Natürlich fragt D’Antonio in seinem detailreichen Buch nach, ob Donald Trump denn nun nachdenkt, wenn er spricht. Mehrfach ist er schon mit wehenden Haaren in Skandale hineingeschlittert, weil er vor der Kamera oder im Internet herumgepöbelt hat, Frauen und Minderheiten beleidigt hat, Vorschläge gemacht hat, die das Land in eine von Mauern abgeschottete Diktatur machen würden, wenn diese Art Gängelei tatsächlich Politik werden würde.

Immer wieder wurde Donald Trump der Vorwurf des Rassismus und der Frauenfeindlichkeit gemacht.

Wer ihn aber erlebt, so D’Antonio, begegnet einem Menschen, der durchaus fähig ist, seine Gesprächspartner zu umgarnen. Teilweise mit richtig alten Tricks aus der Verkäuferpraxis, die heute immer noch funktionieren, weil sie so simpel sind. Und wahrscheinlich funktionieren sie auch in Trumps Geschäftsleben, das D’Antonio sehr detailliert schildert und aufarbeitet, von den ganz frühen Tagen, als Sohnemann in Vaters Firma einstieg, der in New York zu einem nicht ganz unwichtigen Immobilienentwickler geworden ist. Dabei tauchen auch die ersten Begegnungen von Vater und Sohn mit der New Yorker Polit-Prominenz auf und einige der frühen Korruptions-Skandale, in die sie verwickelt waren. Der Geschäftsmann Trump mit seinen zum Teil sehr trickreichen Geschäftspraktiken wird sichtbar samt seiner Kunst, immer reicher zu werden und immer mehr Besitz anzuhäufen, während einige seiner Unternehmungen krachend bankrott gingen.

Nur hat es den von sich selbst so Überzeugten nie aus dem Rennen geworfen, denn in der Regel waren seine Geldgeber so tief involviert, dass sie selber mehr Interesse an einer einvernehmlichen Regelung hatten als der Schuldner. Da ist man dann – auch wenn sich der Autor bei einigen Themen sehr akribisch durch die depressiven 1980er und die durchwachsenen 1990er Jahre arbeitet, in denen Trump zu jenen Supereichen gehörte, die ihr Vermögen immer weiter mehrten – schnell in den Zeiten der Finanzkrise. Und auch da gehörte Trump wieder zu jenen, die den Reibach machten, während die Ersparnisse und Besitztümer der Kleinverdiener sich in Luft auflösten. Da wird ziemlich deutlich, mit welcher Kaltschnäuzigkeit dieser Immobilienkönig aus New York agierte und wie er selbst über regionale Befindlichkeiten – wie bei einem Golfplatzprojekt in Schottland – wie ein Panzer hinrollte, rücksichtslos und mit genau denselben Methoden, die man sonst wirklich nur den finstersten Geschäftemachern zutraut. Doch das ist dem Bulldozer aus New York ziemlich schnuppe.

Denn im Zentrum seiner Welt steht sichtlich nur einer: Er, Donald Trump. Und natürlich sein Gewinn. Und das Bild, das er von sich haben will.

Möglich, dass ihm das jetzt im Präsidentenwahlkampf richtig auf die Füße fällt. Der übrigens nicht sein erster ist, denn schon zwei Mal hat er Vorwahlen genutzt, um sich als möglicher Kandidat ins Gespräch zu bringen, auch wenn er vor allem in den Ring gestiegen ist, um wieder mal für sich, die Marke Trump und eines seiner Bücher zu werben, von denen er schon einige geschrieben hat. Marke: Ratgeber „Wie werde ich stinkreich?“.

Und natürlich untersucht D’Antonio auch, warum dieser Trump scheinbar so beliebt ist. Und er hat dabei nicht nur Trumps Selbstauskünfte genutzt und die Regalmeter von Büchern, die Trump selbst (mit Co-Autoren) geschrieben hat, und die Bücher, die andere über ihn geschrieben haben, sondern auch ein ganzes Meer von Medienberichten, die in den vergangenen 40 Jahren über diesen Haudrauf, seine Geschäfte, Skandale, Frauen, Scheidungen und Entgleisungen geschrieben wurden. Logisch, dass er da mit einigen Journalistenkollegen ins Gespräch kam, die Trump aus seiner Gegenwart für immer und ewig verbannt hat, weil sie seine Legenden und Übertreibungen infrage gestellt haben.

Man bekommt also ein in allen 15 Kapiteln reich mit Quellen und Zitaten gespicktes Buch, das tiefe Einblicke gibt in Trumps Geschäftsgebaren, aber auch in seinen allgegenwärtigen Narzissmus, der ihn im Grunde zum Prototyp der Reagan-Ära gemacht hat. Wenn man den Typus Geschäftsmann inszenieren wollte, der unter den Reagonomics Karriere gemacht hat und auch die letzte Scham verloren hat, mit seinem Reichtum zu prahlen und zu protzen, dann würde man genau so einen Burschen zeigen: ein echter Kumpeltyp im persönlichen Umgang, solange man ihn hofiert und rücksichtslos, rabiat und beleidigend, wenn man ihm in die Quere kommt.

