Das Zeug steht da so rum in Wald und Flur. Wenn Wald und Flur noch intakt sind. Und unsereins sich hintraut ohne GPS. Kräuter, Früchte, Wurzeln. Ein großer Teil davon hilfreich. Wenn man weiß, was man damit anstellen soll. Und man kann es wissen. Man muss nicht all seine Wehwehchen zum Arzt oder in die Apotheke tragen. Auch wenn der Weg in die Apotheke zuweilen lohnt, denn dort gibt es auch die Kräuter zu kaufen, die man als Stadtmensch im Grün sowieso nicht findet.

Das Wissen um die Heilkraft der Kräuter hat die Menschen schon immer begleitet, seit sie sesshafter wurden und vor allem älter. Und zivilisierter, was in vielen Fällen eben auch heißt: Man lebt nicht mehr so recht gesund, bewegt sich zu wenig, ernährt sich falsch, ist Stress ausgesetzt. Und irgendwann helfen auch alle Beruhigungstabletten und Fitnessdrinks nicht mehr. Der Körper streikt. Manchmal ist es nur eine Unpässlichkeit. Doch die Untertreibung trügt: Jede “Unpässlichkeit” ist ein Signal. Der Körper gibt in der Regel recht frühzeitig Bescheid, wenn irgendwas aus dem Gleichgewicht zu geraten beginnt.
Nur nimmt mancher moderne Mensch diese Signale zum Anlass, die Signale zu betäuben. Mal mit Chemie, mal mit Alkohol, mal mit anderen Stimulanzien. Was den Verschleißprozess nur verstärkt. Kräuterbücher haben Konjunktur. Aus gutem Grund. Würden sie alle gelesen, unsere Welt sähe anders aus. Nicht so, wie sie ist mit all ihren “brutalst möglichen” Methoden, die Dinge zu klären, zu bessern, zu verändern. Was auch daran liegt, dass Menschen dazu neigen, die wichtigste Verantwortung nicht in die Hände von verantwortungsvollen Menschen zu legen, sondern in die Hände von Leuten, die sich als “Macher” verkaufen, die die Sucht und die Härte zur Lebensmethode gemacht haben. Mit allen drastischen Folgen. Auch Gesellschaften geraten nicht einfach so aus dem Gleichgewicht. Sie tun es, wenn die Warnsignale überhört werden.

Jede Gesellschaft ist ein sensibler Organismus.

Wer etwa nachdenkt über sich und sein Leben, der weiß es.

Also fängt man wirklich am besten bei sich selbst an. Beginnt, seinen Körper nicht als störendes Anhängsel zu betrachten, sondern als Teil seiner selbst. Was wir fühlen und tun, sind auch wir. Und wenn etwas weh tut, ist es ein Signal. Auf das man reagieren kann. Frühzeitig. Und ohne zusätzlichen Stress. Und so steht auch hinter dem “Hilf dir selbst!” von Heide Haßkerl zuerst die Aufforderung: Achte auf dich und die Signale deines Körpers. Lern sie zu verstehen und sorge rechtzeitig für Ausgleich. Und sorge vor. Denn die simpelsten Mittel stehen da draußen im Grün, man kann sie sammeln und und trocknen und Tees und Tinkturen daraus bereiten.

Am stärksten wirken sie, wenn sie dem Körper helfen, sich selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Also gibt es auch ein kleines Kapitel zu “Selbstheilungskräften”. Über die gute Hausärzte übrigens auch eine Menge wissen. Und entsprechend beraten. Am Ende wird es, wie Heide Haßkerl es summiert – zu einem Dreiklang, mit dem man Gesundheit und Wohlergehen bewahren kann: Ernährung, Bewegung und Optimismus.

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Also gibt es zu allen dreien auch ein paar beherzigenswerte Stichpunkte. Die meisten wird jeder schon einmal gehört haben. Es geht natürlich bis zu den Gedanken, die Jeden umtreiben. Auch falsche Denk- und Verhaltensmuster machen krank: Wut, Minderwertigkeitsgefühle, permanente Selbstkritik, Hassgefühle, Vorurteile … Wenn man da erst mal anfängt, merkt man, wie einen die starren alten Muster im Kopf einengen, einsperren und aufzehren. Loslassen wäre da so eine Kunst, die man lernen kann. Verbissenheit macht krank.

Und dann heißt es eigentlich nur: Losgehen und Sammeln. Kurz und knapp erläutert die Autorin, was in eine natürliche Hausapotheke gehört und was man auch auf Vorrat immer da haben kann. Man begegnet da guten Bekannten aus dem Garten, der Wiese, dem Wegrain – von der Brennnessel über den Holunder bis zur Kamille. Ein paar kurze Tipps zur Zubereitung folgen. Und danach eine Fülle von (alltäglichen) Beschwerden und den anzuwendenden Heilmitteln. Und natürlich sind auch ein paar “moderne” Krankheiten mit dabei, die letztlich damit zu tun haben, dass die flexible Arbeitswelt für Vieles gut ist, nur nicht für ein seelisches Gleichgewicht. Es geht also auch um Angstgefühle und Depressionen – die man mit Baldrian & Co. natürlich nicht “bekämpft”. Aber man schafft sich ganz bewusst ein harmonischeres Lebensumfeld. Denn darum geht es fast immer – das Wiederherstellen des Gleichklangs mit sich und seiner Umwelt.

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Kleine Kräuterapotheke
Heide Haßkerl, Buchverlag für die Frau 2013, 5,00 Euro

Da geht es dann auch um die von so vielen erlebten Erschöpfungszustände – alles Signale, die man ernst nehmen kann, bevor es zu einem “Burn-out” wird. Hier kommt auch das herrliche Brennnessel-Bad vor – Hosenbeine hochkrempeln und durch! Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Migräne kommen weiter hinten – und natürlich haben die auch direkt mit unserer Einstellung zu Leistung und “Arbeiten unter Druck” zu tun. Und auch Magen-Darm-Beschwerden können erzählen von falscher Ernährung und falscher Lebens- und Arbeitsweise. Die Rezepte weisen immer wieder zurück auf unser gestörtes Verhältnis zu unserem Leben und Tun.

Es ist also ein bisschen mehr als nur eine klein Kräuterapotheke. Es ist auch ein Büchlein, das seine Besitzer daran erinnern kann, dass es nur dieses eine Leben ist, das man nutzen und leben kann. Und wie wir damit umgehen, das liegt oft genug in unserer Hand. Oder wächst im Garten. Man muss es nur wahrnehmen.

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