In George Orwells "1984" heißt das Ding "Neusprech", wenn die Worte nicht mehr für das stehen, was sie eigentlich mal aussagten. So wird die Wirklichkeit schon durch Sprache verdreht. Und gerade das so prekäre Feld der Sächsischen Hochschulen ist auf Regierungsebene mittlerweile zu einem Tummelplatz von "Neusprech" geworden. "Hochschulfreiheitsgesetz" ist so ein "Neusprech"-Wort. "Zuschussvereinbarung" ist seit Mittwoch, 11. Dezember, das neueste.

“Wissenschaft und Hochschulen sind Schwerpunkte der Arbeit der Staatsregierung”, verkündete die Pressestelle der Staatsregierung gleich mal forsch im Stil einer antiken Jubelmeldung.

“Das zeigt auch der aktuelle Doppelhaushalt”, heißt es weiter. “Ein Drittel des Etats fließt in Bildung und Forschung. Mit der Zuschussvereinbarung bleibt die Staatsregierung ein solider Partner und schafft einen langfristig verlässlichen Finanzierungsrahmen bis 2016. Dieses stabile Fundament unterstützt das große Engagement unserer Hochschulen, mit dem sie Sachsen als Wissenschaftsland voran bringen”, erklärte Ministerpräsident Stanislaw Tillich am Mittwoch anlässlich der feierlichen Unterzeichnung der Zuschussvereinbarung.

Der Freistaat Sachsen statte die 14 staatlichen Hochschulen in den nächsten Jahren mit einem Gesamtbudget in Höhe von annähernd 2 Milliarden Euro aus, meldet die Staatsregierung weiter. Damit sollen sie die ihnen übertragenen Aufgaben in Lehre, Forschung und Wissenstransfer erfüllen. Was ist das? Ein Zuwachs? Nicht wirklich. Schon 2011 lag der Landeszuschuss für die Hochschulen bei 1 Milliarde Euro. Den größten Teil ihrer Ausgaben warben die Hochschulen schon damals ein – durch Drittmittel und Eigeneinnahmen: über 1,2 Milliarden Euro.

Was der Freistaat jetzt als Grundfinanzierung zusagt, beinhaltet also nicht einmal einen Inflationsausgleich.

Die Zuschussvereinbarung hat eine Laufzeit von Januar 2014 bis Dezember 2016.

Und dann streicht Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer so richtig Honig aufs Brot: “Unsere Hochschulen haben als geistige Zentren eine tragende Rolle in unserer Wissensgesellschaft. Sie sind zudem Ideengeber für Innovationen sowie Ausbilder von hochqualifiziertem Fachkräftenachwuchs. Mit der Zuschussvereinbarung schaffen wir die tragfähige finanzielle Grundlage, um die Einrichtungen für die kommenden Jahre gut auszustatten. Sie erhalten finanzielle und personelle Planungssicherheit bis zum Ende des Jahres 2016 und mehr eigene Gestaltungsfreiheit sowie Eigenverantwortung.”

Womit man bei den nächsten neuen Worten aus dem Sächsischen Neusprech wäre: Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortung.

Mit dem Ergebnis zufrieden zeigte sich zumindest Prof. Dr. Friedrich Albrecht, Rektor der Hochschule Zittau Görlitz und stellvertretender Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz: “Die Verhandlungen waren nicht immer einfach, aber auf Augenhöhe und vom beiderseitigen Ziel getragen, sie erfolgreich abzuschließen. Gelungen ist damit ein nachhaltiger Einstieg in eine neue Form der Hochschulsteuerung und -finanzierung, die dem globalen und regionalen Auftrag der sächsischen Hochschulen Rechnung trägt. Sicher ist, dass die Bedeutung von Forschung, Transfer und akademischer Fachkräftesicherung weiter wachsen wird. Eine wichtige Erfahrung für alle Rektorinnen und Rektoren war, dass es uns gelungen ist, unsere Positionen mit einheitlicher Stimme zu vertreten.”

Da ist dann also gleich das neueste Wort: Die Zuschussvereinbarung ist gleichzeitig auch der Einstieg in die Neue Hochschulsteuerung gemäß dem Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetz. Neue Hochschulsteuerung. Ist nur die Frage, wer da steuert. Die nahe liegende Antwort: natürlich der Finanzminister, wer sonst?

Die Finanzierung der sächsischen Hochschulen soll ab 1. Januar auf das Drei-Säulen-Modell umgestellt werden. Die Einrichtungen erhalten dann ein Grund-, Leistungs- und Innovationsbudget mit Anteilen von 90, 2 und 8 Prozent am Gesamtbudget. Zudem verpflichten sich die Hochschulen zur Erreichung hochschulindividueller Ziele bis 2016.

