Ein Reisebuch in dem Sinn ist es nicht, auch wenn die Liebe von Michaela Fuchs zu den skandinavischen Ländern durch mehrere längere Aufenthalte dort geprägt ist und sie vor allem die Gelassenheit der Skandinavier zu schätzen gelernt hat. Aber wer sich länger in einem der hier vertretenen Länder aufhält, der lernt auch die regionale Küche kennen – und lieben. Und kann die Erinnerung mit einem kleinen Abenteuer in der Küche jederzeit wieder wachrufen.
Und so ist das Buch auch aufgebaut. Samt einer einführenden Erläuterung, was Michaela Fuchs nun ihrem Skandinavien zurechnet – und was nicht. Island, Grönland und die Faröer Inseln kommen nicht vor, denn sie haben alle nichts mit der skandinavischen Halbinsel zu tun. Dänemark zwar auch nicht und Finnland nur zum Teil. Aber wer an Skandinavien denkt, hat meistens genau diese vier Länder vor Augen: Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland.
Wozu natürlich gehört, dass sie einige Küchentraditionen aus historischen Gründen gemeinsam haben. Aber auch aus Gründen der regionalen Verfügbarkeit der Produkte. Denn skandinavische Küche ist nicht exotisch, sondern so bodenständig, wie es nur geht. Auf den Teller kommt, was man vor der Haustür geerntet und gefangen hat. Und trotzdem so, dass jedes gemeinsame Essen zu einem gemeinsamen Genuss wird.
Denn das merkt man in Dänemark schon und im höheren Norden erst recht: Geselligkeit spielt in den Ländern des Nordens eine ganz elementare Rolle – gerade, weil die Winter so lang sind und die dunkle Jahreszeit einen bedrücken kann, wenn man nicht weiß, dass beim Nachhausekommen eine fröhliche Runde um den Küchentisch sitzt.
Von Janssons Versuchung bis Brennende Liebe
Denn Essen ist vor allem Geselligkeit. Erst recht, wenn die berühmten nordischen Feste anstehen, die auch im südlicheren Europa jeder kennt – Mittsommer und Weihnachten. Wobei Weihnachten im Norden im Grunde ein Reigen von Festen ist, die – wie die „kleine Weihnacht“ in Finnland – oft schon im November beginnen. Am 13. Dezember feiern die Schweden das Lucia-Fest. In Norwegen wird der freundliche Hausgeist Tomte gewürdigt. Und während die Deutschen am 23. Dezember oft noch im Stresseinkauf sind, beginnen die Skandinavier an dem Tag schon ihre Weihachten zu feiern. Mit Familie natürlich. Das gehört dazu.
Aber natürlich besteht auch das Jahr im Norden nicht nur aus Festen. Weshalb der große Rezeptteil im Buch natürlich auch aufblättert, was es so alles – typischerweise – zum Frühstück gibt. Beim Hauptmahl wird es eh vielfältig. Da kann Michaela Fuchs zeigen, welch eindrucksvolle Suppen, Salate, Fleisch- und Geflügelgerichte ganz selbstverständlich zur nordischen Küche gehören. Ganz zu schweigen von den Fischgerichten. Denn lange, fischreiche Küsten haben alle vier Länder im Norden. In alten Zeiten haben die Wikinger mit ihrem luftgetrockneten Fisch sogar europaweit gute Geschäfte gemacht.
Und hier trifft man dann auf so verführerische Gerichte wie Janssons Versuchung, Skrei mit Béchamel-Kartoffeln oder einen Schärengarten-Heringstopf.
Die berühmten schwedischen Hackfleischbällchen stehen natürlich mit unter den Fleischgerichten – neben Elcheintopf, Rentiergeschnetzeltem und Truthahn mit Apfelsauce. Nur das Auftreiben von Elch- und Rentierfleisch dürfte in unseren Breiten eher schwierig werden. Leichter ist es da mit jenen schmackhaften Gemüsegerichen, die ein eigenes Kapitel bekommen haben. Die Erntesaison im Norden ist zwar kürzer als hierzulande. Aber umso mehr wissen es die Skandinavier zu schätzen, was da im Garten wächst und gedeiht – und dann in der Sommersuppe landet, im Rote-Beete-Eintopf oder einem magenfüllenden Gericht namens Brennende Liebe.
Nie ohne gefüllte Speisekammer
Und weil man gerade in der nassen und dunklen Jahreszeit jede Menge Kalorien braucht, ist auch die Welt des Süßen in skandinavischen Küchen reich versehen – und berühmt. Von den Zimtschnecken über den Blaubeerkuchen bis zu den Himbeertörtchen. Übrigens auch im Winter. Denn eins haben die Skandinavier in langen Jahrhunderten mit wildem Wetter gelernt: Wer lecker essen will, sorgt vor und schafft sich haltbare Lebensmittel in der Speisekammer. Auch dafür gibt es ein eigenes Kapitel für all die Zeitgenossen, die ihren Garten schätzen gelernt haben und die Ernte im Herbst haltbar machen für all die kommenden trüben Tage – und festlichen Familienfreuden.
Aber auch zu einem anderen nordischen Thema gibt es ein eigenes Kapitel: zum Brot – nicht nur zum dänischen Smørrebrød, das eigentlich mal die dänischen Arbeiter erfunden haben, um während der Arbeit wenigstens einen nicht ganz so kargen Happen zum Essen zu haben. Aber inzwischen ist das ja ein Kunstwerk geworden, an dem selbst Spitzenköche schon ihre Phantasie ausgetobt haben. Aber Brot insgesamt wird wertgeschätzt in allen vier skandinavischen Ländern und ist im Buch zum Beispiel mit Honigbrot, Knäckebrot und Weihnachtsbrot vertreten. Und da kleine Flaggen verraten, in welchem der Länder jede einzelne Spezialität zum All- und Feiertag gehört, weiß man auch immer, wo man gerade ist.
Und wenn man dort schon mal im Urlaub war, kann man die Urlaubsfotos wieder rausholen und sich erinnern an wunderschöne Landschaften und bezaubernde Menschen. Denn Menschen sind in der Regel wie ihre Küchen. Geselligkeit geht durch den Magen. Oder bleibt als atemberaubendes Gefühl in der Erinnerung.
Das man wieder anklingen lassen kann, wenn man gezielt in diesem Buch nach dem Gericht sucht, das einen mit dem Land der (Urlaubs-)Sehnsucht gerade am intensivsten verbindet – den Ofenpfannkuchen zum Beispiel, die an Finnland und Schweden erinnern. Oder den Kartoffelpuffern mit Preiselbeeren und Äpfeln. Dazu sollten die Zutaten ja schnell zu finden sein. Und dann wird’s ziemlich schnell heimelig in der Küche und ganz bestimmt träumt der eine oder die andere dabei schon vom nächsten Ausflug in den Norden, der für Viele längst zur Sehnsuchtsregion geworden ist.
Michaela Fuchs „Eine kulinarische Reise durch Skandinavien“, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2024, 22 Euro
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