Das Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) hat eine lange Vorgeschichte. Sein Vorläufer war das 1892 gegründete „Museum für vergleichende Länderkunde“ der Stadt Leipzig. Deswegen gehören auch viele Zeugnisse der deutschen Kolonialgeschichte zu seinem Bestand. Und auch die Bilder eines umstrittenen Mannes wie des Malers Ernst Vollbehr. Aber auch das gehört zur vollständigen Geschichte. Jetzt wuchs die Vollbehr-Sammlung sogar noch.
Denn das IfL konnte einen unerwarteten Neuzugang in seinem Archiv für Geografie verzeichnen: rund 70 Ölgemälde, Aquarelle und Gouachen des Malers Ernst Vollbehr (1876-1960). Die Landschaftsbilder aus Mitteleuropa und den von Vollbehr bereisten Ländern der Erde sowie Landschaftsmotive und Porträts von Afrikanern aus den deutschen Kolonien ergänzen den umfangreichen Bestand an Vollbehr-Bildern, die das Museum für Länderkunde als Vorgängereinrichtung des IfL 1957 angekauft hatte.
Hinzu kommen nach Vollbehr-Gemälden gedruckte Ansichtskartenserien und Palmin-Sammelbilder sowie alle Bücher des Künstlers und einige Autografen. Die Objekte werden jetzt in die Sammlungen des IfL eingearbeitet und stehen danach der kunst- und wissenschaftshistorischen Forschung zur Verfügung.
Die Schenkung geht auf einen Besuch des Sammlers René Rossbach am IfL zurück. Der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens zeigte sich vor allem von den rund 900 Leipziger Vollbehr-Gemälden beeindruckt. Um seine eigene Sammlung zusammenzuhalten und für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen, hat Rossbach sich entschlossen, sie in die Obhut des IfL zu geben.
Ernst Vollbehr war ein politischer Maler und Schriftsteller. Seine Kriegsbilder und Bücher aus den beiden Weltkriegen lassen seine kriegsverherrlichende Einstellung erkennen. Nach 1933 diente er sich den Nationalsozialisten an und malte auch Propagandabilder, unter anderem zum Bau der Reichsautobahnen.
Die Leipziger Sammlung besteht indes fast ausschließlich aus Landschaftsgemälden und Porträts. Für Archivleiter Dr. Heinz Peter Brogiato bilden sie wichtige Artefakte aus der Geschichte der Geografie: „Vollbehr gehörte zu den Künstlern, die es verstanden, Landschaftsmotive auf die wesentlichen und charakteristischen Elemente zu reduzieren. Damit schuf er Typenbilder, die in der damaligen Landschaftsgeografie bis in die 1940er-Jahre in länderkundlichen Werken und in Schulbüchern Verwendung fanden. Ihre Funktion bestand daher für die Geografie mehr im Didaktischen als im Künstlerischen.“
Das Archiv des IfL verstehe sich als Forschungsarchiv für die Disziplingeschichte der Geografie und verwandter Fächer, betont er. Im Vordergrund der Sammlungstätigkeit stehen die Nachlässe bedeutender Geografen und die Akten zentraler Fachverbände und Vereine.
Daneben existiert ein Bildarchiv mit historischen Fotografien aus aller Welt. Innerhalb dieses Spektrums spielen die Vollbehr-Gemälde heute eine Sonderrolle. Gemälde anderer Künstler sind nur in geringer Zahl vorhanden, da die einst umfangreiche Gemäldesammlung des Museums im Krieg verloren ging.
Lange Zeit spielte bildliches Material in der geografischen Forschung keine Rolle. Doch in den letzten Jahren wenden sich viele Wissenschaften, darunter auch die Geografie, verstärkt Bildern als Quellen zu.
„Innerhalb dieses iconic oder pictoral turns dürfte die Vollbehr-Sammlung an Aufmerksamkeit gewinnen“, so Brogiato. Auch unter dem Aspekt, wie die Deutschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf die Welt sahen. Und wie Maler wie Vollbehr diesen Eindruck vermittelten.
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