Gose gehört wieder zu den besonderen Spezialitäten, die man in Leipzig genießen kann. Dafür haben ein paar Männer gesorgt, die sich nicht abfinden wollten mit dem Ende des einst ruhmwürdigen Getränks, das sogar einige Leipziger Dichter feierten – holperig zwar, nicht wirklich genial. Aber auch Gose hat einen hübschen Alkoholgehalt. Und sie muss gar nicht in die Hose gehen, auch wenn einige Dichter das für den besten Spaß daran hielten – es reimt sich so schön.

Aber was sich schön reimt, ist meistens unter erheblicher Alkoholwirkung entstanden. Unheimliche Hektoliter wurden einst in Leipzigs Goseschänken und -schenken getrunken. Und die Legenden wurden eifrig fabriziert, die allerlei Berühmtheiten zu Gosetrinkern erklären wollten. Der berühmteste Fall – natürlich – Goethe. Der wanderte zwar gern nach Eutritzsch. Aber er erwähnt nirgendwo die Einkehr in eine Gosenschenke und auch die Gose selbst nicht.

Legendäre Schänken/Schenken

Bleiben also eher Leute wie der alte Dessauer, Fürst Leopold von Anhalt-Dessau, der ab 1712 auf seiner Domäne Glauzig Gose brauen ließ, jene Gose, die dann ab 1738 im damals noch nicht zu Leipzig gehörenden Eutritzsch ausgeschenkt wurde und wohl so etwas wie eine Völkerwanderung der trinkfreudigen Leipziger auslöste. Die Eutritzscher Gosenschenke wurde zu einer Legende.

Genauso wie Cajeris Gosestube am Pleißemühlgraben, die der berühmte Wirt dann 1904/1905 später nach Gohlis verlegte, wo sie in DDR-Zeiten beinah genauso vergessen worden wäre wie die vielen anderen einstigen Goseschänken in Leipzig, hätte sich der Gastronom Lothar Goldhahn nicht 1985 ein Herz gefasst und die historische Gaststätte wieder in historischer Gemütlichkeit hergerichtet, nachdem sie Jahrzehnte lang zweckentfremdet gewesen war.

Und er kümmerte sich darum, wieder richtige Gose ins Haus zu bekommen. Was in sozialistischen Planwirtschaftszeiten ein echtes Abenteuer war. In Leipzig und Umgebung braute niemand mehr Gose. Auch nicht im nahen Döllnitz, wo einst die größte und bekanntest. Gosebrauerei der Region existierte.

Und genau das ist der Grund für dieses Buch. Denn die Gosebrauerei in Döllnitz begann 1824. Nach Johann Philipp Ledermann, dem ersten Braumeister, ist dort heute eine Straße benannt. Und weil der Brauer Tilo Jähnichen 1999 erfolgreich begann, wieder richtige Döllnitzer Gose nach dem bewährten Rezept zu brauen, kann die Döllnitzer Ritterguts-Gose in diesem Jahr ihre 200-jährige Geschichte feiern.

Auch wenn die Gose selbst nicht mehr in Döllnitz gebraut wird, sondern in Reichenbrand bei Chemnitz. Über dieses Abenteuer erzählt in diesem Buch Tilo Jänichen im Gespräch mit Henner Kotte.

Fabelhafte Herkunft

Und dabei ist es nur eines von vielen Abenteuern, die mit der Gose zu tun haben. Oder wohl besser: den Gosen. Denn einst gab es je nach Herstellungsort gerade zwischen Harz und Leipzig völlig verschiedene Gosen, die nur ihren Herstellungsprozess als obergärige Biere gemeinsam hatten. Und selbst damit ist die Gose wieder eine Untersorte der veschiedenen obergärigen Biere, zu denen zum Beispiel die Berliner Weiße gehört.

Und schon bei der Namensgebung wird es fabelhaft, denn die Herkunft führt zwar nach Goslar, durch das das Flüsschen Gose fließt und wo bis weit in die Neuzeit hinein tatsächlich fleißig Gose gebraut wurde. Doch ob tatsächlich schon Kaiser Otto III. (980–1002) die Goslarer Gose getrunken hat, ist eher ungewiss.

Gewiss ist nur, dass die Gose in Goslar 1239 erstmals urkundlich erwähnt wurde und 1375 das erste Reinheitsgebot für die Gose erlassen wurde, 141 Jahre vor dem bayerischen Reinheitsgebot für Bier. Alles Daten, die Frank Heinrich für dieses Buch zusammengetragen hat, das damit eben nicht nur die 200 Jahre der Geschichte der Döllnitzer Ritterguts-Gose erzählt, sondern andeutungsweise rund 1.000 Jahre, konkreter aber noch die Leipziger Gosengeschichte.

