Mit der Liebe ist es so eine Sache. Mal kommt sie auf leisen Sohlen, man weiß gar nicht, wie es passiert. Und dann auf einmal platzt sie wie ein Luftballon. Und man weiß wieder nicht, wie es passiert ist. Das passiert in Katja Winklers Geschichte Caro und Mimmo. Caro ist ein „einsames und mürrisches“ Mädchen. „Nichts machte ihr mehr Freude.“ Bis sie beim Kartoffelnkaufen auf dem Markt auf einmal den Jungen hört, der beim Händler forsch „Rong de schong parterre“ bestellt.
Und natürlich weiß der Händler nicht, was das ist. „Haben wir nicht.“ Sache erledigt. Die nächste bitte. Das ist dann Caro, die nur ein Pfund Kartoffeln will. Aber das ist der Beginn einer Geschichte, die vielleicht eine Geschichte von Liebe ist.
Oder einfach eine seltsame und schöne Freundschaft, wie man sie nur findet, wenn man sich was traut. Und vielleicht jemanden findet, der mit einem auf die Suche geht herauszufinden, was „Rong de schong parterre“ eigentlich heißt. Denn Mimmo weiß das auch nicht. Aber es klingt so toll. Nach etwas, das man unbedingt haben muss.
So ist das meistens mit der Liebe. Sie ist immer das, was man gern haben möchte, von dem man aber nicht weiß, was es wirklich ist.
Eine ganz einfache Geschichte
Es ist eine ganz einfache Geschichte, die Katja Winkler hier erzählt, die zuletzt im Leipziger Literaturverlag ihren Gedichtband „Die besten Jahre“ veröffentlichte. Und auch ihre kleine Liebesgeschichte ist eigentlich ein Stück Poesie, wie es Autorinnen und Autoren manchmal glückt, wenn sie die Unversehrtheit im Leben gefangen bekommen. Und unsere Kindheit ist voller Poesie. Weil wir damals alles, was uns geschah, noch so ganz und rund entgegennahmen, wie es war. Wir mussten ja erst lernen, alles misstrauisch zu beäugen und rechthaberisch zu werden.
Auch darum geht es in Katja Winklers Geschichte. Denn der schöne Luftballon Liebe zerplatzt am Ende. Da steht Caro im kurzen blauen Rock vor Mimmos Tür. Inzwischen wissen beide, was „Rong de schong parterre“ heißt. Aber etwas zu wissen und nicht überheblich zu werden, das ist nicht einfach. Das zeigt einem keiner. Und deshalb gibt es so viele Szenen in der Welt, in denen Erwachsene einander Dinge sagen, die man nie sagen würde, wenn man Mitleid miteinander hätte. Mimmo hat kein Mitleid. Und alles ist aus. Vielleicht. Vielleicht nicht für immer.
Denn auch wenn solche Geschichten manchmal so schmerzhaft enden, begleiten sie einen doch oft durchs Leben. Sie hätten ja vielleicht doch anders enden können. Oder man trifft sich wieder und erinnert sich daran, dass man einmal eine wichtige Sache gemeinsam erlebte. Oder der eine oder die andere erinnert sich „beim Klang einer Stimme oder eines Namens“, dass da einmal etwas war, was einem fehlt. Ein Leben lang, Manchmal merkt man’s nicht, manchmal spürt man es. Und macht sich vielleicht auf die Suche.
Gegen den Strom der Zeit
Es ist also auch eine Geschichte gegen den Strom der Zeit, gegen unsere allgegenwärtige Vereinsamung, wo wir die Liebe bei gefühllosen Algorithmen suchen und mit den Menschen um uns immer ruppiger und abweisender umgehen. In ihnen nur noch Störenfriede und Ärgermacher sehen. Und nicht vielleicht ebenso Verirrte, die eigentlich gern auf die Suche gehen würden nach dem, was ihnen abhandengekommen ist. Wüssten sie nur, wo sie suchen können. Und wie man diese riesigen Abgründe zu den anderen überwindet.
Und weil es um Liebe geht, hat die Leipziger Künstlerin Katharina Küstner lauter farbenfrohe Narragramme für dieses Buch geschaffen. Das sind mit leuchtendem Orange, Rot, Grün und Blau entwickelte Kompositionen, die auf abstrakte Weise „von der Liebe und der Suche im Leben“ erzählen. Also Bilder ungefähr, wie man sie fühlt, wenn man an die liebenswertesten Momente im Leben denkt.
Und an Menschen, die einem darin das Gefühl gegeben haben, doch gesehen zu werden. Und gemeint zu sein. Nicht diese „Haben wir nicht“-Leute, die einen immer nur wegschicken. Sondern die Caros und Mimmos, die neugierig werden, wenn ein Rätsel sich auftut. Auch wenn es nur „Rong de schong parterre“ heißt.
Katja Winkler „Eine verdammte Sache“ Leipziger Literaturverlag, Leipzig 2025, 16,95 Euro.
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