Im vergangenen Jahr legte Regina Röhner ihr erstes Büchlein vor, mit dem sie für die Wiederentdeckung alter Gemüsesorten warb - damals mit dem hübschen Schwerpunkt Kohl. Was dem unkundigen Großstädter natürlich wieder einmal zeigte, wie wenig man eigentlich weiß über all das, was früher in ganz normalen Bauerngärten wuchs. Nun hat Regina Röhner das Folgebändchen vorgelegt. Und der neugierige Laienkoch darf wieder staunen.

Diesmal ist es kein ganz so spezielles Thema, eher eine kleine wilde Jagd durch den Gemüsegarten, bei der man beim staunenden Umblättern erfährt, was man in einem normalen Supermarkt alles schon lange nicht mehr findet, weil es schlicht nicht industriell produziert wird. Die großen Einzelhändler haben sich auf ein knappes, simples Sortiment verständigt – die Großagrarbetriebe in aller Welt haben sich darauf eingeschossen, produzieren die normierten Standardprodukte rund ums Jahr in gleichmäßiger Qualität. Knolle ist gleich Knolle. Nur die Preise schwanken je nach Jahreszeit.

Da lohnt der Abstecher in Regina Röhners kleinen Garten, der wahrscheinlich so ein Unikum ist: Von außen sieht er kleiner aus als von innen. Drinnen aber zeigt die emsige Autorin, was es alles gibt, wenn man sich wieder interessiert für die Blattgemüse unserer Vorfahren – die in keiner Weise schlechter waren als die heutigen paar Supermarktblattgemüse. Aber es stand eine größere Vielfalt unter Omas Küchenfenster: Rote Teufelsohren, Krause Endivien, Ausdauernde Gartenkresse sind nur ein paar davon. Einige dieser Salate gehörten Jahrhunderte lang zu den Stars der Küche – von den Römersalaten angefangen bis zum Mangold.Aber wer mit Regina Röhner so durch den Garten wetzt, bekommt auch einen neuen Blick für Grünen Spargel, Schalotten und Pastinaken, Rote Rüben und Haferwurz (einiges davon selbst einst bei Königen beliebt, dem Starken August zum Beispiel). Rettich, Zuckerwurz und Topinambur erzählen ganz ähnliche Geschichten. Vieles kam im Lauf der vergangenen 2.000 Jahre in unsere Küche, die – das muss man ja mal sagen dürfen – schon immer eine internationale war.

Da muss man gar nicht von der speziellen Leipziger Küche sprechen, die Deutsche Küche ist es auch – mit Einflüssen aus allen Himmelsrichtungen. Aus Rom, aus Arabien, aus Asien, auch aus Amerika – denn Etliches von dem, was die Spanier in Amerika entdeckten, gehört seit über 300 Jahren zum Normalbestand unserer heimischen Küche. Vielleicht sollte man all die neuerstandenen Deutschtümler einmal dazu verdonnern, nur noch das zu essen, was die darbenden Germanen so um das Jahr Null dem Boden abrangen?

Aja, bitte: Bestraft diese Hinterwälder, die es auch in 1.000 Jahren nicht begreifen werden, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und immer war – für Kultur, Kunst, Wissenschaft, Tiere, Menschen und lukullische Genüsse. Unsere Küche ist – mal vom ewigen Fleisch abgesehen – eine durch und durch internationale. Die Topinambur-Knolle kam seinerzeit hübsch gesellig mit Tomate und Kartoffel über den großen Teich zu uns.

Und das ganze Blattgemüse ist gesund, abwechslungsreich, voller Geschmacksabenteuer und ideal für Jeden, der in seinem Garten mehr anstellt, als nur englischen Rasen zu züchten. Die Herausforderungen liegen vor der Haustür. Wer sie nicht nutzt, ist selber schuld. Auch wenn er oder sie keinen Garten hat oder nur einen Kleingarten, in dem die gestrenge Anlagenverwaltung das Experimentieren verbietet. Dann gibt es immer noch die Bioläden und die Frischemärkte, die in Leipzig (außer auf dem Huygensplatz) eine ungeahnte Blüte erleben. Da sieht man die experimentierfreudigen Leipzigerinnen und Leipziger mit ihren Beuteln flitzen, Schätze suchen, finden und mitnehmen.Denn natürlich lässt es Regina Röhner nicht nur beim Schwärmen von den guten alten Gartenbekannten, der größere Teil ihres Büchleins ist auch wieder mit Rezepten gefüllt, die einladen zum fröhlichen Umgang mit den erworbenen Köstlichkeiten. Die übliche Einschränkung ist natürlich: Es sind dann auch immer regionale Produkte und es sind Produkte, die es streng im Lauf der Jahreszeiten gibt. Aber das macht das Abenteuer ja nur spannender – und die Suche nach einem kompetenten Gemüsehändler aus der Region nur noch sinnvoller. Der weiß ja, wann welches Gemüse in den Laden kommt.

Der Rest ist dann ein sorgsamer Umgang mit den Zutaten und ein genüssliches Schmausen. Denn das, was hier draus wird, muss man genießen: Topinambur-Antipasti, Rote-Bete-Carpaccio, Frühlingssuppen (kann eigentlich nicht gleich wieder Frühling sein? Weihnachten nervt doch nur …), Rübencremesüppchen oder Mangold im Wok. Natürlich bevorzugt Regina Röhner nicht diese alten, vom Fleisch beschwerten Gerichte, die man dem Landreisenden für gewöhnlich als “Hausmannskost” und “Heimische Küche” verkauft, sondern liebt all die kulturellen Küchenerrungenschaften, die aus Asien oder dem Mittelmeerraum zu uns kamen.

Bestellen Sie dieses Buch versandkostenfrei im Online-Shop – gern auch als Geschenk verpackt.

Alte Gemüsesorten. Junge Rezepte
Regina Röhner, Buchverlag für die Frau 2014, 5,00 Euro

Was auch einen schonenderen Umgang mit den Gemüsen erst einmal möglich machte (vorher wurde in deutschen Pfannen und Tiegeln fast alles zu Tode geschmort). Gemüse will aber zart behandelt und schonend gegart sein. Dann schmeckt es auch ganz anders. Knackiger sowieso. Und das Ergebnis ist gesünder.

Also doch lieber das Pferdefleisch in der Lasagne lassen und den kleinen Ausflug zum Frischemarkt machen, neugierig sein und die eigene Kochwelt bereichern. Hat das Regina Röhner gesagt? So ähnlich. Wie das so ist, wenn sie einen mitnimmt in ihren Garten und aus dem Schwärmen nicht herauskommt – und mit all den kleinen Hinweisen, wie man mit den manchmal sensiblen Knollen und Wurzeln umgehen muss, damit sie sich vertragen und all ihre Köstlichkeit entfalten.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar