Wir leben in seltsamen Zeiten, in denen auf einmal lauter Parteien zu triumphieren scheinen, denen der Klimawandel egal ist und die den Wählern einreden, dass wir mit der Zerstörung unserer Umwelt einfach so weitermachen können. Völlig rücksichtslos gegenüber künftigen Generationen, als wäre es ein politischer Spaß, vor den Augen der Kinder und Enkel die Welt zu demolieren. Wo bleiben die Omas und Opas, die da endlich für die Welt der Enkel kämpfen?

Sind sie zu feige? Oder hassen sie die Kinder tatsächlich? Oder lassen sie sich tatsächlich einreden, dass all die Erkenntnisse der Klimaforschung nur erfunden sind? Nur eine Meinung unter vielen sind? Und dass das Wetter früher auch schon so war? Haben sie kein Gedächtnis? Können sie sich nicht einmal mehr an die Fülle der Welt erinnern, als sie selbst mal Kind waren?

Das sind alles Fragen, die so aufploppen, wenn man sich durch dieses Buch von Cordula Weimann blättert, die vor fünf Jahren die Bewegung der „Omas for Future“ von Leipzig aus ins Rollen brachte. Dabei ging es im Juni 2019 mit einer einfachen Liste los, auf der sie für sich und die Teilnehmer eines Seminars zur Persönlichkeitsentwicklung einfach mal aufschrieb, was jeder Einzelne eigentlich tun kann, um den eigenen CO₂-Fußabdruck zu senken.

Lauter faule Ausreden

Denn während damals die Kinder nach Vorbild von Greta Thunberg auf die Straßen gingen und den Erwachsenen vor Augen führten, dass alle ihre verkrampften Anstrengungen zum Klimaschutz schlichtweg nicht genügten, die viel diskutierte 1,5-Grad-Grenze bei der Klimaerwärmung einzuhalten, versumpften viele Erwachsene (und tun es bis heute) in der deprimierenden Haltung, man könne ja doch nichts tun. Außerdem fiele der eigene Beitrag ja gar nicht ins Gewicht.

Die 1,5-Grad sind im Jahr 2024 gerissen, früher als erwartet. Wenn es denn je so etwas wie einen CO₂-Puffer gegeben hat, dann ist er aufgebraucht. Auch in Deutschland. Vertrödelt, vergeigt, ausgebremst.

Im Mittelteil ihres Buches geht Cordula Weimann ausführlich darauf ein, wie namhafte deutsche Politiker alles dafür getan haben, das vor 20 Jahren weltweit bewunderte EEG zahnlos und unwirksam zu machen und aus dem Klimaschutz-Weltmeister Deutschland binnen 16 Jahren ein Bremser-Land zu machen, das unter den enormen Kosten im Gefolge des Ukraine-Kriegs leidet, obwohl das Land schon vor zehn Jahren unabhängig hätte sein können von russischem Erdgas, also auch nicht mehr erpressbar.

Es gibt das Bild dieses anderen Deutschland. Technisch wäre das alles möglich gewesen. Doch stattdessen trieb eine fatale Bremserpolitik in deutschen Wirtschaftsministerien dazu, dass Unternehmen, die eben gerade mit Windkraftanlagen und Solaranlagen zu Weltmarktführern geworden waren, pleite gingen und hunderttausende Arbeitsplätze abbauen mussten.

Und das oft nur, um ein paar zehntausend Arbeitsplätze in der Kohle noch ein paar Jahre länger zu erhalten und zu subventionieren.

Die Freude am Wirksamwerden

Bleibt trotzdem die Frage: Was kann man da tun als Einzelne und Einzelner?

Cordula Weimanns Liste machte damals einige Seminarteilnehmer glücklich. Denn wenn man weiß, an welchen Stellschrauben man beim eigenen Handeln drehen kann, erlebt man wieder einen Moment der Wirksamkeit. Das wohl zentrale Thema beim Kampf gegen die mit Milliarden Euro aufgeladenen Unternehmen der fossilen Technologien, die auch jede Menge Geld ausgeben, um die Menschen zu verdummen, zu täuschen, zu belügen und ihnen vor allem einzureden, dass sie ja doch nichts tun können.

Gern im Gleichklang mit finsteren Autokratien, deren Geschäftsmodell auf Kohle, Erdgas und Erdöl basiert. Denn sie wollen noch immer fette Profite machen mit dem Dreckszeug, mit dessen Verbrennungsprodukten wir unsere Atmosphäre aufladen.

