Was ist eigentlich von Demokratie noch übrig, wenn ein exklusiver Hinterzimmerklub wie der Hochschulrat der Uni Leipzig eine Rektorenwahl inszenieren kann, als wäre es eine Nobelpreiskür? Wenn sogar die zuständige Ministerin ihre Ratlosigkeit eingesteht und sich "eine Kompromisslinie" wünscht, damit der erweiterte Senat der Uni überhaupt noch die Chance auf eine Wahl hat? Nicht viel, wie es scheint.
Während andere Bundesländer die Hochschulräte wieder abgeschafft haben, weil sie mit der oft beschworenen Autonomie der Hochschulen nichts zu tun haben, aber Parteien und Unternehmen einen enormen Einfluss auf Entscheidungen der Hochschulen verschaffen, hat Sachsen das neue Wahlprozedere mit Hochschulrat erst 2012 eingeführt. Es ist gut möglich, dass es gute Gründe gibt, die amtierende Rektorin der Uni Leipzig, Dr. Beate Schücking, und den Dekan der Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Jürgen Haase, der ebenfalls seine Kandidatur angemeldet hatte, nicht zur Wahl im Senat zu nominieren.
Aber da der Hochschulrat geheim tagt, sind dessen Gründe und Entscheidungen nicht transparent. Und sie wirken seltsam, wenn der Hochschulrat Beate Schücking erst signalisiert hat, dass eine neue Kandidatur erwünscht ist und auch die Anhörung posititiv aufgenommen wurde – und dann wird sie trotzdem aus dem Rennen genommen. Womit wird das begründet?
Nicht nur die Studierenden und Lehrenden an der Uni Leipzig haben das berechtigte Gefühl, dass sich hier ein externes Gremium Machtbefugnisse anmaßt, die eigentlich dem höchsten Uni-Gremium selbst, dem erweiterten Senat, zustehen. Der wird am Ende entscheiden müssen. Aber was passiert, wenn er zwei Kandidaten vorgesetzt bekommt, die im Haus keine Akzeptanz und keine Mehrheit finden?
Wie viel Porzellan wird dann zerschlagen?
Die Frage ließ auch Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange am Freitag, 21. August, in der LVZ anklingen, als sie davor warnte, das eigentliche Wahlgremium – den erweiterten Senat – nicht „in eine außerordentlich komplizierte Lage“ zu bringen. Denn was passiert, wenn einer oder gar beide vorgeschlagene Kandidaten zwar den hehren Zielen des Hochschulrates entsprechen, aber schon eine Vorgeschichte mitbringen, die letztlich die eigentlich Betroffenen auf die Barrikaden bringt? Denn es gibt durchaus Kandidaten in der Bundesrepublik, die schon mit exzellenten Hochschulvisionen brilliert haben – aber mit ihrem Führungsstil ganze Hochschulen in Aufruhr versetzt haben und letztlich im Streit gehen mussten. Genau das aber kann jetzt in Leipzig passieren. Die verbliebenen Kandidaten hält Prof. Reinhold Grimm, der Vorsitzende des Hochschulrates, noch geheim, redet in der LVZ gar so, wie es sich bei solchen Entscheidungen, wenn sie denn demokratisch sein sollen, mittlerweile sehr suspekt anhört: “Es gibt angesichts dessen keine Alternative.”
Angesichts der “einmütigen Entscheidung” im Hochschulrat ist damit gemeint. Wer die “einmütige” Entscheidung so eines Gremiums für alternativlos erklärt, der stellt sich über alle anderen.
So geht das einfach nicht, findet Annekatrin Klepsch, Sprecherin für Hochschul- und Wissenschaftspolitik der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag.
“Als Ende Juli bekannt wurde, dass die Wiederwahl von Beate Schücking zur Rektorin der Universität Leipzig für den Hochschulrat nicht infrage komme, waren aus dem Wissenschaftsministerium noch moderate Töne zu hören. Offensichtlich ist es im SMWK zu einem Umdenken gekommen”, stellt sie nun fest, nachdem sie die recht deutlichen Wünsche Eva-Maria Stanges nach einem Kompromiss in der LVZ gelesen hat. “Die Staatsministerin schlägt nun dramatischere Töne an. Sie appelliert an die Kompromissbereitschaft von Hochschulrat und Senat der Universität Leipzig. Beide Hochschulgremien müssen nicht mehr das Einvernehmen herstellen, erforderlich ist lediglich das Benehmen. Der zahlenmäßig kleine Hochschulrat hat also eine stärkere Stellung inne als der Senat, die Vertretung aller Hochschulgruppen. Wenn die Staatsministerin sogar eine ‘personelle Kontinuität’ begrüßt, dann sollte nicht länger auf den guten Willen aller Beteiligten gesetzt, sondern für klare Verfahrensregeln gesorgt werden.”
