Björn Vedder ist Philosoph. So ein lebenspraktischer Philosoph wie einst Platon, Epikur oder Aristoteles. Leute, die sich einst ernsthaft Gedanken darüber gemacht haben, wie man ein gutes Leben führt. Und ein richtiges. Und wie das Gute eigentlich aussieht und wie man es zum Maßstab des eigenen Handelns machen kann. Wer die alten Knaben liest, merkt: Da wird es kompliziert und streitbar. Aber erstaunlicherweise lernt man bei ihnen auch etwas über das Vatersein.

Denn zumindest von Aristoteles weiß man, dass er nicht nur der Sohn eines Vaters war, sondern auch der hochbetagte Vater eines Sohnes, den er nach seinem Vater Nikomachos nannte. Und weil er fürchtete, den Knaben nicht bis zum Erwachsensein erziehen zu können, schrieb er die bis heute berühmte „Nikomachische Ethik“, ein Buch, das wie kaum ein zweites das Verständnis der Antike vom richtigen Verhalten als Vater und Hausherr spiegelt.

Und an dem sich auch Vedder reibt, der selbst Vater zweier Töchter ist und mit wachem Sensorium sehr wohl bemerkt, dass viele Männer sich heute in einer veritablen psychologischen Krise befinden. Nicht nur Väter. Aber gerade die überkommene Vaterrolle funktioniert nicht mehr.

Aus vielen Gründen. Auf die wesentlichen geht Björn Vedder ein, dem sehr wohl bewusst ist, wie sehr das heutige Elternbild mit der kapitalistischen Arbeitsteilung verbunden ist. Frauen kümmern sich danach um Haushalt und Kinder, Männer schaffen das Geld ran, sind aber ansonsten in der Familie das Oberhaupt, der „Bestimmer“, wie mein Opa so gern mit Augenzwinkern sagte, auch wenn er gerade diese Rolle überhaupt nicht ausfüllen wollte, weil er genau wusste, dass er eine selbstbewusste Frau hatte und selbstbewusste Kinder, die einen alten Patriarchen, der sagte, wo der Hammer hängt, gar nicht brauchten.

Diese Rolle aber haben viele Männer noch immer im Kopf. Sie stammt aus alten feudalen Zeiten, in denen Frauen dem Ehemann nicht nur untergeordnet waren, sondern geradezu als Besitzstand gehörten. Vor dem Gesetz waren sie unmündig. Väter rutschten zwangsläufig – wie es auch Rousseau dann in der Aufklärung definierte (und Kant ein wenig später ganz ähnlich) in die Rolle des Vertreters des Königs, wurden also zum Mittler des Gesetzes in die Familie hinein und damit zum Vollstrecker des Gesetzes.

Eine zwiespältige Rolle

Eine zwiespältige Rolle, die Männer nicht nur dazu zwingt, auf ihre Gefühle zu verzichten und in eine Lehrer- und Züchtigungsinstanz ihren Kindern gegenüber zu rutschen. Sie verbaute ihnen auch alle Wege, mit ihrer Familie ein gutes und ausgefülltes Leben zu leben.

Ein Rollenbild, das sich auch in der neuen bürgerlichen Gesellschaft verfestigte. Vedder kann dazu Schriftsteller zitieren, deren Bücher bis heute atemlos und beklommen machen, weil man diese Strenge und Unerbittlichkeit heute endlich spüren kann. Fontane und Balzac gehören dazu. Wobei Balzac derjenige war, der deutlich gemacht hat, wie sehr das Besitzstandsdenken der neuen Zeit bis in die Familie hinein funktionierte und die Beziehungen von Eltern zu Kindern brachial ökonomisierte.

Bis hin zur fast völligen Entfernung der Väter aus den Familien. Denn Väter, die ihre ganze Zeit dazu verwenden müssen, das Geld zum Unterhalt der Familie ranzuschaffen, sind nicht da. Sind auch nach Feierabend eigentlich nicht präsent.

Sie erleben das Aufwachsen der Kinder nicht mit und entwickeln auch keine engen emotionalen Beziehungen zum Kind. Den Grund dafür macht Vedder an einer Schlüsselszene fest, dem Moment nach der Geburt seiner ersten Tochter, als die mit einem lauten Schrei auf sich aufmerksam machte und auf ihr Bedürfnis, von der Mutter in die Hände genommen und versorgt zu werden.