Und man versteht, warum irgendwann so ein Bursche zwingend auch in der Politik ganz nach oben gespült werden musste, wenn eine ganze Nation medial derart dem Narzissmus frönt. Im TV genauso wie mittlerweile noch viel forcierter im Internet.

Indem die auf Quote versessenen Medien den Narzissmus ihrer Zuschauer pflegten und hypten, hat das zwangsläufig mit der Zeit auch den Umgang der Medien mit Wirtschaft und Politik verändert, hat aus beidem einen Matsch aus bunter Unterhaltung gemacht, in dem natürlich die Typen die größten Erfolge feiern, die den Leuten die dollsten Märchen erzählen und die simpelsten Verheißungen machen. Die – wie Trump – reden, wie es ihnen gerade einfällt (oder von Nutzen ist), egal, wie viele Vorurteile, Bosheiten und Märchen dabei mitschwimmen.

Was übrigens der Grund dafür ist, warum zuerst in den USA diese allgemeine Verachtung für „Political Correctness“ heranwuchs und seitdem auch nach Europa herüberschwappte: Wer die wichtigen politischen Spielregeln nicht mehr respektiert, der verkauft seine Rücksichtslosigkeit natürlich als so etwas wie „Wahrheit“. Nicht ohne Grund heißt das Buch ja „Die Wahrheit über Donald Trump“ – zumindest in der deutschen Ausgabe, in der amerikanischen steht Trumps Gier im Mittelpunkt: „Never enough“. Ein Typ wie Trump, der mit soviel Brachialgewalt amerikanischer Präsident werden will, der müsste sich eigentlich an Maßstäben der Wahrhaftigkeit messen lassen. Doch da gibt selbst D’Antonio auf – das wäre eine Herkulesarbeit, jede einzelne Aussage Trumps müsste man dabei gesondert prüfen, denn mit Fakten und nachprüfbaren Aussagen hält er sich nicht lange auf. Da übertreibt er lieber, malt überzogene Bilder, wiederholt Mutmaßungen und Legenden, die er irgendwo aufgeschnappt hat.

Und zumindest wird eines klar am Ende dieses Buches: Dass es diesem Mann, der wie eine Dampfwalze agiert, nur um sich selbst geht – sein Ego, seinen Triumph. Und: dass er vor allem deshalb so leichtes Spiel zu haben scheint, weil er es im Polit-Betrieb meist mit ganz ähnlich narzisstischen Typen zu tun hat, Personen, die sich mit aller Macht die Anerkennung der Öffentlichkeit erkämpfen wollen, weil ihnen etwas Wesentliches fehlt oder zu fehlen scheint im Leben. Gerade das medial inszenierte politische Geschäft zieht die Narzissten an wie Motten vom Licht angezogen werden. Nur hat bislang keiner derart unverfroren sein eigenes Ego als einzig gültigen Maßstab gesetzt und mit derart viel Erfahrung im Umgang mit sensationsgeilen Medien agiert wie Donald Trump aus New York.

Man ahnt, dass eigentlich nicht dieser Mann mit der auffälligen Frisur die Gefahr ist, sondern ein Medienzirkus, der vor allem Narzissten und Egoisten zu Popularität verhilft – und damit zu der Aufmerksamkeit, aus der sie Geld und Ruhm schlagen können. Selten hat einer so deutlich gemacht, dass der von Ronald Reagan und Consorten entfesselte Neoliberalismus die westliche Demokratie nicht nur wirtschaftlich zerfressen hat, sondern auch moralisch.

Natürlich ist es möglich, dass Trump den Mund wieder mal zu voll genommen hat. Das wird man sehen. Aber das wird erst einmal nichts daran ändern, dass die westliche Welt zwei gewaltige Probleme herangezüchtet hat: einen Medien-Mainstream, der seine Moral für billige Werbegelder über Bord geschmissen hat, und eine Politik, die sich dem Medienzirkus so sehr angedient hat, dass ernstzunehmende Politiker, die keine Selbstdarsteller sind, kaum noch eine Chance haben, irgendwo auf einen aussichtsreichen Listenplatz zu kommen.

Michael D’Antonio Die Wahrheit über Donald Trump, Econ Verlag, Berlin, 2016, 24 Euro.

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Ich sags ja immer, die meisten können Realität und Fiktion nicht mehr auseinanderhalten. Eigentlich ist so einer wie Trump wirklich nur der satirische Spiegel unserer Gesellschaft. Erschreckend.

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