Womit sie genau den Baufehler des 2012 institutionalisierten Hochschulrates benennt: Um mehr Einfluss auf die hochschulinternen Entscheidungen zu sichern, hat die damalige CDU/FDP-Koalition nicht nur den Zugriff auf die Mehrheit der Sitze im Hochschulrat für sich festgezurrt, sie hat das externe Gremium auch aufgewertet und in eine neue Machtposition manövriert. Und genau damit erweist sich der Hochschulrat als Fremdkörper innerhalb der Universität.
Eine öffentliche Diskussion wäre notwendig
Einen Diskurs über Konzepte, Ziele, Inhalte würden alle Kandidatinnen und Kandidaten aushalten, wenn die Kandidaturen öffentlich wären und die Auswahlgremien auch transparent agieren würden. Das tut der Hochschulrat nicht. Und wie so ein lediglich schein-demokratisches Verfahren endet, haben die Leipziger zuletzt ja beim Gezerre ums “Freiheits- und Einheits-Denkmal” erlebt. Am Ende wollte niemand, der da hinter den Kulissen sein Süppchen kochte, für die angehäuften Verfahrensfehler verantwortlich gewesen sein.
Annekatrin Klepsch ist jetzt zuversichtlich, dass die jetzt schon zu Tage tretende Malaise der Rektorenkür an der Uni Leipzig zu einem Umdenken im Freistaat führt. “Da sich Linke, SPD und Grüne, vielleicht auch Teile der Union über das offen zutage getretene Demokratiedefizit an den Hochschulen einig sind, sollten sie gemeinsam eine Änderung des Hochschulgesetzes vornehmen, um die Autokratie der Hochschulräte zu beenden und die Position der Senate zu stärken”, sagt sie. “Das würde zwar für erheblichen Streit in der Koalition sorgen, doch die Sache scheint es wert zu sein. Dem Vorwurf, eine Lex Schücking zu verfassen, ließe sich entgegnen, dass der Gesetzesvorstoß für diese Rektorenwahl ohnehin zu spät käme, langfristig jedoch undemokratische Zerreißproben, wie sie die Wissenschaftsministerin befürchtet, ausgeschlossen wären.”
Wobei es auch jetzt noch zu einer Lex Schücking kommen kann, nämlich dann, wenn sich die letztlich vorgeschlagenen Kandidaten als genau das erweisen, was Mancher im Universitätskosmos befürchtet: Leute, die mit brillanten Reformkonzepten überzeugen, aber nicht das Zeug zur Führung einer Universität in komplizierten Zeiten haben. Das ist schon mehrfach schief gegangen und hat manche Hochschule im Land auch schon richtig viel Geld gekostet. Und wie Stange ja auch betonte: Der Uni Leipzig sind die zu kürzenden Stellen bis 2016 keineswegs erlassen – die Landesregierung hält stur an den 2011 verhängten Stellenkürzungen fest. Im Grunde weiß auch die Ministerin sehr genau, wie sehr sie auf eine konsensfähige Rektoratsbesetzung gerade an der Uni Leipzig angewiesen ist, die die Hauptlast der Kürzungen zu tragen hat.
Ein wenig Spielraum hat der Hochschulrat noch – die Bekanntgabe seiner Entscheidung hat er vom September in den Oktober verschoben. Ob es freilich die Reputation dieses Gremiums rettet, ist fraglich. Autokratie wirft Klepsch dem Hochschulrat vor, der StuRa der Uni spricht von Intransparenz. Beides hat in demokratischen Hochschulen nichts zu suchen. Auch nicht als Beratergremium.
Es gibt 3 Kommentare
“Oh, „Hochschuldrat“ ist ja ein cooler Verschreiber *lach*”
Ach Stefan, dass passiert jedem mal, schön ist, wenn dann kein Dummkopf hämisch lacht.
Oh, “Hochschuldrat” ist ja ein cooler Verschreiber *lach*
Dazu passt es schon ganz gut, dass Putin von CDUFDP einen sächsischen Demokratiepreis bekommen hat.
Das präsidiale Hineinlangen der Staatsregierung in die Arbeit von demokratisch legitimierten Organen hatte schon immer Methode.
An den Hochschulen war es leicht, reinzuregieren und einen demokratiefremden “Hochschuldrat” zu installieren, weil sonst gleich Liebesentzug in Form von verweigerten Forschungs- und Lehrgeldern drohte. Wissenschaftler sind meistens keine gewieften Politiker. Das Verhältnis der Fakultäten zum SMWK ist durchaus recht feuchtwarm von gegenseitiger und gleichzeitiger Liebe und Abneigung geprägt…