Sprachunfähige Väter, radikalisierte Männer

Es ist eigentlich ganz simpel. Aber wer mit all den verschlossenen und zu Emotionen unfähigen Vätern der Kriegs- und Nachkriegsgeneration zu tun hatte, weiß, was ihnen fehlte: Sie hatten ihr Sensorium, ihre ganze Fähigkeit, auf die Ansprache ihrer Kinder unverstellt und spontan zu reagieren, eingebüßt. Auf die Erziehung in der Hitler-Zeit, wo Männern die Unterdrückung des (Mit-)Gefühls regelrecht eingebläut wurde, geht Vedder nicht extra ein.

Aber man merkt, dass er alle wichtigen Bücher und Studien dazu gelesen hat. Sein Buch ist auch eine Auseinandersetzung mit diesen Büchern und ihren Verfassern, die im bundesdeutschen Diskurs immer wieder zu verschwinden scheinen, weil sogenannte bürgerliche Parteien wieder uralte Familien- und Männerbilder propagieren, die eindeutig nicht mehr funktionieren und Männer nicht nur in seelische Nöte bringen, sondern auch radikalisieren.

Denn Männer, die nicht gelernt haben, ihre Gefühle zu zeigen und auf die emotionale Ansprache anderer Menschen (auch von Frauen und Kindern) ehrlich zu reagieren, vereinsamen, werden zu einsamen Wölfen. Und wenn sie dann gar noch mit Bildern vom starken Mann angefixt werden, der keine Schwächen zeigen darf, ist der Weg in die Radikalisierung eigentlich vorgezeichnet.

Dann entsteht im Kopf eine ausweglose Situation, denn den Wunsch, Nähe zu anderen (und scheinbar schwächeren) Menschen zu finden und dabei die Fülle des Lebens zu erfahren, kann Mann sich nur erfüllen, wenn er seinen Panzer aus kriegerischem Durchsetzungswillen und Konkurrenzdenken durchbricht.

Die Worte wählt auch Vedder nicht ganz zufällig. Denn das sind die Eigenschaften, die die vom entfesselten Konkurrenzkampf geprägte kapitalistische Epoche von ihren Arbeitskräften verlangt und die sie belohnt. Nichts anderes.

Deswegen stellen Unternehmen kaum einmal wirklich familiengerechte Arbeitsbedingungen her. Und wo sie existieren, entlassen sie die Verschonten nicht aus der Not, denn dann reicht das Salär meist nicht, um eine Familie zu ernähren, müssen auch die Frauen mitverdienen und – damit sie beruflich Erfolg haben – sich scheinbar männliche Eigenschaften zulegen: Durchsetzungswillen, Ellenbogen, Fixierung auf Karriere. Und auch sie haben dann noch weniger Zeit für die Kinder.

Patriarchen aus seelischer Not

Eigentlich logisch, wenn Männer, die sich auf der Karriereleiter dann hochgeboxt haben, zu Hause versuchen, in eine Rolle zu schlüpfen, die ihnen die ganze Plackerei und Unsicherheit mit den Kindern erspart. Sie werden wieder zu Patriarchen, zu Vätern, die „mit harter Hand“ das Gesetz (Ordnung und Sicherheit) durchsetzen und für die Kinder nicht nur zu einer Respektsperson werden, sondern zu einem Fremden, der willkürliche Macht über sie ausübt.

Denn er kommuniziert nicht wirklich mit ihnen. Beziehungsweise: Er kommuniziert falsch, auch wenn er aus seiner Sicht (und derer, die das alte Familienbild wieder befürworten) richtig kommuniziert.

Den Erfolg kann man überall besichtigen: Entweder brechen sie ihre Kinder damit. Oder sie bringen sie dazu, schnellstmöglich aus- und wegzuziehen. Die Zersplitterung unserer Gesellschaft hat genau damit zu tun. Und die frustrierte Verzweiflung der Alleingelassenen im Osten ebenso. Auch wenn Vedder im gesegneten Herrsching am Ammersee lebt. Aber die Phänomene erlebt er auch dort und auch im Freundeskreis.

