In der aktuellen Diskussion um Bioenergie wird zuweilen forsch vorgeschlagen, überschüssige Landflächen oder Restflächen verstärkt für den Anbau von Energiepflanzen zu nutzen, um dadurch die Landnutzungskonkurrenz mit der Produktion von Nahrungsmitteln abzumildern. Sind solche Vorschläge schlüssig und stehen die dazu entwickelten nationalen und globalen Konzepte auf wissenschaftlich gesicherten Fundamenten?

Mit dieser Frage haben sich elf Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen aus Europa und den USA befasst und dazu insgesamt über 170 Studien und Publikationen ausgewertet. Unter ihnen auch Forscher des UFZ Leipzig/Halle. Ihre Einschätzung: Zwar gebe es Möglichkeiten für eine effiziente Nutzung solcher Flächen, allerdings dürften dabei ökologische, ökonomische und soziale Gesichtspunkte nicht aus den Augen verloren werden.

Die Wissenschaftler führen wichtige Kriterien auf, um die Eignung und das Potenzial entsprechender Flächen bewerten zu können. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in dem Open-Access-Journal “BioRisk” veröffentlicht. Damit ist die 46-seitige Studie frei im Internet verfügbar.

Selbst Verbraucher haben in den letzten Jahren gemerkt, was passiert, wenn landwirtschaftlich nutzbare Flächen einfach zur Produktion von Biomasse umgenutzt werden.

“Teller oder Tank” ist die griffige Formulierung, mit der sich Konflikte um die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen auf den Punkt bringen lassen. Wenn auf Ackerland Energiepflanzen wie Mais, Raps oder auch Hirse angebaut werden, stehen diese Flächen nicht mehr für die Produktion von Lebens- und Futtermitteln zur Verfügung.

In dem Maße, wie die Nachfrage nach Bioenergie wächst, verschärft sich dieser Nutzungskonflikt. Davon betroffen sind auch indirekte Landnutzungsänderungen, etwa wenn agrarisch nicht genutzte Flächen unter den Pflug genommen oder Urwälder in Palmölplantagen umgewandelt werden, um dem steigenden Flächenbedarf Rechnung zu tragen.

Konzepte zur Lösung dieser Konflikte bringen unter anderem eine räumliche Trennung beider Produktionslinien ins Spiel: Auf etablierten Agrarstandorten sollen weiter Lebens- und Futtermittel produziert werden, während Energiepflanzen auf sogenannten Restflächen angebaut werden sollten. Darunter werden vor allem Flächen verstanden, die derzeit aus sozio-ökonomischen oder politischen Gründen oder aber wegen ungünstiger Standortbedingungen (Klima, Boden) nicht für Ackerbau oder Forstproduktion genutzt werden.
So bestechend dies zunächst klingen mag – in der Praxis gibt es bislang weder eine einheitliche Definition von “überschüssigen” Brachflächen (“surplus” land), noch ist klar, wie viel Landflächen mit welchen Ertragspotenzialen überhaupt verfügbar sind. In der Fachliteratur finden sich Annahmen von 250 Millionen bis 1.580 Millionen Hektar. Diese enorme Bandbreite entsteht dadurch, dass unterschiedliche Typen von Restflächen einbezogen werden, mit unterschiedlichen Potenzialen gerechnet wird und oft auch soziale Hemmnisse für die Nutzbarmachung entsprechender Flächen nur unzureichend in Betracht gezogen werden.

“Solange wir nicht wissen, wie viel Land wirklich als Restfläche zur Verfügung steht und auch für den Anbau von Energiepflanzen geeignet ist, fällt es schwer, belastbare Konzepte zu entwickeln”, sagt Dr. Jens Dauber, Biologe am Braunschweiger Thünen-Institut und Erstautor der Studie. “Zudem müssen Umwelt- und sozioökonomische Gesichtspunkte in die Flächenabschätzungen mit einbezogen werden.”

Die Autoren der Studie schlagen daher vor, den Begriff “überschüssige Flächen” klarer zu definieren und sowohl Einschränkungen und als auch Chancen für eine nachhaltige Bioenergie-Landnutzung zu berücksichtigen. Zudem müsse eine globale, hochauflösende Datenbank für die nachhaltige Nutzung von Flächen entwickelt werden, da die derzeitigen Daten zu Landnutzung, Besitzverhältnissen, Klima und Boden oft zu grob sind, um in der lokalen oder regionalen Raumplanung angewendet werden zu können.

Konkret listet die Studie eine Reihe von Kriterien auf, die bei der Potenzialabschätzung von Restflächen einbezogen werden müssen: Geringe Erträge auf Marginalstandorten, Naturschutzbelange, Förderung des indirekten Landnutzungswandels, Wasserverbrauch, Klimawirkung sowie Veränderungen im sozialen Gefüge lokaler Gemeinschaften durch Veränderungen der Arbeitsmarktstrukturen.

Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch, wie einige dieser eher hemmenden Faktoren durch einen geschickten Energiepflanzenanbau gemindert oder sogar ins Positive gekehrt werden könnten. Hier spielen die Wahl der jeweils regional geeignetsten Energiepflanzen, gekoppelt mit der geeignetsten Umwandlungstechnologie in Biomasse bzw. Bioenergie, und eine aktive Landnutzungs- und Landschaftsplanung eine entscheidende Rolle.

“Wenn die Bioenergieproduktion dauerhaft zur Energiesicherheit und zur Lösung der Probleme rund um den Klimawandel beitragen soll, dann müssen wir bestimmen, welche Anbausysteme am besten für die jeweiligen Typen von überschüssigem Land geeignet sind. Dabei müssen wir Erträge, Nährstoffeinträge und Kosten abwägen sowie mögliche ökologische und sozio-ökonomische Auswirkungen berücksichtigen”, sagt Prof. Dr. Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ), die an der Studie mitgewirkt hat.

Eine starke Nachfrage nach Bioenergie, ausgelöst durch Subventionen oder zukünftige Marktmechanismen, könnte zu wahllosen Massenanpflanzungen führen. Um solche Fehlentwicklungen zu vermeiden, ist die Politik gefordert, auf nationaler und internationaler Ebene Anreize zu schaffen, den Anbau von Bioenergie-Rohstoffen räumlich zu optimieren und Planungen auf Landschaftsebene anzuregen.

Quelle: UF / Michael Welling/ Tilo Arnhold

www.ufz.de/index.php?de=30902

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