Höchste Zeit, vorzusorgen, mahnt Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, 2020 läuft die Bundesförderung für die Lehrerausbildung in Sachsen aus. Aber Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: In diesem Jahr wird die Sache wohl nicht mehr geklärt.
Dabei hat Sachsen auf Jahre hinaus einen enormen Bedarf an neuen Lehrern, weil jetzt die große Welle der Versetzung älterer Pädagogen in den Ruhestand beginnt. Aber ein großer Teil der Lehramtsausbildung in Sachsen ist derzeit nur noch für vier Jahre abgesichert. Das liest Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, zumindest aus der Antwort heraus, die sie von Dr. Eva-Maria Stange (SPD), Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, auf ihre Kleine Anfrage bekommen hat.
„Ein großer Teil der Beschäftigten, die an den Hochschulen die Lehramtsausbildung stemmen, ist über das sogenannte Bildungspaket 2020 finanziert. Dabei handelt es sich um Bundesmittel, die im Jahr 2020 auslaufen. Danach fallen diese Stellen weg, so ist es im sächsischen Haushalt vorgesehen“, erläutert Maicher das Problem. „An der TU Chemnitz sind davon 77 Prozent, an der Uni Leipzig 50 Prozent und an der TU Dresden 17 Prozent des Personals in der Lehramtsausbildung betroffen. An der Hochschule für Musik Dresden sind es 44 Prozent, an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig 34 Prozent.“
50 Prozent an der Universität Leipzig bedeuten immerhin 14 volle Stellen. Und das an der wichtigsten Lehrerausbildungsstätte in Sachsen.
Eigentlich eine doppelt brisante Situation. Aber besonders deswegen, so Maicher: „Das ist insofern brisant, weil Studierende, die in diesem Herbst ein Lehramtsstudium in Sachsen aufnehmen, über das Jahr 2020 hinaus studieren werden.“
Die Ministerin verwies in ihrer Antwort darauf, dass das Hochschulgesetz eine Garantie vorsieht, das Studium beenden zu können. „Des Weiteren ist nach § 32 Abs. 4 SächsHSFG die Aufhebung eines Studienganges nur zulässig, wenn gewährleistet ist, dass die in diesem Studiengang immatrikulierten Studenten ihr Studium während der Regelstudienzeit an dieser Hochschule und nach Ablauf der Regelstudienzeit an einer Hochschule des Freistaates Sachsen abschließen können“, teilte sie mit. Im kommenden Wintersemester 2016 / 2017 werde auf jeden Fall noch einmal immatrikuliert. Und dann?
„Die Frage ist nur, unter welchen Bedingungen studiert werden kann, wenn das Personal fehlt“, kritisiert Maicher. „Es ist kurzsichtig, wenn die Ministerin in diesem Zusammenhang keinen Nachbesserungsbedarf sieht und stattdessen darauf verweist, dass bis 2020 die Mittel gesichert seien. Hochschulen, Studierende und Lehrende brauchen heute verlässliche Zusagen, wie es nach 2020 weitergehen soll. Die Bekundungen der Staatsregierung im Hochschulentwicklungsplan, die Lehramtsausbildung bis 2025 sichern zu wollen, sind ohne verbindliche Mittelzuweisungen das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.“
In gewisser Weise wird hier wieder das mittlerweile gewohnte sächsische Dilemma sichtbar, Probleme nicht nachhaltig zu lösen, sondern immer wieder nur Löcher zu flicken und Lösungen für kurze Zeiträume zu finden. Was gerade in der Lehrerausbildung mittlerweile brandgefährlich ist, denn der Freistaat benötigt in den nächsten zehn Jahren eine stabile hohe Versorgung mit gut ausgebildeten Lehrern, kann sich einen Abbruch oder gar Zeiten der Unsicherheit gar nicht leisten. Aber Stanges Antwort klingt nach ziemlich zähen Verhandlungen im Hintergrund, die eine Entscheidung im Jahr 2016 fast aussichtslos machen: „Voraussichtlich wird seitens des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in 2016 nicht mehr über die konkrete Ausgestaltung der Überführung des auf Bildungspaket 2020 Stellen beschäftigten Personals in den Stellenplan der Hochschulen entschieden.“
Und damit, so Claudia Maicher, wird wieder ein wertvolles Jahr vertan, ohne dass Grundlegendes entschieden wurde.
„Ursprünglich sollte noch in diesem Jahr Klarheit geschaffen werden, was mit den Beschäftigten passiert, die heute durch das Bildungspaketprogramm finanziert werden und Arbeitsverträge über 2020 hinaus haben. Der sächsische Haushalt sieht vor, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Hochschulen übernommen werden müssen. Wie wird sichergestellt, dass dies nicht zu Lasten anderer Fächer erfolgt?“, fragt Maicher. Wohl zu Recht. Denn wenn Fächer, deren Abschaffung vom Freistaat nicht genehmigt wird, nicht mehr finanziert sind, sind die Hochschulen gezwungen, in anderen Bereichen umzuschichten und zu kürzen.
„Eine Antwort darauf bleibt die Ministerin schuldig. Sie verschiebt das Problem stattdessen auf den Sankt Nimmerleinstag. Doch die Weichen für die Lehramtsausbildung ab dem Jahr 2020 müssen heute gestellt werden. Dazu gehört, dass die Stellen und Mittel gesichert sind. Anderenfalls droht die Abwanderung von Lehramtsstudierenden und Lehrenden in andere Bundesländer“, fürchtet Claudia Maicher. „Lehrernachwuchs ist bundesweit gefragt. Eine bloße Ankündigungspolitik reicht nicht aus. Wir brauchen einen klaren Finanzierungsplan für die Lehramtsausbildung in Sachsen.“
Trotzdem kein Grund zur Aufregung, meint Holger Mann. „Die Staatsregierung hat in den Eckpunkten zur Hochschulentwicklung 2025 erst jüngst beschlossen, dass sich auch nach 2020 jährlich 2000 Lehramtsstudierende – also mehr als derzeit – an sächsischen Hochschulen einschreiben sollen“, erklärt der hochschulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Bereits jetzt seien – mit Ausnahme von Chemnitz – die Zielvereinbarungen zwischen lehramtsbildenden Hochschulen und Wissenschaftsministerium für die Jahre bis 2020 abgeschlossen worden.
„Staatsministerin Dr. Stange setzt jetzt um, was der derzeitige Haushalt vorsieht“, sagte Holger Mann am Freitag. „Diese Informationen sind oder sollten auch Frau Dr. Maicher als Sprecherin Ihrer Fraktion bekannt sein. Sie wurden erst gestern wieder in großer Runde – zu der auch Frau Dr. Maicher geladen war – vor Vertreterinnen und Vertretern aller Rektorate der sächsischen Hochschulen von der Staatsministerin bekräftigt. – Die heute geäußerte Kritik erscheint uns daher unseriös und bringt Abläufe und Kompetenzen durcheinander. Dass sie dabei das Potential hat, Unfrieden an den Hochschulen zu stiften und Studierende vom Lehramt abzuschrecken, macht die Sache nicht besser.“
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