Auch dieser Winter war bisher, mit wenigen Ausnahmen, wieder sehr mild. Es scheint zudem, als stünde der Frühling direkt schon vor der Tür. Doch wie wirken die milden Temperaturen auf die Insektenwelt? Schmetterlingsökologe Dr. Guy Pe’er engagiert sich im Projekt VielFalterGarten, das sich für den Schutz von Schmetterlingen in der Stadt Leipzig einsetzt. Am 18. März veranstaltet das Projekt den „VielFalterGarten-Tag“.

Im Botanischen Garten der Universität Leipzig sowie im nahegelegenen Hörsaal werden dort die Ergebnisse der Schmetterlingszählungen aus dem vergangenen Jahr vorgestellt. Im Interview fragt ihn nun Projektmitarbeiterin Anna Bochmann des BUND Leipzig, welchen Einfluss der Klimawandel auf die Schmetterlinge hier in Deutschland hat.

Trockenheit und steigende Temperaturen in Deutschland: Der Klimawandel macht sich bemerkbar. Besonders unsere Winter werden immer milder. Ist das zum Vorteil der Schmetterlinge?

Tatsächlich profitieren einige Arten vom milden Winter, wie zum Beispiel der Admiral. Immer mehr von ihnen überwintern bei uns – beispielsweise auf Dachböden oder in Gartenlauben. Mit den ersten warmen Frühlingsstrahlen können sie bereits wieder aktiv sein. So können sie im Jahr mehr Generationen ausbilden als ihre wandernden Artgenossen aus dem Süden. Es gewinnen auch die Arten, die ursprünglich aus der Mittelmeerregion kommen. Das sind vor allem solche, die nicht wirklich ‚schlafen‘, also keine sogenannte Diapause haben wie der Distelfalter.

Die Gefahren der milden Winter wiegen jedoch stärker. Heimische Schmetterlinge sind an die vier Jahreszeiten angepasst. Sie brauchen daher die Kälte. Ist es zu mild, dann geht es ihnen wie vielen weiteren lokalen Tier- und Pflanzenarten. Pilze, Bakterien oder Krankheitserreger können sich schneller und stärker ausbreiten. Besonders für die überwinternden Raupen ist diese Gefahr hoch.

Also sind es besonders die steigenden Durchschnittstemperaturen, die den Arten zu schaffen machen?

Nein, das ist nur ein Teil der Geschichte. Die Gefahr für viele Arten ist nicht nur die globale Erwärmung an sich. Es sind vor allem die Extremwetterereignisse, die einen hohen Einfluss auf die Artenvielfalt haben. So kann eine Hitzewelle zum Aussterben einer Population führen. Das trifft insbesondere die Arten, die nur eine Generation pro Jahr ausbilden.

Dazu kommt, dass durch uns Menschen Lebensräume verloren gehen oder zerschnitten werden durch beispielsweise Agrarflächen, Siedlungen oder Straßen. Pestizideinsätze kommen hinzu, die nicht nur die Schmetterlinge gefährden, sondern auch Pflanzen bekämpfen, die für viele Arten wichtige Nahrungsquellen sind. Damit erschweren wir es, dass sich bestimmte Arten von Extremwetterereignissen wieder erholen können.

Das heißt, es sind vor allem menschengemachte Ursachen, die den Schmetterlingen das Leben schwer machen? Können wir dann auch etwas für den Schutz und Erhalt der Arten tun?

Ja, auf jeden Fall. Das Positive ist, dass alle etwas tun können. Im Frühjahr 2020 haben wir als Wissenschaftler/-innen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) gemeinsam mit dem BUND Leipzig und der Stadt Leipzig das Projekt „VielFalterGarten“ ins Leben gerufen.

