Das Bebauungsplanverfahren „Östlich Grunaer Bucht“ am Störmthaler See ist eines der umstrittensten im Leipziger Neuseenland. Seit 2017 versuchen Naturschützer und Umweltverbände, die naturbelassenen Uferabschnitte vor der baulichen und verkehrstechnischen Erschließung zu bewahren, da dauerhafte Eingriffe in wertvollen Biotope zu erwarten sind. Dabei existieren auf der nahegelegenen Magdeborner Halbinsel gute Alternativstandorte für die geplanten Vorhaben – ein Inklusionscampingplatz des Städtischen Eigenbetriebs Behindertenhilfe (SEB) und ein Wassersportzentrum der Universität Leipzig.
Trotzdem hat der Gemeinderat Großpösna am 27. Mai 2024 die rechtlichen Grundlagen für die bauliche und verkehrstechnische Erschließung im Bereich „Östlich Grunaer Bucht“ beschlossen. Der Baubeginn, inklusive umfangreicher Rodungs- und Erdarbeiten, ist noch für Ende dieses Jahres geplant.
Der Verein UferLeben Störmthaler See e.V. versuchte in der Großpösnaer Beschlusssitzung noch auf unberücksichtigte naturschutzfachliche Einwände hinzuweisen. Dies wurde jedoch vom Sitzungsleiter unterbunden, mit Verweis auf die Sächsische Gemeindeordnung und unerlaubte Einflussnahme. Bereits 2022 hatte UferLeben e.V. das Thema Planungssicherheit zur Diskussion gestellt.
Nach den naturschutzfachlichen Einwänden von Naturschutzverbänden und der zuständigen Umweltbehörde gegen den ersten B-Planentwurf im Jahr 2022 mussten die Projektentwickler umfangreiche Nachbesserungen vornehmen. Ufernahe Parkplätze und ein Gastronomieobjekt wurden zurückgenommen, die Rodung von Wald- und Röhrichtvorkommen reduziert sowie der Umfang von Ausgleichsmaßnahmen erweitert.
Naturnah und nachhaltig oder Greenwashing?
In der Außendarstellung präsentieren sich die Vorhaben mittlerweile als besonders naturnah und nachhaltig. Die Webseite www.gemeinsam-am-see.de kündigt das Inklusionsvorhaben des SEB mit den Worten an: „Startschuss für den Inklusionscampingplatz mit Vorbildcharakter! … Im Einklang mit der Natur wird eine ganz besondere Destination für Naherholung sowie regionalen und überregionalen Tourismus errichtet.“
Auch das Wassersportzentrum der Universität Leipzig wird als Natursportzentrum beworben. Doch auch Natursportaktivitäten können die Natur stark belasten. Konflikte zwischen Sportlern und „Schützern“ sind nicht selten.
Asphaltierung und positive Ökobilanz – wie passt das zusammen?
Ein Umweltbericht gibt Aufschluss über die Verträglichkeit der geplanten baulichen Maßnahmen. Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) des Landkreises Leipzig stellt kritisch fest: „Bereits ohne die Details zu betrachten, bleibt unklar, wie es möglich sein soll, dass eine unbebaute naturnahe Fläche auf dieser der kartierte Artenbestand festgestellt wurde, nach einer Bebauung mit mehreren Gebäuden, dem Herstellen einer Straße sowie Parkplätzen, weiteren Anlagen und einer Nutzung als Campingplatz, eine Aufwertung von 65270 Werteinheiten (WE) erfahren kann.“
Dieser schwerwiegende Einwand wird im planerischen Abwägungsprozess zur Kenntnis genommen, jedoch in der B-Planentwicklung nicht weiter berücksichtigt. Die Planer begründen die „ökologische Aufwertung“ schlichtweg mathematisch: „Die flächenmäßig größte Änderung findet dabei innerhalb von Intensivackerflächen statt. Hierbei handelt es sich um einen gemäß Handlungsempfehlung vorgegebenen, geringwertigen Biotoptyp (5 WE). Bereits eine geringwertige Begrünung (z.B. „Scherrasenfläche ohne Gehölze, krautartiger Bewuchs auf Straßennebenflächen“ mit 7 WE) erzeugt eine ökologische Aufwertung. Die Anlage des Campingplatzes („lediglich“ 8 WE und somit Minimalwert trotz zusätzlicher Aufwertungsmaßnahmen) erzeugt damit bereits den größten Anteil der bilanzierten Aufwertung innerhalb des Plangebietes.“ (Quelle: Abwägungsprotokoll für die Sitzung des Gemeinderates 29.04.)