Denn aus dem Jahr 1598 datiert die Erwähnung des ersten Gose-Ausschanks in Leipzig. Und die wesentlichen Beiträge im Buch stammen aus der Feder von Leipziger Engagierten, die sich um den Ruhm bzw. die Wiederkehr der Gose verdient gemacht haben – so wie Gunter Böhnke und Heinz-Jürgen Böhme, die 1983 in den „Leipziger Blättern“ an Cajeri’s Gosenstube erinnerten und damit Lothar Goldhahn auf Gedanken brachten …

Und natürlich Leute wie Frank Heinrich ermunterten, sich fortan intensiv mit der Geschichte der Leipziger Gose zu beschäftigen. Er hat die vielen Bilder beigesteuert, die zeigen, welche Freude die Gose den Leipzigern besonders im 19. Jahrhundert bereitete.

Zeitschriftenbeiträge aus dieser Zeit lassen die damalige Begeisterung der Leipziger für „ihre“ Gose lebendig werden – samt der sehr ausgelassenen Trinkkultur drumherum und der praktischen Zubereitung der Gose, die in große Bottichen in den Kellern der Gastwirtschaften nachreifte, bevor sie auf die typischen langhalsigen Flaschen aufgezogen wurde.

Was den Wirten natürlich eine große Verantwortung im Umgang mit dem Getränk auferlegte, die einige Wirte – auch das wird erwähnt – tatsächlich dazu nutzten, die Gose zu verwässern.

Wie teuer darf das Bier sein?

Und da kommt dann Henner Kotte ins Spiel, der als Kenner der Leipziger Kriminalgeschichte auch weiß, wo die Akten zu den Gose-Gerichtsfällen zu finden sind. Wobei dabei auch deutlich wird, dass es dabei nicht nur um die Gier des Wirtes geht, sondern auch um den Preis der Gose, die damals jedenfalls noch ein Getränk auch der einfachen Leute war und nicht nur des trinkseligen Bürgertums.

Wer im abendlichen Kneipenbesuch sein einziges Vergnügen nach einem harten Arbeitstag sieht, der muss auf seine Pfennige schauen. Dass genau dieser Kneipenbesuch für viele heutige Malocher nicht mehr drin ist, ist eine Geschichte, die man dabei nicht unbedingt mehr mitdenkt. Aber vielleicht mitdenken sollte.

Das Bierchen oder die Gose in der Gaststätte oder bei Ausflug am Wochenende im Biergarten muss man sich leisten können. Und wenn man es sich leisten kann, dann achtet man auch auf die Feinheiten, die im Buch allesamt erklärt werden, auch wenn die Gose heute nicht mehr in Fässern ausgeliefert wird, sondern in bunt etikettierten Flaschen.

Die berühmte Ritterguts-Gose noch immer mit jenem Leipziger Schneider auf dem Etikett, der sich einst rühmte, nach über 50 Jahren Gose-Genuss noch immer fit und gesund gewesen zu sein. Daher kommen dann auch die ganzen flapsigen Sprüche, wie einer im Titel angedeutet wird.

Sprüche, über die sich Zeitgenossen wie Hans Reimann dann doch wieder lustig gemacht haben. Denn natürlich war der einstige Gose-Kult auch eine einzige Übertreibung. Denn so viele Flaschen, wie da gerade in den berühmten Gosenschenken geleert wurden, kann es mit dem In-die-Hose-Gehen nicht wirklich so arg gewesen sein. Und ist es heute erst recht nicht, wo sich Brauer wie Tilo Jänichen immer neue Kreationen einfallen lassen, die aus der einen wiederentdeckten Ritterguts-Gose viele mögliche Gose-Abenteuer machen. Bis hin zum extra für den amerikanischen Markt entwickelten „Bärentöter“.

Auf der Getränkekarte der Gaststätten, wo es Gose gibt, findet man dafür eher den berühmten „Regenschirm“, den „Sonnenschirm“ und in der Gosenschenke „Ohne Bedenken“ auch die hausgebraute Edelgose.

Wer das Buch in Händen hält, erfährt im Grunde alles, was man zur großen Wiederkehr der Gose in Leipzig wissen kann, lernt ein paar Leute kennen, die sich darum verdient gemacht haben, das Getränk wieder auf die Tische zu bringen, und lernt auch den kleinen Stolz der Döllnitzer kennen, dass sie mal das berühmteste Gose-Dorf der Welt waren.

Henner Kotte (Hg.) „Die Gose schmeckt frühmorgens gut, ist abends keine Plage …“ Mitteldeutscher Verlag, Halle 2024, 24 Euro.

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