Die Hochschulen verpflichten sich gleichzeitig unter anderem zur jährlichen Aufnahme von 16.000 bis 20.000 Studienanfängern und zur weiteren Schärfung ihrer Profile. Was schon ein Unding ist. Denn die bisherigen Budgets wurden sämtlich auf ein Niveau von 13.000 bis 14.000 Studienanfänger berechnet. Schon jetzt fahren fast alle Hochschulen unter Überlast. Es hätte also schon deutlich mehr Geld für die “Grundlast” geben müssen, um allein die Funktionsfähigkeit der Hochschulen zu erhalten.

Tatsächlich aber ist die “Steuerung” schon mit eingebaut. “Schärfung ihrer Profile” heißt es, als wenn die sächsischen Hochschulen unter verwaschenen Profilen litten. Mit dem finanziellen Druck werden aber nun reihenweise Studiengänge, die aus Sicht der Regierung nicht nutzbringend oder innovativ sind, in die Abwicklung geschoben. Die Abschaffung der Apothekerausbildung an der Uni Leipzig ist nur der Anfang. Das derart knapp vorgegebene Budget zwingt die Hochschulen, die verordneten Stellenkürzungen bei Dozenten auch umzusetzen.

Zudem sollen sich die Hochschulen stärker untereinander und mit anderen Akteuren der Wissensgesellschaft vernetzen und so die Gesellschaft am zunehmenden Wissen partizipieren zu lassen, hat die Regierung noch auf ihre Wunschliste geschrieben. Also mehr Output für weniger Geld. Wie im Supermarkt.

Und weil er zum Inhalt nicht viel Positives sagen kann, freut sich der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Geert Mackenroth zumindest über dieses obskure Wort Planungssicherheit, das die Regierung jetzt für drei Jahre wie eine Bockwurst hochhält: “Die heute unterzeichnete Zuschussvereinbarung gibt unseren Hochschulen eine wichtige Planungssicherheit auf hohem finanziellen Niveau und sogar über den laufenden Doppelhaushalt hinaus. Das ist nicht nur ein wichtiges Signal an die über 41.000 Mitarbeiter der Hochschulen und die rund 113.000 Studierenden in Sachsen, sondern auch für die gesamte Forschungslandschaft im Freistaat. Unsere Hochschulen sind so attraktiv wie nie zuvor. Hochschulfreiheit, keine Studiengebühren und die aktuelle Zuschussvereinbarung sorgen für optimale Studien- und Forschungsbedingungen in Sachsen.”

Ist Geert Mackenroth ein Witzbold? – Die 41.000 Mitarbeiter sehen ja so enorm aus. Aber selbst das Statistische Landesamt rechnet da die studentischen Hilfskräfte lieber raus und kommt für 2012 auf 35.000, davon etwas über 19.000 wissenschaftliches und künstlerisches Personal.Die Kommentare der politischen Opposition fielen dann eher trocken aus.

“Die Zuschussvereinbarung besiegelt für die nächsten drei Jahre eine traurige Realität: Die sächsischen Hochschulen sind unterfinanziert und sollen selbst bei Überbietung der Zielvorgaben vom Land nicht finanziell belohnt werden”, erklärt Karl-Heinz Gerstenberg, hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Sächsischen Landtag. “Angesichts dieser Tatsache ist es gut, dass die von Ministerpräsident Stanislaw Tillich beschönigend als ‘langfristig’ bezeichnete Vereinbarung nur drei Jahre läuft. Unsere Hochschulen brauchen keine Fixierung des Mangels, sondern Verbesserungen bei der laufenden Grundfinanzierung, die im bundesweiten Vergleich am unteren Ende liegt. Und sie brauchen ein Ende des Stellenabbaus, damit sie ihre wachsenden Aufgaben in Lehre, Forschung und Wissenstransfer in hoher Qualität erfüllen können.”

