Zugegeben: Was wir da ins Bild gesetzt haben, ist kein Casio-Schulrechner für 90 Euro, sondern die simple PC-Variante, die für die üblichen täglichen Rechnereien völlig ausreicht. Es ist eh ein Spaß für sich, dass Sachsens Regierung alleweil von modernen Medien in der Schule träumt, die Schüler aber immer noch mit Taschenrechnern da sitzen. Die künftig, wie es aussieht, die Stadt Leipzig bezahlen muss.

Denn seit dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 2. Dezember 2014 ist mal wieder alles so weit geklärt, dass gar nichts klar ist. Außer dass Schultaschenrechner irgendwie doch zu den Lernmitteln gehören und damit vom Schulträger gestellt werden müssen. Und der ist nun mal die Kommune. Und das wird hübsch teuer, wie jetzt eine eilbedürftige Vorlage des Dezernats Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule vorrechnet, die am 8. Juli in der Ratsversammlung abgestimmt werden soll. Denn zum neuen Schuljahr im September müssen die Rechner da sein.

Wobei das Dezernat auch darauf verweist, dass die Anschaffungspflicht erst einmal auf der Auffassung des Staatsministeriums für Kultus beruht, das diese Interpretation des Gerichtsurteils an die Schulträger weitergereicht hat. Was bis heute fehlt und irgendwann in bläulichen Zukünften kommen soll und auch muss, ist ein neues sächsisches Schulgesetz, das endlich klar definiert, was Lernmittel sind und was nicht. Und dann wäre vielleicht auch zu klären, inwieweit der Freistaat dafür finanziell in der Pflicht steht, denn mit der jetzigen Larifari-Regelung sorgt er nur dafür, dass die Kommunen wieder einen Ausgabeposten mehr haben, der ihre Haushalte belastet.

Und zwar in Höhe von 423.000 Euro in den beiden Haushaltsjahren 2015/2016. Der größere Batzen geht für die grafikfähigen Taschenrechner drauf, die in den Gymnasien, Berufs- und Abendschulen gebraucht werden: “Für die finanzielle Deckung der Aufwendungen im Bereich der Gymnasien, Abendgymnasien, BSZ und Fachoberschulen werden aus dem Budget des Amtes für Jugend, Familie und Bildung im Haushaltsjahr 2015 in Höhe von 211.500 € im Ergebnishaushalt überplanmäßig bereitgestellt.”

Für das Haushaltsjahr 2016 sind noch einmal 214.650 Euro fällig für den nächsten Jahrgang, der die heiligen Hallen der höheren Bildung betritt. Hier tauchen die derzeit marktüblichen Modelle von Casio und Texas Instruments auf, aus denen dann der vom Schuldezernat zu Grunde gelegte Anschaffungspreis von 90 Euro pro Stück resultiert. Mit der Zahl der Schüler multipliziert, ergibt das die Kosten von 211.000 Euro im Jahr 2015 und 214.000 Euro im nächsten Jahr.

Was natürlich verblüfft. Denn wer gleich mal über 2.000 Taschenrechner ordert, der sollte beim Großhändler eigentlich einen saftigen Mengenrabatt bekommen, sonst ist die Sache ja witzlos.

Ein bisschen drüber nachgedacht hat Leipzigs Stadtverwaltung auch schon: “Mit dieser Vorlage wird ausschließlich der  finanzielle Mehrbedarf zur Anschaffung der Taschenrechner dargestellt. Im weiteren Verwaltungshandeln ist über das Vergabeverfahren zu entscheiden. Hiermit verbunden ist eine Standardisierung, wie sie beispielsweise bei der IT-Ausstattung an kommunalen Schulen vorgenommen wird. D.h., es müssen schulartbezogene spezifische Taschenrechner ausgeschrieben werden, auf die die Schulen zurückgreifen. Des weiteren sind zu definieren: Nutzungszeiten der Taschenrechner, Ausgabeverfahren, Haftung, Reparaturverfahren, Möglichkeit eines ‘Leih-/Mietvertrages’ etc.”

Und wahrscheinlich kommt dann wieder jede Schule einzeln angetappelt, weil man immer nur mit bestimmten Rechnertypen arbeitet. Ein echtes Minenfeld.

Die Rechner für die Oberschulen sind übrigens eine ganze Ecke billiger. Hier braucht man keine Grafikfähigkeit, um gleich noch Hyperbeln und Kegelschnitte darstellen zu können. Da kostet das Prachtstück dann nur noch 15 Euro.

Aber wie gesagt: Die Ferien drohen, der Stadtrat wird zur Eile gedrängt. Am 8. Juli soll er die Taschenrechnerbeschaffung beschließen: “Die Ratsversammlung nimmt die überplanmäßigen Aufwendungen für die Bereitstellung von grafikfähigen Schultaschenrechnern ohne Computer-Algebra-System für die Schuljahre 2015/2016 und 2016/2017 im Bereich der Gymnasien, Abendgymnasien, BSZ und Fachoberschulen i.H.v. insgesamt 426.150 € zur Kenntnis.”

Und das alles natürlich mit dem stillen Sperrvermerk. Denn der Leipziger Doppelhaushalt, den der Stadtrat im März beschlossen hat, ist ja noch gar nicht von der Landesdirektion bestätigt (weswegen so manches Projekt derzeit einfach auf Eis liegt): “Die Bestätigung gilt unter dem Vorbehalt der Genehmigung der Haushaltssatzung durch die Rechtsaufsichtsbehörde zum Haushalt 2015/2016.”

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Es gibt 2 Kommentare

Jeder, der mal Abi machte oder der als Lehrer Mathe gab, soll ehrlich sagen, wie oft die Grafikfähigkeit zum Einsatz kam. Teilweise manchmal überhaupt nicht.
In Zeiten von White Board und freiwillig vom Schüler bereitgestellten App-fähigen Internetgeräten sollten die Kommunen der Bildungsagentur die rote Karte zeigen und die Hunderttausenden Euros in echt moderne Schulausstattung stecken.

Wozu braucht man in der Oberstufe einen graphikfaehigen Taschenrechner fuer 80 bis 120 Euro?

Mathe-Aufgaben kann man so stellen, dass man sogar ueberhaupt keinen Taschenrechner braucht. Die noetigen Graphen und Zahlen kann man mit in die Aufgabenstellung abdrucken. Ob der Schueler die Kurven durchs Eintippen auf dem Display sieht oder ob der Lehrer das gleich als Bildchen ausgedruckt hat, ist fuer die Bearbeitungsqualitaet ziemlichst unerheblich.

Fuer die Naturwissenschaften tuts ein einfacher wissenschaftlicher Rechner, den man mittlerweile fuer unter 20 Euro bekommt. Neu.

Wem das zu altbacken nach 19.Jhd. klingt: Mathe-Studenten brauchen fuer das Studium auch heute keinen Taschenrechner; der ist dort sogar eher verpoent. Bei anderen Studiengaengen wird meistens der Heimcomputer bemueht, und fuer Statistik-Klausuren, die es in vielen Studiengaengen zu erledigen gibt, braucht man einen programmierbaren Taschenrechner, der wiederum fuers Abitur nicht zugelassen ist. Der Oberstufenschueler, der nachher Soziologie studieren will, muesste also Geld fuer zwei Taschenrechner innerhalb weniger Jahre vorhalten: einen fuers Abi und einen fuer die Datenauswertungen im Studium.

Mit anderen Worten: Das Geld fuer diese Schul-GTR wird genau fuer die Schule ausgegeben. Und wenn ein Schulabgaengen seinen GTR verkaufen will, wird er ihn nicht los, weil schon wieder ein neues Modell als verbindlich erklaert wurde (was ebenfalls Stuss ist).

Die beiden grossen Taschenrechnerfirmen machen einen Mordsreibach mit diesen graphikfaehigen Taschenrechnern. Einpraegung des Schuelernamens geht extra, und dann kann man diese personalisierten Taschenrechner sowieso nicht gut weiterverkaufen.

Und die Kultusministerien fallen auf diesen groben Unfug rein.

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