Die Pubertät ist die Phase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Verhalten und Aussehen verändern sich noch einmal sehr stark - nicht nur beim Menschen, auch bei unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen. In einer aktuellen Studie haben Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig untersucht, in welchem Alter Bonobos und Schimpansen pubertieren.
Um das zu bestimmen, analysierten die Forscher die Konzentration des Hormons Testosteron, das mit der eintretenden Geschlechtsreife bei männlichen und weiblichen Bonobos und Schimpansen sprunghaft ansteigt. Dabei fanden sie heraus, dass sich bei den Männchen beider Arten die im Urin gemessenen Testosteron-Konzentrationen im Alter von etwa acht Jahren erhöhen. Während Schimpansinnen ein wenig später als ihre männlichen Artgenossen pubertieren, setzt die Pubertät bei weiblichen Bonobos bereits im Alter von fünf Jahren ein. Das ist überraschend, denn Bonobos gelten als Spätzünder, deren Entwicklungsprozesse im Vergleich zu Schimpansen verzögert sind oder länger andauern.
In der Pubertät fördern Hormonschübe das Wachstum, die sekundären Geschlechtsmerkmale bilden sich heraus und aus dem Kind wird ein ausgewachsenes Individuum. Wann die Kindheit endet und die Pubertät beginnt, hängt unter anderem von Umweltbedingungen, Ernährung und sozialen Faktoren ab. Aus biologischer Sicht ist der Eintritt in die Pubertät der Startschuss für das Rennen, um die erfolgreiche Weitergabe der eigenen Gene an zukünftige Generationen. Während die pubertären Veränderungen beim Menschen und bei männlichen Schimpansen bereits gut erforscht sind, war dies bei Bonobos und weiblichen Schimpansen bisher nicht der Fall.
In der aktuellen Studie nahmen Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig daher Messungen der Testosteron-Konzentration im Urin von 42 männlichen und 97 weiblichen Schimpansen sowie 48 männlichen und 64 weiblichen Bonobos vor und fanden heraus, dass weibliche Bonobos rund drei Jahre früher pubertieren als weibliche Schimpansen und männliche Tiere beider Arten. “Es wäre zu erwarten, dass weibliche Bonobos, deren Pubertät früher einsetzt, ihr erstes Kind auch früher bekommen als Schimpansinnen. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein”, sagt Verena Behringer, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und Erstautorin der Studie.
Im Unterschied zu den meisten Primaten verlassen die jungen Schimpansen- und Bonoboweibchen mit Eintritt der Geschlechtsreife ihre Geburtsgruppe. Dieses Abwandern ist mit hohen Kosten für sie verbunden, da sie sich in weitgehend unbekanntes Terrain vorwagen. Ohne Kenntnis der sozialen Netzwerke und ohne Unterstützung durch Verwandte müssen sie in einer neuen Gemeinschaft ihren Platz finden. Das stößt vor allem bei den Schimpansen nicht immer auf Gegenliebe, da das Futter begrenzt und jedes weitere Tier in der Gruppe ein zusätzlicher Esser ist. Die einsetzende Pubertät verleiht den Weibchen jedoch Sexappeal und motiviert die Männchen, die neuen Weibchen vor aggressivem Verhalten anderer Gruppenmitglieder zu schützen.
Bei den Bonobos sind die weiblichen Teenager schon zwei bis drei Jahre früher auf der Suche nach einer neuen Gruppe. Im Gegensatz zu den Schimpansen, werden die Bonobos in ihrer neuen Gruppe eher mit Neugier als mit Aggression empfangen. “Mögliche Vorteile, die der frühe Eintritt in die Pubertät weiblichen Bonobos bringt, sind ein größerer Aktionsradius bei der Suche nach einer neuen Gruppe sowie mehr Zeit, um soziale Erfahrungen zu sammeln und ihre Sexualität zu entwickeln. Letztere ist ein zentrales Element im Sozialverhalten der Bonobos, mit dem sie viele Konflikte lösen”, sagt Verena Behringer.
Die in dieser Studie verwendeten Urinproben wurden von Zootieren gesammelt. Der Ernährungsstatus als Grund für die zeitliche Diskrepanz der beiden Arten kann daher ausgeschlossen werden. “Es scheint, als wäre der frühere Eintritt weiblicher Bonobos in die Pubertät ein Merkmal, welches sich im Laufe der Entwicklung der beiden Schwesternarten herausgebildet hat”, sagt Verena Behringer.
Quelle: Max-PLanck-Institut für evolutionäre Anthropologie, VB, GH, SJ/HR
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