Die Theologische Fakultät der Universität Leipzig hat eine geplante Veranstaltung mit dem israelischen Wissenschaftler Benny Morris abgesagt. Zuvor hatte es entsprechende Forderungen pro-palästinensischer Gruppen gegeben. Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow sieht den „Wesenskern einer Hochschule“ in Gefahr.
Geplant war ein Vortrag des emeritierten Professors zum Thema „The 1948 War and Jihad“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Traditionen und Gegenwart des Antisemitismus“. Morris gilt als Experte für die israelisch-palästinensische Geschichte und hat bei diesem Thema immer wieder für Kontroversen gesorgt.
In einem 2004 veröffentlichten Interview bezeichnete er die palästinensische Bevölkerung als „wildes Tier, das irgendwie eingesperrt werden muss“. Konkret forderte er, einen Käfig für sie zu bauen, auch wenn das schrecklich sei. 2024 empfahl er dringend einen Angriff auf Iran, notfalls mit Atomwaffen.
Forderungen pro-palästinensischer Gruppen
Schon Mitte November forderten zwei pro-palästinensische Gruppen die Universität dazu auf, den Vortrag abzusagen. Wer die „Vertreibung, Tötung und Vergewaltigung von hunderttausenden Menschen rechtfertigt, sollte nicht zu dem Thema lehren dürfen“, schrieben die „Students for Palestine Leipzig“ und der „Jüdisch-Israelische Dissens“ (JID) in den sozialen Medien.
Der JID ist nach eigenen Angaben eine „Plattform linker, jüdischer, israelischer Aktivist*innen in Leipzig“ und solidarisch mit dem „palästinensischen Kampf“.
Inhaltliche und Sicherheitsbedenken
Der Antisemitismusbeauftragte der Universität, Gert Pickel, und die Judaistikprofessorin Yemima Hadad begründeten die Absage mit den Äußerungen von Morris, von denen man sich „entschieden distanziert“, aber auch mit „Sicherheitsbedenken“. Zweck der Veranstaltung sei zunächst gewesen, eine kritische Auseinandersetzung zu suchen.
Die Universitätsleitung sei in diese Entscheidung nicht einbezogen worden, teilte Rektorin Eva Inés Obergfell am Montag mit. „Aber natürlich gehört es zur Freiheit der Forschenden und Lehrenden, solche Entscheidungen zu treffen.“ Ob es Alternativen zu einer Absage gegeben hätte, soll intern besprochen werden.
Auch der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) meldete sich zu Wort. An einer Hochschule müsse es möglich sein, kontroverse Debatten zu führen: „Wenn der Diskurs und die Debatte an den Hochschulen aus Sorge vor Widerspruch im Vorhinein unterbunden wird, riskieren wir nicht weniger als den Wesenskern einer Hochschule im demokratischen Rechtsstaat einzuschränken, nämlich die freie wissenschaftliche Bildung in gesellschaftlicher Verantwortung.“
Vorfall überregional beachtet
Zahlreiche überregionale Medien berichteten über den Vorfall. Die „Jüdische Allgemeine“ bezeichnete die Absage in einem Kommentar als „feige Ausflucht der Verantwortlichen“. Die Universität habe vor Anhänger*innen der sogenannten BDS-Bewegung „gekuscht“.
BDS fordert einen Boykott Israels auf allen Ebenen. In Deutschland wird die Bewegung vom überwiegenden Teil des politischen Spektrums als antisemitisch bewertet. In Leipzig gibt es einen Stadtratsbeschluss, BDS keine Räume zur Verfügung zu stellen.
Pickel und Hadad warnen in ihrer Stellungnahme vor einer „Doppelmoral“. Während israelische Wissenschaftler*innen immer wieder von Veranstaltungen ausgeschlossen würden, könnten „andere Stimmen ungehinderten Zugang zur Universität erhalten“. In Leipzig sei das bei Veranstaltungen mit BDS-Bezug der Fall.
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