Sachsen hat zwar ein gewaltiges Problem, genügend Lehrer zu finden. Aber wenn es drauf ankommt, zeigt sich das Kultusministerium noch immer so wählerisch, als hätte es alle Zeit der Welt. Petra Zais, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, schüttelt nur den Kopf. Sie hat nachgefragt und staunt nur, wie kompliziert es ist, in Sachsen Lehrer zu werden.
„Leistet die Gewinnung von Lehrkräften aus anderen Bundesländern einen Beitrag zur Linderung des Lehrermangels? Die Antwort lautet: Einen Beitrag ja, aber keine Lösung des Problems. Dafür sind die Lücken in der Lehrerversorgung in Sachsen zu groß und die Zahl der erfolgreichen Bewerbungen aus anderen Bundesländern zu gering“, stellt sie nun fest, nachdem sie die jüngste Antwort von Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) auf ihre Kleine Anfrage zur Einstellung von Lehrern und Anwärterinnen aus anderen Bundesländern durchgearbeitet hat.
Vergleichen kann sie auch, denn aus dem Jahr 2015 gibt es zwei Vorgänger-Anfragen, die das Problem schon einmal benannt haben.
So hat Sachsen zwar zum 1. Februar 2016 insgesamt 760 Lehrer-Stellen ausgeschrieben. Auf diese bewarben sich rund 1.600 Personen. Doch nur 186 der Bewerberinnen und Bewerber hatten ihren Lehramtsabschluss dabei in einem anderen Bundesland erworben.
Im Vorjahr waren es zum Einstellungstermin 1. Februar noch etwas mehr. Da waren 300 neue Stellen geplant, auf die sich 900 Lehrkräfte bewarben – 292 von ihnen mit einem Abschluss aus einem anderen Bundesland.
Doch auch da wurden lediglich 64 von diesen 292 Bewerberinnen und Bewerbern in den sächsischen Schuldienst eingestellt.
Ein ähnliches Bild ein halbes Jahr später: Zum 1. August 2015 sollten 1.000 Stellen besetzt werden, für die es 1.600 Interessenten gab. 556 von ihnen hatten ihren Lehramtsabschluss in einem anderen Bundesland erworben, 223 wurden letztlich tatsächlich eingestellt.
Die Gründe, trotz erfolgter Bewerbung nicht im sächsischen Schuldienst tätig zu werden, sind vielfältig. Häufig werden Bewerbungen zurückgezogen, sind unvollständig oder verfristet.
Aber Sachsen ist ja irgendwie auch Elite. Weshalb die Kultusministerin auf das Prinzip der Bestenauslese verweist: So würden viele Bewerberinnen und Bewerber abgelehnt, „weil sie den Einstellungsvoraussetzungen nicht entsprachen oder konkrete Einstellungsangebote abgelehnt hatten“.
Das klingt dann schon nach dem gescheiterten Versuch, die Lehrerprobleme in der sächsischen Provinz zu lösen, wohin auch viele sächsische Absolventen nur ungern wollen. Und das geht auch frischgebackenen Absolventen der pädagogischen Hochschulen so.
Denn auch bei den Lehramtsanwärtern traten, gemessen an den Bewerberzahlen, nur wenige tatsächlich den Vorbereitungsdienst im Freistaat an. Zum 1. Februar 2016 bewarben sich 459 Anwärterinnen und Anwärter für den zwölfmonatigen Vorbereitungsdienst, davon jeder Fünfte als Seiteneinsteiger. Nur 135 wurden tatsächlich zugelassen (darunter noch 13 Seiteneinsteiger).
Zum Vergleich: Im Vorjahr hatten sich zum Einstellungstermin 1. Februar 319 Lehramtsanwärter mit erster Staatsprüfung oder einem vergleichbaren Abschluss in einem anderen Bundesland für den Vorbereitungsdienst in Sachsen beworben. Auch damals waren es knapp 30 Prozent dieser Bewerberinnen und Bewerber (94), die tatsächlich ihren zwölfmonatigen Vorbereitungsdienst in Sachsen antraten.
Näher erläutert, warum Sachsen von den auswärtigen Bewerbungen weiterhin so wenige annimmt, hat die Kultusministerin nicht. Sie verwies darauf, dass man an den Berichten dazu noch arbeite: „Detaillierte Auskünfte über die Einstellungen zum Schulhalbjahr 2015/2016 können erst im Zuge der abschließenden Analyse des Einstellungsverfahrens erfolgen. Die Erstellung der Berichte hierzu dauert an. Das Sächsische Staatsministerium für Kultus wird die ausstehenden Informationen baldmöglichst nachreichen.“
Aber es deutet manches darauf hin, dass die Verfahren vor dem Hintergrund des wachsenden Lehrermangels in Sachsen noch immer viel zu schematisch sind und der Freistaat seine Mittel nicht ausschöpft, Lehrer für den sächsischen Schuldienst auch von außerhalb zu binden.
„Eine Erkenntnis ist inzwischen bei allen gereift: Aus eigener Kraft wird der Freistaat die notwendigen Lehrerstellen nicht besetzen können“, erklärt Petra Zais zu diesem Zahlendilemma. „Die Lücke zwischen Lehrerbedarf und hierzulande ausgebildeten Lehrkräften ist immens. Verschärft wird die Situation dadurch, dass es kaum mehr gelingt, Lehrerinnen und Lehrer adäquat nach Schulart, Fächerkombination und Region zu gewinnen.“
Und damit hat Sachsen ein Problem, das eben nicht so ein Elitebildungsland ist, wie es sich gern selbst immer wieder einredet.
Oder mit den Worten von Petra Zais: „Wenn nur ein Bruchteil der Bewerbungen aus anderen Bundesländern Berücksichtigung findet, ist das zum einen ein Indiz für Schwächen im Einstellungsverfahren, zum anderen aber auch für die mangelnde Attraktivität des Lehrerberufs in Sachsen. Das ‚Sachsen-Stipendium‘ und mehr Mitsprache der Bewerberinnen und Bewerber bei der Auswahl der Schule sind erste Schritte, diese Mängel zu beheben. In puncto Transparenz und Optimierung der Verfahrensabläufe besteht jedoch weiterer Handlungsbedarf – auch, aber bei weitem nicht nur für Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Bundesländern.“
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