Trotz Schaffung von Asphaltstraßen, Parkplätzen, Gebäuden, Fluktuation und Lärm von hunderten Menschen und Kfz wird eine positive Ökobilanz suggeriert. Und auch die Planer selbst räumen ein: „Eine Erhöhung des Versiegelungsanteils und des Bebauungs- und Nutzungsgrads innerhalb des Plangebietes ist unbestreitbar.“ Ein solches Paradoxum wirft zwingend die Frage nach der Wirksamkeit naturschutzrechtlicher Regelwerke auf, die wohl offenkundig zu bloßer Makulatur oder planerischem Spielzeug verkommen.
Verbesserung der Naturschutzbelange oder unzureichende Maßnahmen?
Die Beteiligung von Naturschutzeinrichtungen hat zu einigen Verbesserungen geführt, wie der Reduktion von Parkplätzen und den Schutz von Wald- und Röhrichtflächen. Die Universität Leipzig hat sich selbstkritisch mit ihrem Wassersportzentrum auseinandergesetzt, und das SEB-Projekt ist nachhaltiger als die ursprüngliche Machbarkeitsstudie 2016 erwarten ließ.
Trotz dieser Maßnahmen wird die Eröffnung des bisher naturbelassenen Areals negative Folgen für die Natur am Störmthaler See haben. Dieser Punkt wird oft ignoriert oder mathematisch schöngerechnet. Die Auswirkungen der Verkehrsöffnung und des erhöhten Menschenaufkommens sind offensichtlich und finden im Umweltbericht keine angemessene Betrachtung.
Auch andere naturschutzrechtliche Einwände bleiben unberücksichtigt. Von den zuletzt noch vorgebrachten 26 Einwänden der Unteren Naturschutzbehörde wurden nur die Hälfte berücksichtigt. Auch Einwände von NABU und UferLeben e.V. blieben größtenteils unberücksichtigt.
Ehrlichkeit fehlt: Wir opfern Natur für Inklusion und Bildung
Ehrlicherweise müsste man sagen: Wir opfern wertvollen Naturraum für ein innovatives Inklusionsprojekt und universitäre Wassersportbildung. Es sind unstrittig unterstützenswerte Vorhaben, aber die lokalen Bedürfnisse zum Naturerhalt sollten gehört und verstanden werden. Vertreter der Universität und der Grünen im Leipziger Stadtrat haben das erkannt, aber sie sind nicht die Entscheidungsträger.
Die SEB-Geschäftsführung brach bereits 2021 den Kontakt zur lokalen Naturschutzinitiative ab und überließ die Kommunikation der Gemeindeverwaltung Großpösna und einem Projektbeirat, in dem keine unabhängige naturschutzfachliche Expertise vertreten war. Ende 2022 unterband Oberbürgermeister Burkhardt Jung eine Grundsatzdebatte im Leipziger Stadtparlament zu Alternativen, mit dem Verweis, dass solche Entscheidungen administrativ seien und in die Zuständigkeit des Landkreises und der Gemeinde Großpösna fielen.
Ist Engagement für die Natur nicht eine wertvolle Ressource?
Ist es nicht als wertvolle Ressource zu interpretieren, wenn sich Menschen für die Natur vor ihrer Haustür einsetzen, insbesondere angesichts der nationalen und regionalen Krise im Biotop- und Artenschutz, deren Argumente auch von naturschutzfachlichen Institutionen geteilt werden? Dies sollte besonders für Menschen nachvollziehbar sein, die sich in gemeinwohlorientierten Bereichen wie Inklusion und Bildung engagieren, da ihre Vorhaben ebenfalls vom Potenzial dieses Naturraums profitieren könnten.
„Wir bedauern sehr, dass die Entscheidungsträger keine Offenheit zur ernsthaften Prüfung eines Alternativstandortes gezeigt haben. Da Zweifel an der Einhaltung naturschutzfachlicher und raumplanerischer Standards bestehen, werden wir Inhalte und Verfahren juristisch prüfen lassen,“ kündigt der Vorstand des UferLeben e.V. an.
Der Verein folgt damit einem Vorschlag aus dem Leipziger Stadtrat. Sven Morlok, ehemaliger sächsischer Wirtschaftsminister und aktueller Stadtrat im Leipziger Parlament, hatte am 15. September 2022 in der Ratssitzung Stellung bezogen und die juristischen Zuständigkeiten aufgezeigt.
Der Verein UferLeben sieht auf der weitgehend ungenutzten Magdeborner Halbinsel weiterhin einen sehr guten Alternativstandort für das Inklusionsvorhaben und das Wassersportzentrum. Dem Vermeidungsgebot nach Bundesnaturschutzgesetz §§13 und 15 Abs. 1 wäre somit am besten Rechnung getragen. Die Standortalternative Magdeborner Halbinsel wäre bei bereits etablierter Verkehrs- und Medienanbindung ohne schwerwiegende Eingriffe in den Naturraum unmittelbar verfügbar.
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