Dass die Anzugträger aus Mainhattan nicht unbedingt eine feine Gesellschaft sein müssen, dass wissen Leser der Krimis aus dem fhl Verlag schon seit 2012. Nun legt mit Olaf Jahnke einer einen Frankfurt-Krimi vor, der die Szene aus seiner eigenen Arbeit als Journalist kennt. Er hat mal in der FAZ-Fernsehproduktion gearbeitet, ist heute beim Hessischen Rundfunk. Da weiß man, wie unnahbar sich die Götter in Zwirn gern geben. Und wie schwer es ist, ihren Geschäften auf die Spur zu kommen.
Im Grunde kann da nur mithalten, wer in der Lage ist, ganze Scharen von Ermittlern und Anwälten zu beschäftigen. Aber was tut eine verunsicherte Witwe, wenn sie nicht glauben will, dass ihr Mann Selbstmord begangen hat – einfach so? Und die Polizei schon den Aktendeckel geschlossen hat. Kommt doch wohl häufiger vor, dass einer aus der hartgesottenen Frankfurter Finanzwelt sich in eine Nervenklinik begibt, um mal die Folgen des täglichen Aufputschens auszukurieren. Und dann und wann verkraftet das einer nicht und nimmt sich eine Überdosis. Banker tot. Akte zu.
Nur Charlotte Scherer glaubt das nicht. Und beauftragt einen dieser vierschrötigen Privatschnüffler in der langen Traditionslinie des Philip Marlowe, der aus guten Gründen seinen Polizistenjob vor einer Weile an den Nagel gehängt hat und nun als Privatdetektiv den gut zahlenden Kunden die Erkenntnisse verschafft, die sie sich wünschen. Dem ein oder anderen frustrierenden Ex-Kollegen begegnet er auch. Wer aufmerksam liest, merkt recht schnell, dass er hier nicht in den harten Zeiten der 1930er in den USA ist, als die Mafiosi auf dem Tisch tanzten und hartgesottene Typen wie Marlowe wohl Gold wert, aber so unbeliebt waren wie die Steuerprüfer.Das ist hier ist ein Stück aus Hessen, Jahrgang 2014. Könnte auch Sachsen sein. Die deutschen Innenminister haben zur Polizei wohl mittlerweile alle dieselbe Haltung: Zu viel davon schadet den Geschäften, den dubiosen erst recht. Also spart man die Truppe zusammen, bis sie nicht mehr kriechen kann und geht lieber mit den feinen Zwirnträgern auf den Ball.
Eigentlich kein Problem für Roland Bernau. Er soll ja nur rauskriegen, warum Herr Scherer eine Überdosis im Magen hatte. Immerhin ist der Arbeitgeber, eine berühmte Bank im Herzen Mainhattans, kooperativ. Er darf die heilige Chefetage sogar mal kurz besuchen und sich erklären lassen, dass der Innenrevisor so einer Bank zwar einen harten Job macht, aber trotzdem von allen geliebt wird. Wie das so ist bei großen Banken: Innenkontrolle ist alles.
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Nur ist Bernau eben doch ein Typ wie Marlowe, einer, der gelernt hat, dass der schöne Schein immer trügt und dass man sich einfach nur festbeißen muss, dann kriegt man auch was raus. Zum Beispiel auch, dass ein paar sehr mächtige Zeitgenossen kein Interesse daran haben, dass irgendwer irgendwas rauskriegt. Und weil sie so ein Interesse haben, haben sie auch die notwendigen Beziehungen überall da hin, wo man dafür sorgen kann, dass Dinge aufhören, für irgendwen interessant zu sein.
