Das Internet macht's möglich. Man trifft sich in Blogs und Foren, manchmal entstehen spannende Diskussionen, manchmal trifft man Leute, deren Ton einem vertraut ist, mit denen man ins Plaudern kommt oder sogar in einen richtig intensiven Austausch. So etwas ist kostbar und selten. Passiert ist es den beiden Autoren dieses Buches. Die anfangs nichts voneinander wussten.

Aber dann merkt man eine bestimmte Haltung, einen vertrauten Ton und beginnt über die Welt, die Liebe und das Leben zu schreiben. Und irgendwann merken die beiden, dass sie – hoppla – sogar im selben Bundesland wohnen. Und der etwas neugierige Leser merkt auch noch, dass sie beide auch in einer Weltecke geboren wurden, in der die Leute etwas anders ticken als anderswo und wo sich die Menschen, auch wenn sie sich noch nie gesehen haben, wiedererkennen. Selbst durch digitale Wände hinweg.

Annegret Pannier wurde 1985 in Wolfen geboren, hat Archivwissenschaften in Potsdam studiert und ist seit 2012 freiberufliche Online-Redakteurin. Sie lebt mit ihren beiden Töchtern in Potsdam. Und Konstantin Hanack, 1985 in Luckenwalde geboren, studierte Philosophie, Soziologie und Germanistik in Jena und Potsdam. Luckenwalde und Wolfen liegen – für die Ortsunkundigen – alle beide südwestlich von Berlin, das eine in Brandenburg, das andere in Sachsen-Anhalt. Und wer mit den Eingeborenen in Kontakt kommt, merkt, dass hier ein eigener Menschenschlag wohnt. Gesellig und skeptisch zugleich, anspruchsvoll sowieso, wenn es um solche Dinge wie Liebe, Freundschaft und Partnerschaft geht.Wobei wir ja seit “Harry und Sally” alle wissen: Freundschaft zwischen Männern und Frauen ist unmöglich.

Die beiden haben es trotzdem versucht. In Versform. Als Versuch – Halbjahresversuch eben. Können wir miteinander? Oder haben wir schnell die Nase voll voneinander? Und: Wie weit können wir gehen in unseren Texten? – Immerhin alle schön digital. Man ist nicht mehr auf die Post angewiesen, der Text ist in Windeseile am anderen Ort, findet eine skeptische Leserin oder einen skeptischen Leser. Manches war schnell hingeschrieben. Und wurde redigiert. Oder ganz und gar aus dem Rennen genommen.

So ist es kein Dialog geworden. Was sicher auch interessant gewesen wäre. Für Psychologen auf jeden Fall. Denn wenn man schon über Gefühle spricht, Nähe, Vertrauen, Verlust und Ängste, dann hält die Form nicht immer Stand. Dann neigt auch ein aufmerksamer Schreiber zu Versatzstücken, Plattitüden, Wortballast.

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Die Gedichte der Beiden lesen sich trotzdem wie die Essenz eines Dialoges. Beinah wie ein moderner Briefwechsel zwischen eng Vertrauten. Eine alte Form. Auch wenn das lange her ist, dass sich in deutschsprachigen Landen Briefschreiber unterschiedlichen Geschlechts so innig miteinander austauschten. Und so nachlesbar für die Mit- oder Nachwelt. Manchmal werden die Texte sehr intim. Nicht nur die Jahreszeiten blinken herein. Es ist ein Wechselspiel, bei dem die beiden sich mal öffnen, dann wieder verschließen, vielleicht auch ehrlich sind. So weit das möglich ist in so einem Gespräch. Dabei wird es stellenweise sehr lyrisch, merkt man, dass die beiden ihren Kanon der guten Dichtungen gelesen haben und auch mit Sprache spielen können. Manchmal wird das selbst ein Spiel, es wird gerilket, gemöriket, geschillert, tändelt es zwischen Lied und Hymne hin und her.

Da ist nicht immer klar, wovon die beiden singen, ob sie miteinander nachdenken, plaudern oder schäkern. Sie kehren trotzdem immer wieder zu der einen Frage zurück, die wesentlich drängender ist als die leidige Gretchenfrage, die in diesen Breiten nun wirklich keinen mehr interessiert. Viel wichtiger ist dieser kritische Umgang mit Zweisamkeit, dieses Einander-Aushalten und Vertrauenkönnen. Wieviel Nähe vertragen wir? Und wie vertrauenswürdig ist das überhaupt, was wir begehren?Immer wieder der Zweifel. Beidseitig. Das ist typisch und so vertraut. Wie baut man eine Partnerschaft, wenn beide mit so viel Skepsis auf die Grundlagen schauen? Und dabei, was die Sache noch verschärft, im anderen genau die selben Zweifel sehen? – Diese Region und diese Zeit sind nicht mehr selbstgewiss. Oberflächlich schon lange nicht mehr. Denn der Zweifel ist immer begründet: als Forderung an das Leben und das Gemeinsame, an sich selbst und den / die Andere(n). Zwangsläufig die Stelle, an der das Gespräch auch mal in Stille und Verstörung mündet. Was dann wohl seine Rolle ist. Männer nehmen Vieles als selbstverständlich, an dem Frauen erst recht zu zweifeln beginnen, wenn Männer verstummen.

Und wer den Prozess noch nicht kennt, kann ihn hier in Monatseile mitverfolgen. Am Ende sind sich zwei sehr vertraut – wissen aber: Allein das Lieben reicht nicht. Es reicht bestenfalls zum Spaziergang am Brandenburger Tor, Hand in Hand, sehr vertraut und doch schon Meilen voneinander getrennt. Sozusagen eine Beziehung im Schnelldurchlauf. Denn sechs Monate – von Januar bis Juni – sind ja nun wirklich nicht viel. Andere brauchen zehn oder dreißig Jahre für diesen Prozess. Manchmal auch einfach, weil sie lieber so tun als ob. Die meisten Beziehungen sind solche. Weil die Furcht vor immer neuen Anfängen natürlich auch frustriert.

Natürlich bleibt Vieles nur Vermutung. Die beiden haben wahrscheinlich auch wesentliche Zwischentexte eliminiert, die die letzte Bestandsprobe nicht bestanden. So dass ein neuer Kontext entstand. Die Texte entfalten ein neues Beziehungsgeflecht. Und nicht immer wird deutlich: Ist es ein Konflikt, den die beiden austragen miteinander? Oder geraten hier nur ganz zufällig ihre “inneren Kämpfe” in fruchtbare Nähe, so dass es wie ein Dialog aussieht?

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Halbjahresversuch
Konstantin Hanack, Annegret Pannier, Leipziger Literaturverlag 2013, 19,95 Euro

Das kann, wer will, für sich sortieren. Im Anhang sind die Gedichte den beiden noch einmal in einer Fußnote zugeordnet. Am Ende geht es natürlich auch um Abschiede, Verlassensein und Gefühle der Enttäuschung. Wie das immer so ist, wenn Stricke reißen, Türen zuschlagen, die Gewissheit einzieht: Es hat wieder nicht geklappt. Jeder Abschied ist ein kleiner Tod. Und alle Gefühle sagen: Das ist das Ende.

Gefühle sind wie wohlerzogene Hunde. Man muss nur ein bisschen weiterleben und siehe da, sie sind wieder brav an der Seite, beschnuppern alles und es wird wieder Zeit, die Wäsche zu waschen. Das ist viel besser als jeder Trost. “Geh schlafen jetzt. Der Tag war schwer …”

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