Jetzt kommt die dunkle Jahreszeit. Und was hat der schockierte Mitteleuropäer im Küchenschrank? Berge von Schokolade natürlich. En bloc und en détail, in Schachteln und Tüten, in Mini und in Maxi. Denn wenn draußen trübe Stimmung ist, braucht's drinnen den Stimmungsretter: Schokolade. Für Alexandra Werner tägliches Handwerk. Sie bloggt die Welt mit Schokoladenrezepten zu.

Natürlich weiß die Schokoladen-Fee, wie sie sich nennt, woher der ganze Zauber kommt und wie sich der Kakao dann ab dem 16. Jahrhundert so langsam ausbreitete in Europa, erst einmal an den Fürstenhöfen, wo man schon mal eifrig Zucker in den braunen Sud kippte, und dann so ab dem frühen 19. Jahrhundert auch bei den ärmeren Schluckern, für die die Tafel Schokolade zum großen Traum wurde. Heutzutage wird der Kakaobaum in Plantagen gehegt, Nachschub für die “süßen Sünden” Europas gibt es genug. Die Frage ist nur: Was macht man draus? Und wie? Denn der Umgang mit Schokolade ist eine Kunst. Dem kleinen Ausflug in die Geschichte folgen ein paar Seiten mit Lager- und Backhinweisen, Dekorier- und Couvertier-Tipps.
Und dann folgt, was versprochen ward: Ein Bündel von Rezepten, in denen die Autorin zeigt, auf welche ausgefallenen Ideen man so kommen kann, wenn man Schokolade erst einmal als Experimentiermasse für sich entdeckt hat. Die gemeinen Klassen des Schokolade-Universums kennt man ja: Plätzchen & Pralinen, Törtchen, Muffins & Mini-Kuchen, Kuchen & Torten und zum Finale Desserts. Man hat also eine Menge vor, wenn man sich für den Winter eindecken möchte. Das übliche Instrumentarium haben moderne Küchenbesitzer ja: Springformen, Muffinbleche, Keksstempel, Waffeleisen, Spritztüten, Silikonförmchen und Nudelhölzer. Letztere werden gebraucht, um die Überfallkommandos aus dem Wohnzimmer abzuwehren, wenn die sich über die fertigen Plätzchen, Pralinen, Torten und Desserts hermachen wollen.

Alles andere ist dann wohl nur noch eine Frage der Tagesstimmung – und der entsprechenden Vorräte an Kakao, Schokolade, diversen Mehlen, Körnern, Früchten, Orangen, Rosinen, Kokosflocken und was man sonst noch so alles in die Backschüssel rühren kann.

Manches darf ein bisschen gesund aussehen – wie Schoko-Müsli-Cookies oder Müsliriegel, anderes ist eher für die feine Damengesellschaft – wie Schokozungen, Schokoladenfinger (gar nicht gut für die Figur) oder Schokoladen-Pistazien-Biscotti (womit die schrecklichen Pistazien vom letzten ZDF-Fernsehabend auch mal alle sind). Junge Damen jammern zwar gern über ihre Figur – aber bei Schokolade werden sie närrisch. Wussten das die alten Azteken vielleicht sogar und haben heimlich Marzipan-Cointreau-Pralinen hergestellt? Überliefert ist es nicht. Es könnte die schreckliche Niederlage gegen Hernan Cortéz und seine Räuberbande erklären. Vielleicht waren es auch Johannisbeergeist-Canache-Trüffel, Mandelsplitter oder Weihnachtshappen, die 1519 ganz bestimmt noch Quetzalcoatl-Häppchen hießen, frei nach dem Motto: Backen wir noch ein Blech oder machen wir erst mal die Bleichgesichter fertig?

Wie wir wissen, haben sich die Azteken fürs Backen entschieden. So gehen Länder und Reiche zugrunde. Und die Eroberer lachen sich eins und nehmen die Kakao-Plantagen in Besitz, um nun selbst den großen Reibach zu machen. Man sieht die Container-Schiffe emsig ostwärts ziehen, wo Schokoladen-Mamsellen schon sehnsüchtig warten auf das ölhaltige Pulver (das auch ein paar gesunde Inhaltsstoffe hat, muss man nur wissen). Denn jetzt wollen sie Schoko-Minz-Cupcakes backen (6 Stück oder ein Dutzend oder 6 Dutzend, kommt ja ganz aufs Wetter an), Törtchen mit zweierlei Schokolade und warme Schokoladenküchlein …

Wer sich bis Seite 64 durcharbeitet, dem läuft von ganz allein das Wasser im Mund zusammen. Deswegen (siehe oben) das Nudelholz.

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Süße Sünde Schokolade
Alexandra Werner, Buchverlag für die Frau 2014, 5,00 Euro

Zur Ablenkung der hungrigen Meute aus dem Wohnzimmer kann man ja vorher einen Ameisenkuchen backen und gleich neben der Tür platzieren. Dann ist die Bande abgelenkt, kann den ersten Heißhunger stillen und respektiert vielleicht das Nudelholz, während der Nuss-Nougat-Guglhupf im Ofen schmort und die Brownietorte sich auf ihr kurzes Dasein vorbereitet. Es darf auch durchaus klassisch zugehen, wenn die Gäste partout Donauwellen und Herrentorte haben wollen und ihnen der Schokokuchen im Glas zu anstrengend ist und das Schokoladen-Chili-Törtchen zu scharf. Spätestens beim Schokoladen-Kirsch-Tortelett sollte man vielleicht dennoch dran denken, dass in einem halben Jahr wieder Frühling ist und die ganzen Pfunde wieder runter müssen, weil man sonst nicht mehr den Scherbelberg hochkommt.

Also ein mit Vorsicht zu genießendes Buch, das man lieber auch in kleinen Portionen durchprobiert.

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