Und auch diese Gespräche mit Freunden haben ihn dazu veranlasst, etwas ernsthafter nachzudenken über die Rolle, die Väter heute in ihrer Familie tatsächlich spielen können. Und wohl auch sollten. Dazu aber gehört jene ruhige Aufmerksamkeit, mit der einst auch Aristoteles auf seine Rolle als Vater schaute. Und die ist letztlich undenkbar, wenn der Mann nicht (mehr) spürt, dass er nicht bestimmt, welche Rolle er in der Familie spielt.

Wie meistert man die Unsicherheit der Welt?

Das mag Männer, die eh schon an ihrer Kraft, die verlangten Rollen auszufüllen, zweifeln, in elementare Nöte bringen. Aber es ist gar kein Grund zum Verzweifeln. Es ist nur die Einsicht, dass die Rollenbilder in jeder Familie (die damit auch zur Bühne wird) immer durch die anderen Mitspieler/-innen bestimmt wird. Erst die Tochter macht den Mann zu ihrem Vater (und die zweite Tochter zu ihrem, also einem durchaus anders wahrgenommenen Vater).

Dasselbe passiert der Mutter, aber auch den Kindern. Menschen werden in Rollen hineingeboren, die sie nicht selbst bestimmen können, genauso wenig, wie sie die Sicht der anderen auf ihr Vater-, Mutter-, Tochtersein bestimmen können. Denn diese Sicht entsteht – so wie in Vedders Schlüsselszene – im Dialog. Kinder äußern ihre Bedürfnisse und Ansprüche.

Und die Rollen von Vater und Mutter entwickeln sich, indem sie auf die Ansprache der Kinder reagieren. Aktiv oder passiv. Nicht-Kommunizieren gibt es nicht. Das ist wohl eine der wichtigsten Erkenntnisse der Psychologie im 20. Jahrhundert. Das heißt: Auch der Vater entsteht erst in diesem Kommunizieren mit den Kindern.

Und die Erkenntnis seit Freud, Mitscherlich, Theweleit und wie sie alle hießen, ist nun einmal: die patriarchalische Rolle des Mannes in der Familie zerstört diese Kommunikation, macht Kinder oft zu genau denselben seelischen Krüppeln wie die harten Krieger in der Vaterrolle. Die sie eben nicht ausfüllen. Was sie auch merken.

Denn dass unsere Gesellschaft so von Gier, Konsum und Ersatzbefriedigung erfüllt ist, hat natürlich damit zu tun, dass Millionen Menschen in einer emotionalen Leere leben, weil sie nicht gelernt haben, sich anderen Menschen zu nähern, Vertrauen und Nähe aufzubauen.

Das heißt: Der Kapitalismus schafft nicht nur die seelischen Konkurrenzkrüppel, die unfähig sind, sich in der Familie ein erfülltes Leben aufzubauen (und die Kinder emotional verhungern lassen), er schafft auch gleich noch die Mittel, die versprechen, die nicht erfüllten Bedürfnisse nach Intensität und Lebendigkeit zu befriedigen. Was aber nicht funktioniert. Jeder weiß das, der sein Leben lang verzweifelt versucht, sich das Glück zu kaufen oder gar die Intensität des Lebendigseins.

Welche Rolle aber spielt dann der Vater, wenn er nicht zum strengen Richter werden will, „dem das Herz im Leibe kracht“, weil er selbst da unbarmherzig strafen muss, wo es ihm im Herzen wehtut?

Das Leben als endlich denken lernen

Vedder versucht es in einem Dualismus des mütterlichen und des väterlichen Prinzips zu schildern, der frühen Verbundenheit der Kinder mit der Mutter, die zeitweise regelrecht symbiotisch ist und eigentlich auch nie endet, weil Kinder und Mütter ein Leben lang das tiefe Bedürfnis haben, füreinander da zu sein. Aber wo bleibt da der Vater? Hat er eine Rolle? – Ja, sagt Vedder: Er ist derjenige, der den Kindern vorlebt, wie man den schützenden Kokon der symbiotischen (Klein-)Familie verlassen kann, wie man lernt, sich auf eigenen Füßen hinaus in das Chaos zu wagen.

Denn wer ehrlich mit sich ist, weiß, dass da draußen das Chaos lauert, haufenweise Erwartungen, Ansprüche, Regeln und Komplikationen. Und vor allem eine Kette von Zuständen, in denen man auf dünnem Eis läuft und nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt.

