Es wird ja gern von Multimedia geredet. Meist von Leuten, die eine Menge Geld dafür ausgeben an Stellen, wo das überhaupt keinen Sinn macht. Da, wo es Sinn macht, wird meist gar nicht groß drüber geredet. Man macht es einfach, weil man weiß, dass es bei den Abnehmern auf große Gegenliebe stößt. So wie auch im Annette Betz Verlag, der für die kleinen Buch-Entdecker seine Serie Kleine Komponisten aufgelegt hat.

Angefangen mit Haydn und Mozart. In diesem Jahr kam nun das große Bilderbuch “Der kleine Bach” hinzu. Multimedial im schönsten Sinne. Man darf auch daran erinnern, dass Bilderbücher selbst ja schon zwei Ebenen der Vermittlung bieten: Text und Bild. Und in guten Bilderbüchern ergänzen und verstärken sich beide. Eines strahlt auf das andere ab. Und das geschieht auch hier. Die Hörfunkjournalistin Kristina Dumas erzählt in kleinen, einfach und lebendig erzählten Geschichten das Leben Johann Sebastian Bachs, nicht nur des kleinen, sondern auch des großen und berühmten.

Aber der kleine gehört natürlich ganz wesentlich dazu. Und das ist das, was Kindern den Einstieg in dieses Buch und diese Lebensgeschichte besser fassbar und erlebbar macht. Das erleben ja alle Kinder selbst mit. Sie wissen, wie das ist, wenn man nicht einschlafen kann und – naja – Schäfchen zählt. Und es wird gleich fasslich, warum ein Graf von Keyserlingk sich von Bach eine richtig schöne Einschlafmusik komponieren ließ – die Goldberg-Variationen. Kann natürlich passieren, dass die Knirpse künftig immer an Schäfchen denken müssen, wenn sie Bachs Klaviermusik hören. Aber warum nicht?

Sie lernen den künftigen Komponisten als Baby kennen, als “letztes von sieben Kindern” in der großen, musikbegeisterten Familie von Papa Johann Ambrosius Bach. Und weil man sich das auch bildhaft vorstellen kann, hat die Berliner Grafikerin Christa Unzner, die dieses Bach-Buch bebildert hat, eine große musizierende Familie gezeichnet. Später kommt noch eine. Denn es gab ja noch mehr Bach-Familien in Thüringen, alle miteinander verwandt, alle vom Musikmachen begeistert. Und was das heißt, darf der Leser auf Seite 14 sehen: Wenn diese Bach-Familie nicht die Kelly Family des Jahre 1702 war, wer denn dann?

Christa Unzner bringt ihren ganz eigenen Stil ein, sehr leicht, fast tänzerisch – und liebevoll genau. Ihre Thomanerknaben singen tatsächlich. Ihre Musiker wirken emsig, konzentriert, fröhlich beim Musizieren. Selbst der Fürst hört wohlwollend zu. Das kriege mal einer hin mit dem Zeichenstift: richtiges, offenes Wohlwollen zu zeichnen (mal ganz abgesehen von den geradezu begeisterten Gesichtern der Fürstenkinder). Die kleinen Leser dieses Buches werden mitgenommen. Sie erfahren nicht nur, wie chaotisch das Familienleben des jungen Bach zuweilen war, der von einer Stadt zur nächsten zog, nie wirklich zufrieden mit dem, was ihm an Wirkungsmöglichkeiten geboten wurde. Und dann auch noch der frühe Tod seiner Frau. Aus dem Medaillon schaut sie ihren Johann Sebastian noch liebevoll an. Aber wirklich Zeit nehmen zum Trauern darf er sich nicht. Das zeigt schon das nächste Bild: Er muss sich um seine Kinder kümmern. Das schafft er nur, wenn er eine neue Weggefährtin findet, die ihm hilft.An der Stelle sind die kleinen Buchleser schon längst auch in der dritten Erzählebene. Die beginnt ja schon gleich vorn beim Schäfchenzählen. Dem Bilderbuch liegt eine CD bei, auf der die Geschichte auch zu hören ist. Hans-Jürgen Stockerl hat sie eingelesen. Und originale Bach-Musik gibt es da natürlich auch zu hören. Man kann sich das Leben des kleinen Bach also auch gemütlich anhören. Man hört gleich zu Anfang die Schäfchen blöken und ist gleich drin in der Geschichte vom Grafen Keyserlingk und den Goldberg-Variationen. Später hört man auch, wie der kleine Johann Sebastian an der Orgel zu spielen lernt, wie er Noten klaut und auf Wanderschaft geht, um zu lernen – erst im Michaeliskloster in Lüneburg, später auch beim berühmten Buxtehude.

Die kleinen Leser lernen hier einen Burschen kennen, der von Musik nicht nur berauscht ist, sondern sich auch durch nichts daran hindern lässt, zu lernen. Alles Neue saugt er in sich auf. Und wendet es auch gleich an. Da merkt er dann schnell, wieviele Leute es gibt, die auf jede Neuerung mit Empörung reagieren. Sein neues Orgelspiel kommt bei einigen Arnstädtern gar nicht gut an – und Christa Unzner hat auch diesen entsetzten Arnstädter gezeichnet. Was den musizierenden Bach wohl überhaupt nicht stört, denn neben ihm singt die Frau, die er liebt: Maria Barbara. Bachs Frauen sind so musikalisch wie er selbst. Singen können müssen sie wohl alle. Und wer das “Jauchzet, frohlocket” bislang nur mit Knabenstimmen kannte, sieht weiter hinten im Buch – da ist Bach längst in Leipzig und komponiert seine großen Festmusiken – Bachs zweite Frau Anna Magdalena und seine Tochter Catharina Dorothea beim Singen mit den Thomanern.

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Der kleine Bach
Kristina Dumas, Annette Betz Verlag im Ueberreuter Verlag 2013, 19,95 Euro

Ein kleiner Notenschlüssel verweist hier auf die Stücke 19 und 20 auf der CD. Die 19 ist das “Jauchzet, frohlocket”. Man kann also aus der gelesenen Geschichte immer gleich hineinspringen in die Musik auf der CD. Und während man zuhört, kneift man ein Auge zu und sieht, wie die Bilder von Christa Unzner lebendig werden, wie die Sängerknaben alle mitschwingen in der Musik. Oder wie der Vater auf der nächsten Seite zürnt über seine so emsig Kaffee trinkende Tochter. Die “Kaffeekantate” darf in einem Bach-Kinderbuch nicht fehlen.

Und wer bisher glaubte, nur die Bachs in Thüringen hätten das Zeug zu einer quicklebendigen Kelly Family, der sieht dann kurz vorm traurigen Abschied vom gealterten Bach noch dessen eigene Familie fröhlich musizierend. Immerhin zehn seiner Kinder wurden erwachsen, einige wurden ja ebenso berühmt. Aber das ist dann schon wieder eine andere Geschichte.

www.christa-unzner.de

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