Das neue Schuljahr beginnt am Montag, 24. August. 451.000 Schüler gehen dann wieder in sächsische Schulen - 6.000 mehr als im Vorjahr. Und die zuständige Bildungsministerin Brunhild Kurth spricht auch noch von einer Rekordeinstellung von über 1.000 Lehrern.
So wurden 964 Lehrerinnen und Lehrer (Vollzeitäquivalente; VzÄ) unbefristet eingestellt. Die meisten Einstellungen gab es in Grundschulen (343 VzÄ), gefolgt von Oberschulen (302 VzÄ), Gymnasien (156 VzÄ), Förderschulen (113 VzÄ) und Berufsbildenden Schulen (50 VzÄ). Um auch die steigende Zahl an Flüchtlingskindern zu unterrichten, wurden darüber hinaus noch 50 Lehrkräfte (VzÄ) bis zum Ende des Schuljahres befristet eingestellt. Dabei handelt es sich um Lehrerinnen und Lehrer, die zum Beispiel auch das Fach Deutsch als Zweitsprache unterrichten können.
VzÄ sind Vollzeitäquivalente. In der Regel entspricht das auch einer Lehrkraft pro Stelle – bei Teilzeitverträgen teilen sich dann mehrere Personen in eine “VzÄ”.
Jahrelang hatte die sächsische Regierung das Thema verweigert. Im Koalitionsvertrag ließ dann die wieder mit in die Regierung gekommene SPD eine deutliche Erhöhung der Lehrerzahlen festschreiben. Die jetzige Einstellungsrunde sei Ergebnis dieser Vereinbarung, meint der SPD-Abgeordnete Dirk Panter: “Noch nie sind in Sachsen so viele neue Lehrerinnen und Lehrer unbefristet eingestellt worden wie aktuell. Wir hatten im Wahlkampf versprochen, für deutlich mehr Neueinstellungen von Lehrerinnen und Lehrern zu sorgen, um die angespannte Situation an unseren Schulen zu verbessern. Wir haben diese Verbesserungen im Koalitionsvertrag mit der CDU verankert und bei den Verhandlungen für den Haushalt durchgesetzt. Damit ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg getan, um eines der zentralen Wahlversprechen der SPD zu erfüllen.“
Aber die Aufgaben sind mittlerweile gewachsen.
Dirk Panter: “Bis 2019 sollen in Sachsen mindestens 6.100 neue Lehrerinnen und Lehrer unbefristet eingestellt werden, so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Das erfordert weitere Schritte und Anstrengungen, zumal uns die wachsende Zahl von Flüchtlingen vor neue Herausforderungen stellt. Aufgrund von Kriegen und Verfolgung sind immer mehr Menschen auf der Flucht. Besonders den Jüngsten müssen wir eine Chance auf Bildung und Integration geben. Das gelingt vor allem über Sprache, die an den Schulen und im Miteinander vermittelt wird. Weil wir Kinder und Jugendliche aus Krisenregionen mit offenen Armen empfangen und für eine vernünftige Integration sorgen wollen, sollte das Kultusministerium weitere Vorkehrungen treffen: Um die Lehrkräfte nicht zu überfordern, braucht es mehr Personal, das Deutsch als Zweitsprache unterrichtet, sowie Fortbildungsangebote und höhere Ausbildungskapazitäten.“
Tatsächlich aber ist Sachsen viel zu spät in die Erhöhung des Einstellungskorridors gegangen. So spät, dass auch Brunhild Kurth eingestehen muss, dass es jetzt gewaltige Schwierigkeiten gibt, die Lehrer zu bekommen, die man dringend braucht.
„Der Lehrerarbeitsmarkt ist weitgehend leergefegt“, so die Kultusministerin. Hinzu kommt ein Bewerbungsverhalten, das mit den Einstellungsmöglichkeiten nicht einhergeht. „Fast zwei Drittel der Bewerber wollten ans Gymnasium. Rund 70 Prozent aller 1.600 Bewerber wollten nur an Schulen in Dresden oder Leipzig unterrichten“, erklärte Kultusministerin Brunhild Kurth.
Vor diesem Hintergrund wurden knapp 20 Prozent der freien Stellen mit Seiteneinsteigern besetzt, sagte sie noch. Ein Vorgang, der bei der Opposition auf heftige Kritik stieß. “Inzwischen wird jede fünfte Lehrerstelle mit einem Seiteneinsteiger besetzt. Was im Einzelfall, etwa an berufsbildenden Schulen, funktionieren kann, ist als flächendeckende Lösung ungeeignet. Alle Unterstützungsleistungen der Kultusverwaltung für schulartfremd eingesetzte Lehrkräfte und Seiteneinsteiger können ein grundständiges Lehramtsstudium nicht ersetzen. Ministerin Kurths Hinweise auf die ‘Ausnahmesituation’ mit vielen Flüchtlingskindern und einem leer gefegten Arbeitsmarkt können nicht davon ablenken, dass so der Mangel verwaltet wird”, sagt etwa Dr. Claudia Maicher, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag.
