Eigentlich sollte er Hedwigspark heißen, dann wäre die richtige Person gewürdigt mit der Benennung dieses besonderen Parks in Schönefeld. Denn gestiftet hat den Park 1881 Clara Hedwig Baronesse von Eberstein auf und zu Schönefeld. Gut, Schloss und Ländereien vermachte sie einer Stiftung, die nach ihrer Mutter benannt war: Marianne Freifrau von Eberstein. Nach ihr heißt der Mariannenpark nun, wie er heißt.

Hedwig war es, die bestimmte, dass das Feld westlich der prächtigen Lindenallee, die Schönefeld mit Leipzig verband, für alle Zeiten erhalten und unbebaut bleibe. Sie wünschte sich das aus berechtigter Sorge. Denn Schönefeld war längst in den Taumel der industriellen Entwicklung hineingezogen worden. Auch hier schossen die neuen Wohnblöcke aus dem Boden. Aber auch im Schönefelder Gemeinderat sah man es so, beschloss 1903 die parkähnliche Herrichtung der Fläche, trat 1911 erstmals mit der Stadt Leipzig in Kontakt wegen einer Gestaltungskonzeption für den Park. Denn die Eingemeindung nahte – 1915 kam sie dann.

Und es kam zu einer folgenreichen Irritation, denn der Vorschlag des Leipziger Gartenbaudirektors Carl Hampel gefiel den Schönefeldern überhaupt nicht. Sie bestellten lieber einen Entwurf des Hamburger Reform-Gartenarchitekten Leberecht Migge. Reform hieß damals im Grunde Volkspark – mit vielen in klare Parkstrukturen eingebundenen Erholungsangeboten: Sportplätzen, Wasserbassins, Rodelberg, Freilichtbühne, Spielplätzen. Soziale Ambitionen verbanden sich mit repräsentativen Parkräumen: Liegewiesen, Rosenterrassen, Staudengärten, Baumrondells.

Leipzig steckte damals noch in der Phase der großbürgerlichen Parks in ihren Spielformen Schmuckplatz und landschaftsnahe Parkgestaltung. Dass das Volk in den Parks spielen und ruhen könnte, war auch Hampel noch nicht so recht eingängig. Ab 1915 aber musste er sich notgedrungen damit beschäftigen, auch wenn er viele Ideen Migges schon aus Kostengründen umändern oder gar streichen musste.
Wirklich fertig war der Park erst 1928. Später erlebte er nicht nur neue Veränderungen – etwa die Abwandlung der Tennisplätze, die in Schönefeld niemand brauchte, in Sportplätze, oder die Installation eines Ernst-Thälmann-Ehrenhains. Der Park geriet wie so viele Leipziger Kleinode auch in das Schattenreich der fehlenden Ressourcen, verwahrloste an etlichen Stellen, die blühenden Rosenbeete verschwanden.

Der Park, den Peter Benecken nun für die kleine Park-Heft-Reihe des Grünen Rings besucht hat – ist ein Park, der Stück für Stück seine alte Schönheit wiedergewinnt. Er wird wieder gepflegt, eine Spendenaktion hat den Rosengarten wiederbelebt. Und wer sich Zeit nimmt und genauer hinschaut, entdeckt, welche Überraschungen der Park bietet. Denn er ist alles andere als ein langweiliger Park. Die Roteichenallee, der Staudengarten und das Baumrondell entpuppen sich als gepflanzte Architektur. Die Gärtner haben sich etwas gedacht, als sie hier die schlanken Pyramidenpappeln anpflanzten und Laubenbögen anlegten, die in ein Lindenareal führen, das Peter Benecken als Kreuzgang bezeichnet. Nebenan hat er einen ganzen Kirchenraum unter freiem Himmel ausgemacht – Rückzugsraum, Besinnungsort und sakraler Platz.

Er entdeckt aber auch den 1928 fertiggestellten Gärtnerstützpunkt als architektonisches Kleinod. Selbst der Trinkbrunnen ist ein kleines Kunstwerk. Da hatte die Stadt Leipzig ausnahmsweise mal ein bisschen Geld in der Tasche. Aktuell bildet der Rosengarten den denkmalpflegerischen Schwerpunkt im Park. Es ist ein Generationenprojekt, diesen Park in Schönefeld wieder in alter Pracht zurückzugewinnen. Auch weil er durch seine Lage nicht wirklich im Bewusstsein der meisten Leipziger ist. Wann kommt man schon mal nach Schönefeld? Der Stadtteil leidet hörbar darunter, dass er durch die Gleise der Bahn ein wenig im Abseits gelandet ist. Auch wenn manchen Leipzigern beim Stichwort Kirche Schönefeld die Hochzeit von Clara und Robert Schumann einfällt.

Natürlich wandelten die beiden auch in diesem Park … – Ist natürlich Quatsch. Zu ihrer Zeit gab es noch keinen Park, nur schöne grüne Landschaft, die nahe Parthenaue und die alte Lindenallee, auf der man Richtung Leipzig spazieren konnte. Die Lindenallee gibt es noch, auch wenn die Linden deutlich jünger sind. Und viele Kinder, die im Mariannenpark spielen, heißen heute wieder Clara und Robert. Oder Marianne und Friedrich. Als würde Zeit einfach immer wiederkommen im Zyklus der Vegetationsperioden. Wer den Park noch nicht kennt, kommt mit Straßenbahn und Bus ganz bequem hin. Aussteigen am Stannebeinplatz, 50 Meter laufen, dann ist man die Kinder sowieso schon los, denn da beginnt das Ganze mit dem Spielplatz. Der trägt beim Rundgang von Peter Benecken die Nummer 19, ist eigentlich die letzte Station. Aber warum sollte man Parks immer der Reihe nach ablaufen? Eigentlich heißt es immer: der Nase nach. Und wo es einem gefällt, da setzt man sich oder sinkt ins Gras und freut sich, dass man mal ein ruhiges Plätzchen gefunden hat.

Peter Benecken “Mariannenpark”, Pro Leipzig, Leipzig 2914, 5 Euro

www.proleipzig.eu

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar