Es war eines der großen Themen am Jahresende 2013, als absehbar war, dass die Bundesförderung für die gerade erst eingeführten Sozialarbeiterstellen an einigen Leipziger Schulen nicht fortgesetzt werden würde. Appelle an die sächsische Landesregierung, mit einer eigenen Förderung in dieses wichtige Projekt einzusteigen, verhallten. Und entsprechend erstaunt sind natürlich auch Leipzigs Stadträte, dass die zuständige Kultusministerin nun im "Handelsblatt" geradezu schwärmt von dieser Idee.

Ganz unerwartet kam das nicht, denn der SPD ist es gelungen, das Thema mit in den Koalitionsvertrag der neuen Regierung zu schreiben. Eine Vorgabe, auf die auch die von der CDU gestellte Kultusministerin Brunhild Kurth nicht ungern reagierte, denn Sachsen ist mit seiner Schulabbrecherquote von 10 Prozent mittlerweile zu den Schlusslichtern im bundesdeutschen Vergleich abgerutscht. Nicht unbedingt, weil sich diese Quote verschlechtert hätte, sondern weil andere Bundesländer deutlich mehr Anstrengungen unternommen haben, die Quote zu senken.

10,1 Prozent der Schüler verließen 2013 die sächsischen Schulen ohne Abschluss. Für 2014 hat das Kultusministerium am 2. Februar zwar schon eine 8,6 Prozent gemeldet – tatsächlich waren es 8,7 Prozent: 2.348 von 26.887 Schulabgängern. Am 2. Februar zählte Brunhild Kurth auch die Instrumente auf, mit denen die Quote weiter gesenkt werden soll – die Schulsozialarbeit gehörte aber nicht dazu.

Das Ministerium beschrieb die Bemühungen so: “Schüler, die sich in einer schwierigen Phase befinden, werden über verstärkte Berufsberatung und Coachings dazu motiviert und dabei unterstützt, ihren Schulabschluss zu erreichen. Solche Projekte sind zum Beispiel das ‘Produktive Lernen’, die ‘Feriencamps’, die ‘Berufseinstiegsbegleitung’ sowie die ‘Praxisberater’. Das ‘Produktive Lernen’ für abschlussgefährdete Schüler ist mittlerweile dauerhaft im sächsischen Schulsystem verankert.”

Kein Wort zu Schulsozialarbeitern, die nun schon seit drei Jahren an etlichen Schulen Sachsens tätig sind. Und der signifikante Rückgang fällt genau in diese Zeit – während etliche der erwähnten Instrumente schon länger existieren, Geld kosten und bislang kaum Effekte zeigen.

Doch nun staunen auch die beiden Leipziger Stadträte Ute Köhler-Siegel und Christopher Zenker, die die Leipziger SPD-Stadtratsfraktion im Sozialausschuss vertreten, über die Äußerungen der sächsischen Kultusministerin. In ihrer Funktion als derzeitige Sprecherin der Kultusministerkonferenz hatte sie im “Handelsblatt” gefordert, dass die Länder die Finanzierung der Schulsozialarbeit übernehmen sollen, ohne dabei auch den Bund in die Pflicht zu nehmen.

Das steht so zwar auch im Koalitionsvertrag, stellt SPD-Stadtrat Christopher Zenker fest. Aber wirklich reagiert hat die Landesregierung noch immer nicht. Im Gegenteil. Leipzig hat, nachdem es schon 2014 in die Finanzierung der zuvor aus dem Bundesprogramm geförderten Stellen eingestiegen ist, die Finanzierung der Schulsozialarbeiterstellen an neun Leipziger Schulen übernommen – Kostenpunkt nach Auskunft von Sozialbürgermeister Thomas Fabian: 1,91 Millionen Euro.

1,91 Millionen Euro, mit denen Leipzig die Bildungspolitik des Freistaats flankiert. Nur die Lorbeeren bekommen nicht die Kommunen, die kassiert die reformunwillige Landesregierung für sich.

„Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU wurde die Schulsozialarbeit als wichtiges Unterstützungs- und Hilfselement für Schulen anerkannt, um die Schulabbrecherquote merklich zu senken, für deren Stärkung sich die Landesregierung auch auf Bundesebene einsetzen will. Dass die Kultusministerin nun erklärt, die Länder sollen die Finanzierung der Schulsozialarbeit alleine stemmen, statt beim Bund hierfür Unterstützung einzufordern, zeigt, dass sie das Thema und die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag nicht sonderlich ernst zu nehmen scheint”, stellt Zenker fest. “Ich hoffe, dass sie nun wenigstens ihre eigene Aussagen ernst nimmt und die Schulsozialarbeit künftig vom Freistaat solide finanziert wird.”

Und Ute Köhler-Siegel: „Wenn sich der Freistaat nun durch das CDU-geführte Kultusministerium selbst um die finanzielle Absicherung der Schulsozialarbeit kümmern möchte, habe ich dabei aus den Erfahrungen der letzten Jahre ein ungutes Gefühl. Die Stadt Leipzig finanziert seit 2010 – und das vor allem auf Initiative der SPD-Fraktion – die Sozialarbeit an Leipziger Schulen. Allein für die Schulsozialarbeit setzt die Stadt zwei Millionen Euro jährlich ein. Das ist deutlich mehr als über die Jugendpauschale des Freistaats an die Stadt fließt. Die Schulsozialarbeit ist das ungeliebte Stiefkind im sächsischen Bildungsetat. Dieses Thema allerdings viel zu wichtig, um es zu vernachlässigen. Ich kann die Kultusministerin nur eindringlich auffordern, dass sie der Schulsozialarbeit auch bei ihrer Finanzierung die Priorität einräumt, die sie haben muss, um erfolgreiche Arbeit leisten zu können. Genauso wie die Finanzierung der Lehrerstellen ist auch die Schulsozialarbeit unserer Ansicht nach eine Landesaufgabe, die nicht auf die ohnehin klammen Kommunen abgewälzt werden darf.“

Heftig hat der Leipziger Stadtrat 2013 darüber diskutiert, wie man das Projekt der Schulsozialarbeiter nach Auslaufen der Anschubfinanzierung durch ESF-Mittel fortführen könnte. Am Ende genehmigte der Stadtrat die Finanzierung der 16 Stellen. Doch im Herbst 2014 stellte sich heraus, dass die Mittel zu knapp kalkuliert waren und auch zu knapp in den Doppelhaushalt 2015/2016 eingestellt waren.

Da muss Leipzig nachlegen, wenn das Projekt nicht ins Minus laufen soll. Und längst stehen nicht nur Wünsche aus weiteren Schulen im Raum, auch bei ihnen endlich Schulsozialarbeiter tätig werden zu lassen, Ansprechpartner, die sich gerade bei der derzeit knappen Lehrerdecke für viele Schüler als wichtige Konstante im Schulalltag erwiesen haben. SPD, Linke und Grüne haben deshalb auch gemeinsam eine deutliche Aufstockung des Budgets für die Schulsozialarbeiter beantragt.

Ihr gemeinsamer Haushaltsantrag fordert eine Anhebung des Budgets um 335.000 Euro. Damit sollen Tarifsteigerungen, aber auch eine Unterfinanzierung aus dem vergangenen Jahr sowie eine Ausweitung der Sozialarbeit an drei Leipziger Schulen, darunter auch die neu eröffneten Oberschulen, finanziert werden.

Und wenn die vollmundige Kultusministerin ihren Appell wirklich ernst meint, dann bringt sie auch eine Landesfinanzierung von Schulsozialarbeitern im aktuell diskutierten Doppelhaushalt des Landes unter. Christopher Zenker: „Kultusministerin Kurth hat im kommenden sächsischen Doppelhaushalt nun die Möglichkeit, ihren Worten Taten folgen zu lassen und ausreichend Mittel für die Finanzierung der Schulsozialarbeit im Haushalt durchzusetzen. Wir hoffen, dass sich ihre Aussagen nicht als Worthülsen entpuppen.”

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