Die Sahara, mit etwa neun Millionen Quadratkilometern die größte Trockenwüste der Welt, war einmal grün, eine Gegend, in der Reiche blühten, riesige Tierherden durch die Savanne zogen, Getreide wogte und Seen und Flüsse die Tierwelt anzogen. Und das sogar noch in historisch junger Zeit: Die Griechen, Römer und Phönizier kannten noch ein grünes Nordafrika. Dem sind jetzt Forscher der Universität Leipzig auf der Spur.
Heute ist die Sahara die größte Staubquelle der Erde, und die Stäube haben einen bedeutenden Einfluss auf die Düngung der Weltmeere und auf die Klimaentwicklung. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Zielhofer, Physischer Geograph an der Universität Leipzig, hat nun die Geschichte der Sahara-Staubstürme rekonstruiert und dabei neue Erkenntnisse zur Entstehungsgeschichte der Wüste erlangt. Demnach gab es mehrere Staubphasen beim Übergang von der Savannen- und Steppenlandschaft zur Wüste.
Drei große Grünphasen dokumentiert Wikipedia für die Sahara. Die letzte reichte bis in jene Menschheitsgeschichte, als in Griechenland, im Zweistromland und Ägypten große Reiche existierten. Noch für die römische Zeit, als der legendäre Hannibal mit seinen Elefanten aus Afrika nach Rom zog, gilt: „In römischer Zeit galt die Provinz Africa dann bis in die Spätantike neben Ägypten als eine ‚Kornkammer Roms‘; das Gebiet war zu jener Zeit teils noch bewaldet und hielt daher die Bodenkrume“, heißt es bei Wikipedia.
Doch so wie das nordafrikanische punische Reich vom Erdboden verschwand, so verschwanden auch die Wälder und Getreidefelder. Die Pferde übrigens auch: Bis in die Zeit der Römer hinein war das Pferd das wichtigste Transportmittel in den afrikanischen Savannen. Erst als die Wüste immer mehr die alten Handelswege abschnitt und blühende Seen zu Oasen schrumpfen ließ, trat das Kamel an seine Stelle.
Aber wie konnte so ein riesiger Landstrich zur größten Wüste der Welt werden?
Das wollen die Leipziger Forscher in Zusammenarbeit mit Kollegen anderer renommierter Institute herausbekommen.
An der interdisziplinären Studie sind unter anderem Geographen und Geowissenschaftler der Universitäten Leipzig, Manchester, Reykjavik und des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) sowie eine Meteorologin des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung Leipzig und zwei Archäologen aus Rabat in Marokko und Köln beteiligt.
Erste Ergebnisse: Die Wissenschaftler konnten aus Ablagerungen eines Sees im Mittleren Atlas Marokkos Reste von Staubstürmen bis in eine Zeit vor 12.000 Jahren zurückverfolgen.
„Wir gehen davon aus, dass die Staubablagerungen im Sidi Ali-See nicht nur lokale Stäube am nördlichen Rand der Sahara darstellen, sondern dass es sich vor allem auch um Fernstäube handelt, die zumindest teilweise auch aus dem sub-saharischen Raum der Sahelzone stammen“, sagt Christoph Zielhofer.
In den Zeitraum der vergangenen 12.000 Jahre fällt auch das Ende der sogenannten Afrikanischen Feuchtphase, welches nach bisherigen Studien zwischen 3.000 bis 7.000 Jahren vor heute lag. Also – um es historisch einzuordnen – in die Zeit 5.000 vor unserer Zeitrechnung bis ungefähr 1.000 v.u.Z. Da ist man in der Zeit der Seevölker und des extremen Klimawandels im östlichen Mittelmeer, der dort zum Untergang legendärer Reiche und zu kriegerischen Expansionen führte, die auch Ägypten in seinen Grundfesten erschütterten.