Dabei ist die Liste, die Cordula Weimann auch mit in ihr Buch aufgenommen hat, keine Zumutung. Es gibt viele kleine, ganz einfache Möglichkeiten, die eigene Umweltbelastung zu verringern. Aber das ist nicht der einzige Effekt. Darauf geht Cordula Weimann sehr gründlich ein, denn eine Frucht dieses Aktivwerdens ist auch, dass man für sein eigenes Leben neue Qualitäten gewinnt.

Ganz zentral: Unsere Ernährung und unser Bewusstsein dafür, wie wir ohne die Zumutungen einer industriellen Ernährungswirtschaft gesünder werden und die Sinne wieder schärfen für die Schönheit der Welt. Auch für ihre Gefährdung. Denn was wir als Kind noch sehen konnten, gibt es so ja auch schon nicht mehr. 75 Prozent der Insekten sind verschwunden. In Gärten und Feldern summt und brummt fast nichts mehr.

Und wo man die Hummeln noch summen hört und die Schmetterlinge noch fliegen sieht, da sieht man auch das Staunen und die Begeisterung der Kinder, denen man diese Reste von Schönheit und Vielfalt noch zeigt. Wer Kinder bei diesen faszinierenden Entdeckungen sieht, der kann eigentlich nicht zu so einem Trauerkloß werden, der dann voller Wut Parteien wählt, die einem einreden, wir müssten den ganzen fossilen Ballast behalten. Und uns weiter wie Hamster im Laufrad abstrampeln, um die Kröten dafür zu verdienen, damit wir uns den ganzen Kram auch leisten können.

Ein besseres Leben ist möglich

Es geht natürlich um Lebensqualität. Und letztlich um eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder nicht verbrennen lässt in der Jagd nach falschen Glücksbringern. Aber wie bringt man sie da hin? Man kann doch nicht im Privaten kleben bleiben? Das brachte Cordula Weimann und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter dazu, 2019 die „Omas für Future“ zu gründen. Denn wer aktiv wird, gewinnt wieder das Gefühl, wirksam zu sein. Ein unersetzliches Grundgefühl in einer Demokratie. Das auch Großeltern guttut, weil sie so genau für jene wirksam werden können, die ihnen am Herzen liegen.

Aber Cordula Weimann schildert auch, dass im Grunde erst die folgenden fünf Jahre für sie zum richtigen Lernprozess wurden. Denn dass der Klimawandel inzwischen mit voller Wucht zuschlägt und wir längst mittendrin stecken, das kann jeder selbst sehen. Das sieht man in jeder Nachrichtensendung. Und ein paar Klicks auf der Seite des Umweltbundesamtes zeigen einem, wie hoch die eigene CO₂-Last ist und wo man etwas ändern kann am eigenen Konsum und Verhalten, um die Last zu mindern.

Was man dort nicht erfährt, das ist die Antwort auf die Frage, warum es erst so weit kommen musste. Warum eine Politikergeneration nach der anderen versagte, sich vor klaren Entscheidungen drückte. Obwohl seit 1979 Weltklimakonferenzen stattfinden. Seit 50 Jahren wissen es alle Entscheider, dass wir mit dem alten entfesselten System der fossilen Energien mitten hineinrauschen in eine völlig überhitzte Erde, wie es sie im Lauf der Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben hat. Dass also umgesteuert werden muss.

Doch eine Weltklimakonferenz nach der anderen endete mit Beschlüssen, die nicht eingehalten wurden. Deutsche Regierungen beschließen Klimaschutzgesetze, die ihnen das Bundesverwaltungsgericht um die Ohren haut.

Und statt endlich die richtigen Weichen zu stellen, wüten wohlbetuchte Herren mit Biedermann-Miene über die jungen Leute von Letzte Generation, weil die den Straßenverkehr stören. Und erklären sie gleich mal zu Terroristen. Wobei Cordula Weimann an der Stelle die richtige Frage stellt: Wer ist hier eigentlich kriminell? Sind es nicht all die Konzerne, die ihre zerstörerischen Produkte (ohne einen Ausgleich für die Umweltzerstörungen) weiterhin in den Markt drücken und den Leuten einreden, diese Produkte wären klimagerecht? Es wird gelogen und betrogen auf, Teufel-komm-raus.

Es geht um unsere Lebensgrundlagen

Und dabei geht es die ganze Zeit um uns, um unser Überleben auf diesem Planeten. „Der Begriff Klimakrise ist übrigens im Grunde irreführend“, schreibt Weimann. „Wir sind in einer Krise – nicht das Klima.“

Das ist das Fatale an all den Versuchen einflussreicher Lobbyisten, die Politik daran zu hindern, jetzt die nötigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen und das Land klimaneutral zu machen. Dass dabei zerredet wird, dass wir mit dem sturen Weiter-so unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören, wird einfach weggeblendet. Denn es bleibt ja nicht bei Dürren und Überschwemmungen. Wälder verbrennen oder werden gerodet, das Artensterben ist in vollem Gang, ganze Meere verwandeln sich in Todeszonen, womit unser Fischnachschub verschwindet.

