Wissenschaftler der Universität Leipzig wollen in der Tschechischen Republik dem Phänomen der sogenannten Schwarmbeben auf die Spur kommen. Gemeinsam mit Forschern anderer Hochschulen und Großforschungseinrichtungen und mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft wollen sie im Rahmen des Internationalen Kontinental-Bohrungs-Programms "International Continental Drilling Program" (ICDP) herausfinden, wie diese kurz hintereinander auftretenden Erdstöße entstehen und welche Folgen sie haben.
Insbesondere ins Visier nehmen die Wissenschaftler des Instituts für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig das Gebiet um die einzigen in prähistorischer Zeit aktiv gewesenen Vulkane in Tschechien, den Kammerbühl und den Eisenbühl.
“Schwarmbeben werden schon seit Ende des 19. Jahrhunderts hier in Leipzig erforscht”, berichtet Geophysiker Prof. Dr. Michael Korn. So wurden 1899 Daten ausgewertet, die von 100 Erdbeben aus dem Jahr 1824 bekannt waren. Wobei der Begriff Daten in diesem Zusammenhang etwas in die Irre führt: Damals wurden die Eindrücke geschildert, die Menschen beim Auftreten der Beben hatten. Dass mit den inzwischen etablierten Messmethoden weit mehr erfasst werden kann, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2008. “Damals gab es im Gebiet des Vogtlandes und in Westböhmen rund 20.000 solcher Ereignisse”, erläutert Geophysikerin Dr. Christina Flechsig.
Wie Michael Korn sagt, gibt es bislang für das Phänomen der Schwarmbeben oder “swarm earthquakes” eine gängige Erklärung: “Im tiefen Untergrund, etwa bei 30 Kilometern, gibt es magmatische Aktivitäten, wobei die Magmen nicht unbedingt bis an die Erdoberfläche aufsteigen.” Aus den Magmen lösen sich jedoch sogenannte Fluide, in denen Gase, im Untersuchungsgebiet vor allem Kohlendioxid, gelöst sind. Diese Gase schaffen es im Gegensatz zum Magma sehr häufig an die Erdoberfläche, wo sie in Mineralquellen und in mit Wasser gefüllten Erdlöchern – den Mofetten – entweichen. “Wir wollen nun wissen: Was können wir an Strukturen erkennen und eventuell auch über die Aufstiegspfade der Fluide und Gase herausfinden”, sagt der Wissenschaftler.
Bei den Untersuchungen werden verschiedene geophysikalische Methoden angewandt. In einem Projekt von Professor Korn und Dr. Hortencia Flores soll ermittelt werden, ob es mit seismischen Methoden möglich ist, den Gasaufstieg aus der Erde zu verfolgen. Dabei wird mit künstlich erzeugten Wellen ein “Erdbeben” ausgelöst, etwa durch Hammerschläge, mit Fallgewichten oder auch kleineren Sprengungen. Der Weg der Wellen wird erfasst und ausgewertet und bietet zahlreiche Daten zur Beschaffenheit des Untergrunds. In einem anderen, von Christina Flechsig verantworteten Projekt, wird eine geoelektrische Methode angewandt. “Dabei wird Strom in die Erde eingespeist und an verschiedenen Messpunkten erfasst, welchen Widerstand die unterschiedlichen Gesteine aufweisen”, erläutert sie. Die geoelektrischen Untersuchungen zielen ebenfalls auf die zerstörungsfreie Erfassung des Untergrundes in Mofettenfeldern ab.
All diese Untersuchungen sind Vorarbeiten für ein Großprojekt, das im Rahmen des ICDP-Programms ab 2016 laufen soll. “Es ist vorgesehen, im Untersuchungsgebiet fünf bis sechs Bohrungen in wenige hundert Meter Tiefe vorzutreiben”, erläutert Korn. Diese Bohrungen würden dann aber nicht von den Leipzigern gemacht, sondern vom Geoforschungszentrum Potsdam übernommen. In die Bohrlöcher sollen dann Sonden eingebracht werden, die eine langfristige Beobachtung der Aktivitäten ermöglichen, unter anderem seismische und Gasflusssensoren. Da es sich inzwischen als möglich erwiesen hat, dass Schwarmbeben in mehrjährigen Rhythmen auftreten, wäre es nach Korns Angaben ideal, wenn die Sondenstandorte über einen Zeitraum von 20 Jahren betrieben werden könnten. “Es ist aber sehr fraglich, ob das finanziert werden kann”, gibt er zu bedenken.
Quelle: Uni Leipzig, Jörg Aberger
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