildungssystem muss fortlaufend weitergedacht und weiterentwickelt werden, um den Anschluss an andere Staaten und damit auch an die Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht zu verlieren.“
So weit die Schüler.
Der genaue Blick ins Ranking zeigt, dass Sachsen mittlerweile die geringsten Fortschritte im Bildungssystem aufzuweisen hat. Im Gegenteil. In wichtigen Kategorien verschlechtern sich die sächsischen Werte mittlerweile. So beim Thema Integration, wo der Freistaat 23,9 Punkte verlor. Was vor allem damit zu tun hat, dass gerade Schüler mit Migrationshintergrund immer schlechtere Chancen haben, in Sachsen einen Schulabschluss zu machen, vom Abitur ganz zu schweigen. Sie bekommen es als Allererste zu spüren, wenn an den Oberschulen die Pädagogen fehlen, die Klassen aus den Nähten platzen und die Integrationsangebote fehlen.
Selbst die INSM stellt das fest: „Große Verschlechterungen weist Sachsen im Handlungsfeld Integration auf: In den letzten Jahren ist die Abbrecherquote unter ausländischen Jugendlichen stark gestiegen und inzwischen sehr hoch.“
Auch bei der „Ausgabenpriorisierung“ ist Sachsen deutlich zurückgefallen. Was mit demselben Thema zu tun hat: Der Sparkurs bei Lehrkräften zeitigt Folgen. Da stimmen nicht mal mehr die neoliberalen „Gleichgewichte“. Oder so ausgedrückt: Sachsen gibt mittlerweile zu wenig aus, um noch qualitätvolle Bildung leisten zu können.
Tatsächlich profitiert Sachsen nur noch von den erstklassigen Ergebnissen aus den Schülervergleichen von 2012 – und von der enormen Betreuungsquote in den Vorschulen, wo die Kommunen Blut und Wasser schwitzen, um das alles auch bezahlen zu können. Das ergibt dann eine exzellente „Förderinfrastruktur“.
Einen anderen Pluspunkt droht Sachsen gerade zu verlieren: den seiner bislang auch international noch attraktiven Hochschullandschaft. Im Dynamikranking, wo man die Fortschritte der Bundesländer in der Bildungslandschaft misst, liegt Sachsen mittlerweile auf dem vorvorletzten Platz, stagniert eigentlich, während Länder wie das Saarland, Hamburg oder Niedersachsen erhebliche Anstrengungen unternehmen, um ihre einstigen Nachteile auszugleichen.
Mehr sagen wir dazu nicht, weil man dann leider im Detail immer wieder auf blödsinnige Bewertungsfelder stößt wie den „Anteil vorzeitig aufgelöster Ausbildungsverträge“ unter „Zeiteffizienz“.
Hätten sich die Studienbastler vom IW und die Lautsprecher von der INSM einmal wirklich mit Funktionsweisen und Grundbedingungen von Bildungserfolg beschäftigt, hätten sie ihren „Bildungsmonitor“ schon vor Jahren in die Tonne gehauen. Jetzt liefern sie nur noch nicht belastbares Material für Politiker, die selbst gern nur die Oberfläche sehen und mit den ernsthaften Folgen ihres Tuns gerade für die Schwächsten im System gar nicht konfrontiert werden wollen.
Was der “Bildungsmonitor” für Sachsen zeigt, ist ein stagnierendes Bildungssystem, in dem gerade die von der INSM gepriesenen „Effizienz“-Faktoren dazu führen, dass es von Jahr zu Jahr mehr verschleißt.
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