Auch das ein Bild, das uns unsere aufgeblasene Werbeindustrie versucht auszureden, indem sie uns lauter teure Krücken anbietet, mit denen sie verspricht, dass damit die Unsicherheit aus unserem Leben verschwindet – von allerlei Medikamenten bis hin zu teuren Versicherungspolicen. Der Bewohner der Gegenwart ist im marketingtechnischen Idealfall ein Feigling, der sich zutiefst vor dem Leben und all seinen Risiken fürchtet.

Am meisten vor dem Tod und der Endlichkeit. Und deshalb füllen so viele Menschen ihr Leben mit lauter unersättlichen Wünschen an und befeuern eine Wirtschaftsform, die unsere Lebensgrundlagen auf diesem Planeten vernichtet.

Und deshalb haben genau diese Menschen auch so eine panische Angst vor dem Verzicht, auch nur vor dem Gedanken, sie müssten ihr Leben ändern und ihren Ressourcenverbrauch auch nur ein bisschen reduzieren.

Wenn die Angst vor dem Leben zu Politik wird

Das ist dann schon Kapitel 9, in dem Björn Vedder einen kleinen Ausblick gibt, welche Folgen die Entfremdung der Männer (und Frauen) von ihrem eigenen guten Leben tatsächlich hat. Sie verlieren ja nicht nur die intensivsten Erlebnisse mit ihren Kindern, wachsen nicht mal mehr hinein in die Rolle eines ganz mitfühlenden Vaters.

Um sich und anderen irgendwie zu beweisen, dass sie doch noch irgendwie ein intensives Leben führen, stürzen sie sich in die „social media“, breiten ihr ganzes Familien-, Erfolgs-und Reiseleben dort aus, posten Millionen Fotos ihrer „glücklichen“ Kinder und merken nicht einmal mehr, wie sie mit diesem zur Schau gestellten Leben eigentlich immer wieder verkünden, dass sie ihrem eigenen Leben tatsächlich nur noch in Distanz gegenüberstehen. Denn wer mit seiner Familie wirklich glücklich und intensiv lebt, der postet solche Bilder nicht im Netz. Der braucht die Däumchen, Smileys und Kommentare anderer Leute nicht.

Auch nicht als stolzer Vater. Was sowieso eine dämliche Formel ist. Man muss nicht stolz sein auf seine Vaterrolle. Auch das ist schon ein Außer-der-Rolle-Stehen, ein distanziertes Gefühl, das schlicht besagt, dass es einer nicht geschafft hat, wirklich in die Rolle als Vater zu finden und in die intensive Kommunikation mit den eigenen Kindern, ihren Ansprüchen, Kümmernissen und Unsicherheiten.

Und damit auch der eigenen Unsicherheit. Denn Männer, die behaupten, alles im Griff zu haben und keine Angst vor dem Chaos der Welt zu haben, die lügen. Die Aufmerksamen wissen, dass jeder Schritt in die Welt ein unsicherer Schritt „auf dünnem Eis“ ist. Denn die Zukunft ist uns allen unbekannt. Wir wissen alle nicht, was am Ende sein wird, wenn wir einen Schritt ins Unbekannte gegangen sind.

Väter, wie sie Vedder versteht, wissen das aber. Das ist ihre Lebenserfahrung, die sie den Kindern voraus haben. Und deshalb sind sie es, die die Kinder darauf vorbereiten, das Leben als große Herausforderung anzunehmen, in dem nichts vorgezeichnet ist und jeder Schritt neue Möglichkeiten eröffnet, ohne dass man weiß, was am Ende des Weges sein wird.

Außer der Tod irgendwann, den Vedder unbedingt zurückholen möchte ins philosophische Denken. Denn Menschen, die sich ihrer Endlichkeit bewusst werden, hören auf, unersättlich zu sein und immer mehr haben zu wollen und sich von unendlich vielen Wünschen irre und depressiv machen zu lassen.

Die fühlen ja regelrecht, dass man in einem endlichen Leben nur eine begrenzte Zahl von Wünschen erfüllen kann. Und weil es so endlich ist, zwingt einen das dazu, sich auf das wirklich Wichtige zu besinnen, das, was einem wirklich im Innersten auf der Seele brennt. Das ist der Punkt, an dem Vedder seine Leser/-innen mitnimmt in das Nachdenken über das gute Leben.