Mit den Dürren und Hitzeperioden vertrocknen auch die Böden und damit die Grundlage für die Landwirtschaft, die in ihrer aktuellen industriellen Version ebenfalls eine Katastrophe ist. Natürlich zeichnet Weimann – skizzenhaft – das ganze Ausmaß der Katastrophe, die mit dem enthemmten Wirtschaftswachstum den Lebensreichtum unseres Planeten zerstört.

Und das für einen Wohlstand, der nichts mehr mit einem wirklich erfüllten menschlichen Leben zu tun hat. Denn glücklich macht uns diese ganze Konsumschwemme nicht, die künstlich aufgepeppte Nahrung aus den Supermärkten sowieso nicht. Im Gegenteil: Auf einmal wird auch deutlich, warum ausgerechnet die wohlhabenden Nationen derart unter Zivilisationskrankheiten leiden.

Und gleichzeitig immer mehr Menschen psychisch leiden unter dieser Welt – vereinsamt, überfordert und depressiv. Denn eins geht dabei ebenfalls vor die Hunde: das Gefühl, in einer menschlichen Gemeinschaft aufgehoben und geborgen zu sein. Das Gefühl der Verbundenheit.

Dem Leben wieder einen Sinn geben

Man ahnt schon, warum viele ältere Frauen und Männer sich gerade deshalb bei „Omas for Future“ engagieren. Denn damit erleben sie auch wieder eine sinnvolle Gemeinschaft. Und sie wissen, wofür sie auf die Straße gehen, Kampagnen starten, Bäume pflanzen, mit Wissenschaftlern und Politikern reden. Es lohnt sich wieder. Und mit dem Wissen, das sich die Oma und Opas im Lauf der Jahre angeeignet haben, können sie kompetent mitreden.

Ihnen machen gekaufte Politiker kein X für ein U vor. Auch nicht auf Politikfeldern, auf denen Lobbyisten die ganze Zeit falsche Tatsachen behaupten und mit aller Macht Ängste vor der Veränderung schüren, egal, ob es um Landwirtschaft, Städtebau, Gesundheitswesen oder die Finanzmärkte geht (die gnadenlos dumme Politiker auch noch dereguliert haben). Es gibt Hebel und es gibt echte Alternativen.

Die einzigen, die wirklich Angst haben müssen, sind die Manager der fossilen Konzerne, die ihr veraltetes Geschäftsmodell nicht ändern wollen. Oder ihre Aktionäre nicht verprellen wollen, die mit dem Verheizen unserer Lebensgrundlagen auch weiterhin fette Renditen kassieren wollen.

Aber davon sollte man sich nicht einschüchtern lassen, stellt die Autorin fest. Im Gegenteil. Wer ihr Buch liest, hat eine Menge Material, sich von gekauften Politiker nicht mehr für dumm verkaufen zu lassen und Änderungen hin nicht nur zu echtem Klimaschutz zu fordern (der ja vor allem Menschenschutz ist), sondern hin zu einer menschengerechteren Welt, in der all die Dinge wieder Platz haben, die im Wachstumsdenken der entfesselten Marktwirtschaft nicht mehr vorkommen.

So etwas wie intakte Landschaften, gesunde Gewässer, saubere Luft, Lebensräume für Menschen, Hoffnungsräume für Kinder und Großeltern, die ein Recht darauf haben, eine unvergleichlich reiche Welt auch für alle zu bewahren, die nach uns kommen.

Und indem Cordula Weimann ihren eigenen Weg überhaupt erst zur Erkenntnis schildert, dass sie ein halbes Leben lang die falschen Prämissen gesetzt hat, lädt sie auch ihre Leserinnen und Leser ein, sich selbst bewusster zu werden, worum es in ihrem Leben tatsächlich geht. Und warum es eine der herrlichsten Herausforderungen ist, für eine lebenswerte Welt der Enkel zu kämpfen.

Und zwar mit anderen Menschen zusammen und mit der Begeisterung dafür, dass so eine Welt tatsächlich machbar ist. Man muss nur raus aus dem Hamsterrad und dem Gefühl, dass man ja doch nichts machen könne.

Cordula Weimann „Omas for Future“ Scorpio Verlag, München 2024, 20 Euro.

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