Noch nie hat Sachsen so viele Bildungsproteste und -debatten erlebt wie im fast vergangenen Jahr. Alleine in Leipzig demonstrierten im März über 11.000 Schüler für eine bessere Bildung. Der Stadtschülerrat ging voran und am Ende des Jahres hat sich der Vorsitzende und angehende Abiturient Georg Heyn seine Gedanken über die sächsische Bildung 2012 und in Zukunft gemacht. Fakt ist: Die sächsische Schülerschaft ist kritisch - kritischer als manchem Politiker recht sein mag.
2012! Ein Jahr voller Extreme, Höhen und Tiefen, spannenden und ruhigen Zeiten – nicht nur für mich privat, sondern auch für die sächsische Bildungslandschaft. Es ist viel passiert und wie es einen so kurz vor Jahreswechsel überkommt, mache auch ich mir meine Gedanken über das, was geschehen ist. Ein Jahresrückblick ist dieser Artikel nicht direkt. Viel mehr sind es meine Wünsche und Vorstellungen für das kommende Jahr, denn aus Fehlern soll man ja bekanntlich lernen – hoffentlich …
Der große Auftakt des Jahres war für mich persönlich die Protestwelle gegen den Lehrermangel an sächsischen Schulen. Im Januar ging es in Chemnitz los: Hunderte Schüler gestalteten am 4. Januar dieses Jahres verschiedenste Aktionen an ihren Schulen und taten ihren Unmut über die inakzeptablen Bedingungen im Bezug auf die Lehrerversorgung kund. Die Welle schwappte über. Das gesamte erste Halbjahr hielt uns die Problematik Lehrermangel in Atem. Nicht nur in Chemnitz, sondern auch im Rest von Sachsen wollten die Schülerinnen und Schüler ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen kann.
Am 28. März 2012 protestierten schließlich sachsenweit 23.000 junge Köpfe, davon 11.500 Schülerinnen und Schüler an 30 Schulen in der Stadt Leipzig. Sie standen für ihre Bildung ein und machten mit Aktionen wie “Wir zeigen dem Kultusministerium die rote Karte” oder der Beerdigung der Bildung auf die Missstände aufmerksam. Das mediale Echo war gigantisch und auch die Staatsregierung geriet immer mehr unter Druck. Befeuert durch den Rücktritt des damaligen Kultusministers Prof. Dr. Roland Wöller, waren die Dresdner Größen zum Handeln gezwungen. Ein zweites Bildungspaket sollte Verbesserungen für das kommende Schuljahr mit sich bringen.
Doch selbst dieses mühsam geschnürte Paket wird die Ursachen des Lehrermangels nicht grundlegend beheben. Eine weitreichende Neueinstellung und langfristige Planung liest sich anders. Aus diesem Grund ging es im Mai weiter. Eine kleinere Demonstration in Leipzig mit 300 Teilnehmern und eine große Demonstration gemeinsam mit Studenten vor dem sächsischen Landtag in Dresden mit rund 6.500 Teilnehmern verdeutlichten, dass es immer noch jede Menge zu tun gibt. Gerade die Attraktivität des Lehrerberufs ist in Sachsen so gering wie in keinem anderen Bundesland. Ein Platz 1 bei Pisa wird kaum zu halten sein, wenn Sachsen in der Lehrerbezahlung weiterhin auf Platz 16 im Deutschlandranking platziert ist.
Gerade für junge Lehrer ist kaum etwas in Sachsen zu holen. Obwohl sich beispielsweise 1.600 Referendare zum neuen Schuljahr beworben haben, wurden nur 655 davon neu eingestellt. Andere Bundesländer reißen sich um diese gut ausgebildeten Kräfte. Eine junge Lehrerin meiner Schule wurde zum Beispiel vom Land Niedersachsen abgeworben. Nicht nur, dass dort die Bezahlung besser ist – auch um ein Kitaplatz für das Kind, eine Wohnung und einen Arbeitsplatz für den Mann kümmerte sich die neue Schule. Es muss sich definitiv im kommenden Jahr intensiv mit einer langfristigen und nachhaltigen Lösung für den Lehrermangel bemüht werden. Das Geld im Freistaat ist schließlich vorhanden …
Doch nicht nur der Lehrermangel prägte das Jahr 2012. Auch das Lieblingsprojekt des kleinen Koalitionspartners FDP, die Oberschule, ließen Emotionen an den Schulen hochkochen. Es geht um die Umstrukturierung der Mittelschule zur Oberschule. Der Ansatz ist gut: stärkere Fremdsprachenausbildung an Mittelschulen durch Einführung einer zweiten Fremdsprache, Verbesserung der Chancen für den Aufstieg ans Gymnasium sowie stärkere individuelle Förderung durch Leistungsgruppen klingen vielversprechend.
Doch wie möchte man dieses Projekt angehen, wo doch die Lehrerressourcen an den Schulen jetzt schon knapp sind, vor allem in den Fremdsprachen? Außerdem ist der Sinn einer Binnendifferenzierung schon in der Orientierungsstufe (Klasse 5/6) mehr als fraglich, denn schließlich haben die jungen Schülerinnen und Schüler die Chance verdient, sich wirklich zu “orientieren”, Schwächen und Stärken zu erkennen und an sich zu arbeiten. Gemeinsam können Leistungsstarke und Leistungsschwache immens voneinander profitieren. Die Umbenennung ist eigentlich die größte Änderung, welche die Reform mit sich bringen wird. Wir werden gespannt sein, was sich im kommenden Schuljahr für jene Schulen ändern wird.
In diesem Schuljahr haben auf jeden Fall schon die schleppende Umsetzung der Lernmittelfreiheit und auch die Schließung vieler Turnhallen auf Grund ihres schlechten Sanierungsstandards für viel Unmut gesorgt. Der Schulträger ist einfach finanziell und auch organisatorisch überfordert. Man spart immer noch gezwungenermaßen das Bildungssystem kaputt. Kommunen und Freistaat sind sich immer noch nicht genau im Klaren, wer wie viel dazu beizutragen hat.
Es wird Zeit, dass sich nachhaltig etwas ändert. Man muss begreifen, dass Bildung das höchste Gut unserer Gesellschaft ist. In ihr liegt der Grundstein der Zukunft eines jeden Einzelnen. Aus diesem Grund ist mein größter Wunsch für das kommende Jahr, dass man einmal auf die Schülerinnen und Schüler hört und sich in Bewegung setzt, um die vielfältigen Missstände im Bildungsbereich zu beheben.
Ich werde definitiv versuchen, mein Bestes dazu beizutragen. Aber nun ist erst einmal Weihnachten – Zeit für Ruhe und Besinnlichkeit, auch für mich. Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Mögen sich all Ihre guten Vorsätze erfüllen.
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