Und Prof. Gerhard Besier, der wissenschafts- und hochschulpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke: “Das Wissenschaftsministerium versucht offenbar, sich für das Wahljahr Ruhe an der Hochschulfront zu erkaufen – ein allzu durchsichtiges Ansinnen. Die vermeintliche Harmonie zwischen Staatsregierung und Hochschulrektoren, die man mit der Zuschussvereinbarung herbeireden will, ist nur Fassade – denn die Hochschulrektoren haben keinesfalls den gesamten Stellenabbau bis 2020 goutiert, sondern wollen die Pläne zunächst nur bis 2016 mittragen. Mit Recht begehren sie in Anhörungen des Wissenschaftsausschusses und anderswo regelmäßig gegen die Prioritätensetzungen der Staatsregierung auf. – Besondere Sorge dürfte den Rektoren die Tatsache bereiten, dass die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zur W-Besoldung, das die Erhöhung der Grundgehaltssätze für W2- und W3-Stellen bereits im kommenden Jahr notwendig macht, zunächst Kosten in Höhe von etwa 12 Millionen Euro verursachen wird. Diese sind bisher noch nicht im Haushalt eingestellt. Mit diesen Belastungen darf die Staatsregierung die Hochschulen nicht allein lassen. Ich kann Befürchtungen, dass sie das dennoch tun wird, nachvollziehen.”

Und wie ist das mit der “Planungssicherheit”? – Besier: “Feste Finanzierungszusagen werden nur bis 2016 gemacht – andere Länder sind da bereits weiter: So will etwa das rot-rot regierte Brandenburg auf fünfjährige Rahmenverträge setzen, die einen wesentlich weiteren Planungshorizont bieten. Bereits mit dem Überlastpaket hat die Staatsregierung allerdings demonstriert, dass ihr die kurzfristige Symptom-Therapie wichtiger ist als langfristige Problemlösungen. In jedem Fall wird der Stellenabbau bis 2016 festgeschrieben, bis dahin sollen die sächsischen Hochschulen insgesamt 288 Stellen abgeben. Zwar will man erst nach einer Evaluierung im Jahre 2015 über den weiteren Stellenabbau entscheiden; allerdings wird nicht die Gesamtzahl der Stellenstreichungen von der Evaluierung abhängig gemacht, sondern nur deren konkrete Verteilung auf die einzelnen Hochschulen. Da die TU Dresden beim Stellenabbau zunächst außen vor bleibt, kommen wohl vor allem auf die Universität Leipzig und die Technische Universität Chemnitz empfindliche Einschnitte zu. – Mit der Zuschussvereinbarung präsentiert man erneut ein Feigenblatt, das naturgemäß viel zu klein ist, um die strukturellen Probleme zu überdecken. Letztere bestehen fort, auch im Wahljahr. Ich bin gespannt, wie lange der Burgfrieden halten wird.”

Und Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag: “Drei Jahre Planungssicherheit für die Hochschulen ist noch der erfreulichste Aspekt an der heute “feierlich” unterzeichneten Zuschussvereinbarung. Nach zähem Ringen liegt nun eine Vereinbarung vor, die den schwarz-gelben Abbaukurs zementiert und in der notwendigen Perspektive nach 2016 unkonkret bleibt. Zu feiern gibt es aus unserer Sicht nichts: selbst wenn die Hochschulen in zwei Jahren Planübererfüllung melden, werden sie gerade einmal so viele Mittel erwarten können, wie heute schon dafür bereitgestellt werden. Finanzminister Prof. Dr. Unland (CDU) hat also erneut ins Wissenschaftsressort hinein regiert. Notwendige Investitionen für gestiegene Studierendenzahlen aus dem Hochschulpakt bleiben aus.”

Der “Zuschuss” ist also nichts als ein neues Instrument der Gängelung. Holger Mann: “Die Staatsregierung hält dabei nicht nur weiter am Stellenabbau fest, sie verschiebt auch die Lasten. So gehen 95 Stellen – welche die TU Dresden aufgrund der Exzellenzinitiative in 2014-2016 nicht kürzen muss – in einen noch zu verteilenden Kürzungspool. Damit schwächt die Staatsregierung die anderen Hochschulen, insbesondere die in den Wissenschaftsregionen Leipzig und Chemnitz überproportional. Hier wäre es angebracht, diese 95 Stellenkürzungen zu erlassen.”

Der wichtigste Satz befindet sich für ihn in den Schlussbestimmungen. “Natürlich steht die Vereinbarung unter dem Vorbehalt, dass der Haushaltsgesetzgeber mit Beschluss eines Doppelhaushaltes im Dezember 2014 die Mittel frei gibt. Es ist also an den Wählerinnen und Wählern am 31. August 2014 auch einen anderen Kurs in Sachen Wissenschaftspolitik zu bestimmen, denn dann entscheidet der neugewählte Landtag über die Zukunft unserer Hochschulen!”

Die Sächsische Hochschulsteuerungsverordnung als PDF zum download.

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