Wir sind immer noch nicht in Sachsen. Wir sind weiter in Hessen. Wobei natürlich die Frage ist: Wer ist hier Vorbild für wen? Für den Anruf unter alten Freunden etwa, der eine ist eben Bankvorstand geworden, der andere Staatsanwalt oder irgendein hohes Tier im Innenministerium. Alles Höhen, die Bernau anfangs überhaupt nicht interessieren, die sich vielleicht auch gar nicht gestört fühlen würden, wäre der mysteriöse Todesfall des Revisors Scherer nicht auf einmal irgendwie verquickt mit einem alten Fall von Wende-Kriminalität, bei dem sich ein paar honorige Herren just aus der betroffenen Bank dereinst goldene Nasen und beste Aufstiegs-Reputationen verdient haben. Ein Vorgang, der nun auch eine junge Frankfurter Journalistin auf den Plan ruft, die sich ziemlich schnell als ideale Ergänzung des Helden erweist. Kein Krimi ohne Liebe. Womit die Sache noch mehr Tempo aufnimmt. Was in diesem Fall etwas bedeutet, denn das Tempo, mit dem Olaf Jahnke seinen Krimi begonnen hat, ist selbst für das übliche Krimi-Genre schon sehr hoch. Selbst gestandene Autoren des Genres schaffen es oft erst am Ende ihrer Story, auf dieses Tempo zu kommen.Denn tatsächlich ist es eigentlich auch nicht allzu gesund, wie nicht nur Bernau bald merken muss, als sich nicht nur die Puzzle-Stücke verdichten, die so langsam ein Bild ergeben, sondern auch die mysteriösen Vorfälle, die ihn merken lassen, dass er da mindestens einer sehr wichtigen Person auf die Füße getreten ist, einer Person, die auch über die Macht verfügt (und wohl auch das Geld), ihm die Hölle so richtig heiß zu machen, die Skrupellosigkeit sowieso.
Und wie das so ist bei Marlowe-Typen: Sie hören nicht auf. Zumindest nicht gleich und sofort. Sind ja keine Polizeikommissare, die der Chef mal kurz zurückpfeifen oder kaltstellen kann, sondern eher die letzten bewunderten Retter der Gerechtigkeit, denen die schicken Anzüge und die abgeschotteten Vorstandsetagen der großen Ganoven nicht heilig und schon gar nicht unantastbar sind. Und die auch nicht erschrecken, wenn ihnen Gerichtsvollzieher mit Pfändungsandrohungen und Rechtsanwälte mit Klageandrohungen in Millionenhöhe ins Büro marschieren, der üblichen Form, wie man Deutschland seinen Ruf verteidigt, wenn man sowas Ähnliches noch hat.
Aber da kommen sie für einen Bernau zu spät, der längst seine Termine abspult, die ihn dem Kern des Pudels immer näher bringen. Was dann Folgen hat, die die Story nicht nur weiter beschleunigen, sondern sie auch höchst explosiv werden lassen. Vielleicht ein bisschen sehr explosiv. Vielleicht färbt ja der Hardcore-Krimi aus dem deutschen TV nicht nur auf den Action-Faktor in den geschriebenen Krimis ab, sondern auch auf die Wirklichkeit? Wer weiß das schon. Wenn Herren in feinem Zwirn alles zu verlieren haben, heißt das ja nicht, dass sie sich weiterhin anständig benehmen und nicht wissen, wo man die Profis bestellen kann, die dann mal schnell unangenehme Zeugen aus der Welt räumen.
Tod eines Revisors
Olaf Jahnke, fhl Verlag 2014, 13,00 Euro
Es gelingt ihnen fast. Und am Ende passiert sogar noch ein kleines Wunder: Ein Teil der Story landet tatsächlich in der Zeitung und hat sogar Folgen. Man glaubt es kaum. Aber vielleicht ist das in Hessen sogar noch möglich. Wer weiß. Der Leser jedenfalls bekommt wieder eine diese schönen, beinah wahren Geschichten über den deutschen Alltag in der noblen Business Class. Mit viel Orts- und Typenkenntnis geschrieben, bei fhl noch einmal auf Form getrimmt, auf Tempo gebracht, bis es so richtig knallt. Zwischendrin gibt’s ein paar Insider-Tipps zur Gastronomie in und um die Bankenstadt. Denn ohne gutes Essen und dann und wann einen Grauburgunder hält man die Tour de force nicht durch.
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