Der Reichtum liegt in der Beschränkung

Ein Leben, das nun einmal wenig mit einem Leben in Saus und Braus und unersättlichen Wünschen zu tun hat. Es ist ein Leben, in dem die intensiven emotionalen Beziehungen mit Menschen viel wichtiger werden. Und in dem Männer auch ihre eigenen Unsicherheiten zugeben und ausleben dürfen. Angefangen mit dem Eingeständnis, dass sie keine Macht haben über die Welt und das Leben. Was sie haben, ist die Erfahrung im Umgang mit den Unsicherheiten und den Schritten ins Unbekannte, vor denen alle Menschen Angst haben. Und Kinder natürlich auch.

Und irgendwann ist keine Mama mehr an ihrer Seite, die sie vor dem Hinfallen bewahrt, und kein Papa, der den mutigen Weltentdecker vor Unheil beschützt. Irgendwann müssen die Kinder so viel Zuversicht gelernt haben, dass sie allein die ersten Schritte wagen. Und vor allem: Auch mit Fehlern und Misserfolgen umgehen können.

Auch das ist etwas, was Väter ihren Kindern beibringen können. Und sollten. Genauso wie die innere Ermutigung, Herausforderungen anzunehmen, weil sie selbst gelernt haben, dass der Mensch an seinen Herausforderungen wächst (was Vedder sehr schön an einer Radfahrt mit seiner Tochter auf einen anstrengenden Berg hinauf schildert).

Es wird bei Vedder logischerweise stellenweise philosophischer. Und eigentlich schildert er auch nicht die Väter der Zukunft, denn diese Emanzipation als Vater haben schon heute viele Männer auf sich genommen. Auch wenn es parallel den Rückschlag gibt, all die feigen Männer, die in die alten patriarchalen Vatervorstellungen zurückschlüpfen möchten, weil sie in diesem Korsett aus Macht und Gnadenlosigkeit hoffen, einigermaßen sicher zu sein.

Mit all den fatalen gesellschaftlichen Folgen bis hin zum offensiv gewordenen Rechtsextremismus, der im Grunde von nichts anderem erzählt als der heillosen Angst vieler Männer vor einem selbstbestimmten Leben.

Und auch Vedder kennt mit diesen Typen eigentlich kein Pardon: „Väter, die sich an Recht und Ordnung halten, sind Angsthasen“.

Sie haben vor allem Möglichen Angst – vor (ihren) Frauen, vor (aufmüpfigen) Kindern, vor anderen Männern und vor dem Eingeständnis, dass das Leben voller Unsicherheiten ist und alles sich ständig verändert. Sie möchten, dass alles immer so bleibt, wie es war und dass niemand ihre Rolle hinterfragt, die sie mit aller Kraft versuchen, aufrechtzuerhalten. Deshalb reagieren sie auch so aggressiv, wenn diese Rolle und das starre Muster ihrer Welt-und Familienvorstellungen infrage gestellt wird.

Da mache ich einen Punkt, weil Vedder zu diesem großen gesellschaftlichen Bogen nicht ausholt. Aber er liegt auf der Hand, wenn man mit ihm so intensiv über Männerbilder und Vaterrollen nachgedacht hat, die sich natürlich im großen gesellschaftlichen Ganzen duplizieren, wo wir immer wieder mit (falschen) Männerbildern, verlogenen Vaterrollen und patriarchalischen Familienvorstellungen konfrontiert werden.

Und mit der mit Händen zu greifenden Angst der von Ordnung und Sicherheit Besessenen, die damit natürlich Politik machen. Und was für eine. Eine fürchterliche. Denn es hat Folgen, wenn sich Männer Empathie und Unsicherheit nicht eingestehen wollen, wenn sie ihre Angst mit Härte und Unerbittlichkeit zu kompensieren versuchen.

So betrachtet, analysiert Björn Vedder hier den wundesten Punkt unserer heutigen Zeit, den, wo es richtig wehtut. Und wo Männer schon seit 50 Jahren in der Abwehrschlacht sind, weil sie wahrscheinlich ahnen, dass es hier um ihre tiefsten Gefühle geht.

Björn Vedder Väter der Zukunft, Büchner Verlag, Marburg, 16 Euro.

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