Und Afrika – das damals ja nur eine Bezeichnung für das nördliche Afrika war – war eine reich belebte Landschaft. Auch im Landesinneren: Was wir heute als hypertrockene und lebensfeindliche Sahara kennen, war eine großräumige Savannen- und Steppenlandschaft, in der Elefanten und Löwen lebten und die von Nomadenstämmen besiedelt war. Elefanten wie sie dann auch Hannibal noch ganz selbstverständlich als Kriegswaffe kannte und einsetzte in seinem Zug gegen Rom. Die Elefanten hatte er nicht aufwendig erst durch die Wüste importieren müssen.
Nur haben Historiker – auch römische – in der Regel nicht allzu viel auf Wetter und Klimaveränderungen geachtet. Sie konnten sich noch nicht vorstellen, dass sich Lebensbedingungen binnen weniger Generationen radikal ändern könnten. Auch nicht, dass der Mensch selbst für viele dieser Veränderungen verantwortlich war. Denn die Geschichte der Zivilisationen rund ums Mittelmeer ist eine Geschichte der abgeholzten Wälder. Nicht nur im heutigen Tunesien standen diese Wälder noch – auch Griechenland und der italienische Stiefel waren dicht bewaldet, genauso wie das Zweistromland oder ein Land, das wegen seiner riesigen Zedernwälder noch in der Bibel gerühmt wurde: Libanon.
Die Wälder wurden dem Hausbau geopfert, verwandelten sich in Schiffe – aber besonders sorgte die frühe Metallerzeugung dafür, dass die Wälder fast komplett zu Holzkohle gemacht wurden, und dort, wo einst Wälder standen, nunmehr nur noch Ziegen und Schafe auf kahlen Bergflanken grasten.
Hat das etwas mit der Sahara zu tun?
Möglicherweise lässt sich diese Frage noch nicht beantworten. Die Forscher beschäftigen sich jetzt erst einmal mit dem Ende der „grünen-Sahara-Zeit“, ein Ende, das aber nicht zufällig vor ungefähr 7.000 Jahren begann, als der Ackerbau in Nordafrika Einzug hielt und auch zur Gewinnung fruchtbarer Böden Wälder gefällt wurden.
„Die Geschichte der Sahara-Stäube aus dem Sidi Ali-See gibt uns nun zeitliche Hinweise, wann das Ende der Feuchtphase erstmals einsetzte. Das hatte vermutlich nicht nur Konsequenzen auf die damalige Tier- und Pflanzenwelt in Nordafrika, sondern auch auf die dort lebenden Hirtennomaden“, sagt Staubforscher Hans von Suchodoletz vom Institut für Geographie der Universität Leipzig.
Die Wissenschaftler kamen zu dem überraschenden Ergebnis, dass das Ende der Afrikanischen Feuchtphase nicht wie bisher angenommen durch einen einmaligen klimatischen Übergang hin zur heutigen Wüste charakterisiert ist, sondern durch mehrere Staubphasen bereits vor 10.200, 8.200 und 6.600 bis 6.000 Jahren.
„Dazwischen hat die Staubbelastung der Atmosphäre im Gebiet des marokkanischen Sidi Ali-Sees immer wieder abgenommen, bis dann spätestens vor 4.700 Jahren eine nachhaltig hohe Staubbelastung den bis in die aktuelle Zeit anhaltenden Trockenzustand der angrenzenden Sahara widerspiegelt“, erklärt Christoph Zielhofer.
Und das alles sind Zeitabschnitte, in denen der Mensch im Norden Afrikas schon als Ackerbauer aktiv war. Und vor 4.700 Jahren, da begann Ägyptens Blütezeit, die man heute als „Altes Reich“ klassifiziert und deren gewaltige Pyramidenbauten noch heute die Touristen faszinieren. Doch standen diese Pyramiden damals ganz bestimmt nicht in der Wüste, sondern in grüneren Landschaften. Aber sie stehen auch für den Anfang der Rückkehr der Wüste.
Und künftige Forschungen werden sich ganz zwingend mit dem menschlichen Anteil an der Devastierung Nordafrikas beschäftigen müssen.
Veröffentlicht wurde die entsprechende Studie in der renommierten geowissenschaftlichen Fachzeitschrift „Quaternary Science Reviews“ unter dem Titel: „Millennial-scale fluctuations in Saharan dust supply across the decline of the African Humid Period“.
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