Der absolute Tiefpunkt ist durchschritten. Vor drei Jahren war die Zahl der sächsischen Schulabgänger auf den tiefsten Stand seit 1990 gefallen. Seitdem haben einige Unternehmen in Sachsen richtiggehend Schwierigkeiten, guten, ausbildungsfähigen Nachwuchs zu finden. Seitdem steigen die Zahlen wieder - 2013 gab es sogar einen kleinen Sprung: Um fast 11 Prozent stieg die Zahl der Schulabsolventen, teilt das Sächsische Landesamt für Statistik mit.

25.106 Absolventen und Abgänger verließen 2013 die allgemeinbildenden Schulen in Sachsen. Damit stieg die Zahl der Schulentlassenen im Vergleich zum Vorjahr um 2.427 bzw. fast 11 Prozent an. Wie das Statistische Landesamt weiter mitteilt, hat mit 51 Prozent über die Hälfte der Absolventen/Abgänger (12.885) den Realschulabschluss erworben. Mit dem Hauptschulabschluss bzw. dem qualifizierenden Hauptschulabschluss beendeten wie im Vorjahr 10 Prozent (2.543) die Schule. 7.079 Absolventen, das sind 28 Prozent der Absolventen/Abgänger, erreichten die allgemeine Hochschulreife.

Problematisch ist dann freilich, was übrig bleibt: Die restlichen 2.599 Schüler verließen die allgemeinbildende Schule ohne Hauptschulabschluss. Darunter beendeten über 71 Prozent (1.851) eine allgemeinbildende Förderschule, von denen 1.177 ein Abschlusszeugnis im Förderschwerpunkt Lernen und 298 ein Abschlusszeugnis im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung erhielten.

Das sind dann – auf die Gesamtabsolventenzahl gerechnet – noch 10,3 Prozent der Schulabgänger, die ohne Hauptschulabschluss blieben. Die Zahl wird in diversen politischen Verlautbarungen der nächsten Zeit wieder auftauchen, denn sie beschreibt zumindest als Zahl das Problemfeld jener jungen Leute, denen ein Eintritt in eine Berufsausbildung und danach in eine ordentlich bezahlte Erwerbstätigkeit sehr schwer fallen wird. Aus dieser Gruppe rekrutieren sich die meisten Jugendlichen, bei deren Vermittlung sich das Jobcenter schwer tut.

Wobei nicht vergessen werden darf, dass viele dieser jungen Leute über nachgelagerte Qualifizierungsschritte dennoch den Weg ins Berufsleben finden. Es dauert nur länger.

Schwieriger ist der Teil dieser Absolventengruppe, der nur mit einem Abgangszeugnis die Schule verließ, was immerhin 1.124 Schüler betraf.

Gelöst ist das Problem der hohen Zahl von Schülern, die ohne Hauptschulabschluss blieben, noch lange nicht. Denn mit der steigenden Gesamtabsolventenzahl stieg auch die Zahl der jungen Leute ohne Abschluss von 2.288 auf 2.599. Der prozentuale Anteil blieb im Vergleich zum Vorjahr etwa gleich.

Und auch Leipzig bleibt weiter im Zentrum dieses Problems, das von der sächsischen Bildungspolitik viel zu lange ignoriert und ausgesessen wurde. 2012 kamen auf 2.670 Leipziger Schulabgänger immerhin 375 ohne Hauptschulabschluss, was seinerzeit den hohen Wert von 14 Prozent Abgängern ohne qualifizierten Schulabschluss ergab. 2013 hat sich das Bild auch in Leipzig noch nicht gewandelt. Auf 2.699 Schulabgänger kamen 412 ohne Hauptschulabschluss, was immerhin schon 15,2 Prozent ausmacht.

Es sind auch die Sünden der Vorjahre, die sich hier in Zahlen niederschlagen. Und es sieht nicht wirklich so aus, dass die zaghaften Reformen der letzten beiden Jahre daran viel ändern werden. Eine bessere Abschlussquote lässt sich nur mit verbesserter fachlicher Betreuung erreichen – doch der vom Freistaat organisierte Lehrermangel torpediert genau das.Der Kommentar der Politik auf die hohe Rate von Abgängern ohne Hauptschulabschluss ist entsprechend deutlich.

Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag: “Die Staatsregierung muss den Ursachen nachgehen, warum der positive Trend der letzten Jahre abgebrochen ist. Die Kultusministerkonferenz hat sich verpflichtet, ihre Bemühungen um abschlussgefährdete Jugendliche zu verstärken. Es sollte das Ziel sein, die Abbrecherquote unter den Hauptschülern zu halbieren. Gerade diese Schülerinnen und Schüler brauchen dies für eine berufliche Perspektive. Jugendliche dürfen nicht ‘ins Nichts’ entlassen werden.”

Dr. Eva-Maria Stange, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag: “Die Zahl der Schulabgänger ohne einen anerkannten Hauptschulabschluss ist erneut angestiegen. Knapp 2.600 Schulabsolventeninnen und -Absolventen haben im Schuljahr 2012/2013 keinen anerkannten Hauptschulabschluss erworben. Im Vorjahreszeitraum waren es 2.288 Schüler. – Somit verlässt jeder zehnte Jugendliche die Schule ohne wirkliche Chancen auf eine existenzsichernde Arbeitsstelle. Für ein reiches Land wie Sachsen ist das eine Schande und ein gesellschaftlicher Skandal. Die Landesregierung experimentiert seit Jahren mit unzähligen Projekten, ohne die tatsächlichen Ursachen anzupacken. Wenn mehr als 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss aus einer Förderschule kommen, dann liegt die Ursache im Schulsystem und nicht bei den einzelnen Schulen. Genauso wenig ist den Schülerinnen und Schülern oder gar den Lehrerkräften ein Vorwurf zu machen. Sie alle geben ihr Bestes, um den Jugendlichen zu helfen, die viel zu früh mit Lernschwächen oder Verhaltensauffälligkeiten abgeschoben werden. – Integriert in den Regelschulen mit einer guten individuellen Unterstützung und gemeinsam mit leistungsstärkeren Kindern in einer anregenden Lernumgebung hätten viele dieser Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf eine deutlich bessere Chance auf einen erfolgreichen Schulabschluss. Die Förderschule ist kein ?Schonraum?, wie manche Befürworter dieses selektierenden Schulsystems behaupten. Sie ist das Abstellgleis, aus dem es kaum ein Weiterkommen gibt. Die Landesregierung sollte endlich aus ihrem PISA-Taumel erwachen und den Kindern eine Chance geben, die es im Leben in der Regel nicht so leicht haben wie ein Akademikerkind.”

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