In dem Projekt möchten wir genau das zeigen: Jede/-r kann etwas tun! Wir bieten Bildungsworkshops und -materialien an. Unser Ziel ist es, Menschen zu zeigen, wie vielfältig die Schmetterlingswelt ist. Wir erhoffen uns daraus, dass Menschen sich aktiv für ihre Umwelt engagieren: Lebensräume aktiv erhalten und neue aufbauen. Im eigenen Garten können tolle Schmetterlingsparadiese geschaffen werden und das ohne viel Arbeit. Dafür haben wir auch Anleitungen auf unserer Webseite zum Nachlesen.

Gibt es auch Möglichkeiten für Menschen, die keinen eigenen Garten haben?

Ja natürlich! Wir brauchen vor allem viele Augen, die mit uns Schmetterlinge beobachten. Gerade in Zeiten des Klimawandels sind wir auf Daten angewiesen, die dokumentieren, wie sich das Vorkommen verschiedener Arten entwickelt. Dafür sind gerade einmal 15 Minuten im Park, auf einer Brachfläche oder anderem persönlichen Lieblingsort notwendig. Das geht auch gut nebenbei – zum Beispiel in der Mittagspause oder beim Ausflug auf den Spielplatz.

Werden die Zählungen am gleichen Ort fünf bis sechs Mal in der Saison wiederholt, können die Ergebnisse in unsere wissenschaftliche Arbeit einfließen. Unsere Bestimmungshilfen und die VielFalterGarten-App erleichtern zudem das Bestimmen der Arten. Außerdem gibt es schon eine tolle VielFalterGarten-Community, die sich beim Bestimmen von Arten unterstützt.

Um einen Einblick in das Projekt zu erhalten, veranstalten wir am 18. März den VielFalterGarten-Tag im Botanischen Garten der Universität Leipzig. Alle Interessierten sind ganz herzlich eingeladen.

Vielen Dank für das Gespräch und die Einladung, Herr Dr. Guy Pe’er!

Dr. Guy Pe’er: Guy Pe’er studierte Lebenswissenschaften in Jerusalem und promovierte an der Ben-Gurion-Universität in Negev. Heute arbeitet er als Wissenschaftler am UFZ und am iDiv in Leipzig, im Department für Ökosystemleistungen (Ecosystem Services).

Der „VielFalterGarten-Tag“: Für Schmetterlinge im Bauch können wir nicht sorgen – aber wir können Vorfreude auf die sommerliche Schmetterlingszeit machen: mit dem VielFalterGarten-Tag am 18. März von 14 bis 17 Uhr. An diesem Tag dreht sich alles um die schönen Insekten und wir können sie im Botanischen Garten der Universität Leipzig hautnah erleben! Das Projekt „VielFalterGarten“ gestaltet ein buntes Programm.
14 Uhr: Präsentationen zum Projekt VielFalterGarten und bisheriger Projekt-Ergebnisse
Ab 15.30 Uhr: Vielseitiges Programm in den Gewächshäusern, mit:
• Führungen durch die Gewächshäuser
• Kinderführungen durch das Schmetterlingshaus
• Themenständen zum Informieren und Ausprobieren
• Austausch bei kleinen Leckereien

Für die Planung der Veranstaltung ist eine Anmeldung bis zum 11.03.2023 nötig unter anmeldung@vielfaltergarten.de. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Räumlichkeiten sind barrierefrei zugänglich.

Ort: 14–15 Uhr: im Hörsaal 115 in der Johannisallee 21, 04103 Leipzig
Ab 15:30 Uhr: Botanischer Garten der Universität Leipzig, Linnéstr. 1, 04103 Leipzig

Der VielFalterGarten: VielFalterGarten ist ein vierjähriges Kommunikations- und Bildungsprojekt, das modellhaft aufzeigen möchte, wie es gelingen kann, urbane Räume so zu gestalten, dass die Vielfalt der Tagfalter gefördert wird. Ziel ist es, die Vielfalt der Schmetterlinge erfahrbar zu machen und Arten durch gezielte Maßnahmen im privaten und städtischen Grün zu unterstützen.

Projektpartner sind das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der BUND Leipzig und die Stadt Leipzig.

Das Projekt wird gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

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