Aber woran liegt es, dass die meisten Bewerber an einem Gymnasium in Leipzig oder Dresden unterrichten wollen?
Die Antwort darauf zu bekommen, sei schwer, stellt Claudia Maicher fest: “Auch künftig setzt sich die Schieflage bezüglich der Schularten fort. An den Hochschulen strebten 2014 rund 44 Prozent der Studierenden das Lehramt Gymnasium an, dagegen nur jeder Zehnte das Lehramt Sonderpädagogik. Eine Zukunft als Oberschullehrer konnten sich, der Studienwahl zu urteilen, nur rund 14 Prozent der Studierenden vorstellen. Gerne hätte ich mir einen genauen Überblick auch zur Fächerwahl verschafft. Doch was in der letzten Legislatur – auf Anfrage der SPD – noch minuziös aufgelistet wurde, blieb nun mit Verweis auf datenschutzrechtliche Bedenken unbeantwortet.”
Und besonders bedenklich ist die Tatsache, dass viele Lehramtsabsolventen partout nicht an eine sächsische Oberschule wollen. Auch das kann eine Rechnung dafür sein, dass es das sächsische Kultusministerium nicht fertiggekriegt hat, die Oberschule als attraktive Regelschule auszubauen. Das kleine Reförmchen unter der CDU/FDP-Regierung hat daran nichts geändert. Man kann es auch so sagen: Die vier Jahre, die für eine wirklich zukunftsfähige Reform der sächsischen Mittelschule zur Verfügung standen, wurden schlicht verschlafen.
Jetzt kommen ganz andere Aufgaben auf die sächsischen Schulen zu, die wahrscheinlich viele Schulen und Lehrer überfordern.
Nicht nur die Gesamtschülerzahl erhöhte sich, sondern auch die Zahl an Flüchtlingskindern. So stieg die Anzahl der Flüchtlingskinder in den Vorbereitungsklassen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 70 Prozent auf derzeit 3.751 Schüler. Zum Ende des abgelaufenen Schuljahres gab es 244 Vorbereitungsklassen. Nach derzeitigem Stand werden die Flüchtlingskinder im neuen Schuljahr in etwa 290 Vorbereitungsklassen unterrichtet. Im Laufe des neuen Schuljahres rechnet Kultusministerin Kurth damit, dass die Zahl an Flüchtlingskindern in Vorbereitungsklassen auf deutlich über 5.000 steigen wird. Das bedeutet mehr Arbeit, besonders für die Grundschulen. Dafür werden auch die jetzt schon eingestellten Lehrer nicht reichen.
„Deshalb läuft unser Einstellungsverfahren für zusätzliche Lehrer weiter. Wir sind optimistisch, dass wir ausreichend Lehrer bekommen. Erste Ansprechpartner hierfür sind diejenigen Gymnasial- und Berufsschullehrer, die von uns bislang kein Einstellungsangebot erhalten konnten“, erklärt dazu die Kultusministerin.
Für viele der Angesprochenen wird das eine mutige Entscheidung, denn was da von ihnen erwartet wird, hat noch einmal eine ganz neue Qualität.
Das betont auch Brunhild Kurth: “Sie eröffnen den Migranten Zugang zu einem für sie neuen Land. Die Lehrerinnen und Lehrer legen den Grundstein für eine echte Teilhabe an unserer Gesellschaft. Sie sind Vorbilder und geben den zum Teil traumatisierten Kindern Geborgenheit, Sicherheit und Bildung. All den Kolleginnen und Kollegen, die diese Aufgabe annehmen und meistern, gelten meine größte Anerkennung und mein Dank. Diese wertvolle Arbeit lässt sich mit Geld nicht aufwiegen.”
Echte Integrationsarbeiter also, die jetzt dringend gebraucht werden.
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Ja, jetzt rächt sich, was viele Jahre versäumt wurde!
Zu DDR-Zeiten wurden Lehrer, Juristen, usw. dorthin delegiert, wo sie gebraucht wurden. Es können doch nicht alle in eine begehrte Region gehen, auch in anderen Orten werden Lehrkräfte gebraucht. Außerdem kostet das Studium dem Staat auch Geld und da kann man erwarten, dass auch was zurückgegeben wird.