Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt nach einem Brandsatzwurf auf Polizeikräfte bei den „Tag X“-Protesten am 3. Juni mittlerweile wegen versuchten Mordes. Außerdem sitzt ein Mann in U-Haft, nachdem der Zoll bei Dresden knapp eine Million geschmuggelte Zigaretten beschlagnahmt hat. Und Rammstein-Sänger Till Lindemann geht nun rechtlich gegen die Vorwürfe gegen ihn und die Berichterstattung darüber vor. Die LZ fasst zusammen, was am Donnerstag, dem 8. Juni 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Nach „Tag X“: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes an Polizeikräften
Im Zusammenhang mit den Protesten an „Tag X“ (3. Juni) in Leipzig ermittelt die Staatsanwaltschaft Leipzig nun wegen versuchten Mordes gegen Unbekannt. Darüber hat der MDR bereits gestern Abend berichtet. Es geht um einen angeblichen Molotowcocktail-Wurf auf Polizeikräfte. Kurz nachdem die Polizei Teilnehmer*innen der Versammlung am Alexis-Schumann-Platz eingekesselt hatte, versuchten über 100 vermummte Personen, sich aus diesem zu befreien. Dabei soll mindestens ein Brandsatz in Richtung der Polizist*innen geworfen worden sein.
Videoaufnahmen von der Situation am Alexis-Schumann-Platz kurz nach 18 Uhr zeigen, wie ein Brandsatz in unmittelbarer Nähe von Polizeibeamt*innen mit einem lauten Knall explodiert. Kurz darauf ist ein Feuerball auf der Wiese zu sehen, aus dem Rauch aufsteigt. Ein Polizeibeamter, der in einer Kette mit seinen Kolleg*innen rückwärts läuft, tritt in den Feuerball und stürzt beim Versuch, sich dem Feuer zu entziehen. Wenige Sekunden später ist er wieder auf den Beinen. Auf Social Media wird seit dem Vorfall diskutiert, ob es sich bei dem Brandsatz überhaupt um einen Molotowcocktail handelt, wie die Polizei nun auch behauptet.
Währenddessen hat die Polizei eine Ermittlungsgruppe ins Leben gerufen, um die „komplexen und nicht nur kurzfristigen“ Ermittlungen bezüglich „Tag X“ zu koordinieren. Die Ermittlungsgruppe besteht aus 20 Beamt*innen, wie die Polizei mitteilt. Begründet wird die extra gegründete Gruppe und die verhältnismäßig große Anzahl an Ermittler*innen mit dem „Umfang der nunmehr aktuell über 100 registrierten Straftaten“ am Samstag.
Mittlerweile spricht die Polizei Leipzig von 28 verletzten Beamt*innen im Zusammenhang mit dem Einsatz an „Tag X“. Als Verletzungsbilder zählt die Polizei Prellungen, Knalltrauma, Schnittverletzungen und „Schmerzen“ auf. Diese seien vor allem durch Angriffe wie Schläge und Tritte, aber auch durch „Widerstände“ – offenbar von Demonstrierenden – sowie durch Stein-, Flaschen- und Böllerwürfen entstanden.
Auch zur Zahl der Personen, die sich nach dem Wochenende in Untersuchungshaft befinden, gibt es Neuigkeiten: Derzeit sitzen nach Angaben der Polizei noch neun Personen in U-Haft. Einige von ihnen sollen sich an den Ausschreitungen am Freitagabend in Connewitz beteiligt haben, einige an den Protesten am Samstag am Alexis-Schumann-Platz und einige an den Ausschreitungen am Samstagabend in Connewitz.
Im Zusammenhang mit der Situation am Alexis-Schumann-Platz am 3. Juni hatte die Staatsanwaltschaft für sechs Personen Haftbefehlserlass beantragt. Ihnen wird schwerer Landfriedensbruch und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Alle Beschuldigten (zwischen 18 und 35 Jahre alt) sind nach Angaben der Polizei nicht in Leipzig oder Sachsen gemeldet, sondern in anderen Bundesländern. Für fünf der Beschuldigten wurde Haftbefehl erlassen, zwei der Beschuldigten kamen aber unter Auflagen auf freien Fuß. Gegen einen Beschuldigten wurde der Haftbefehl aufgrund fehlender Haftgründe nicht erlassen.
Rammstein-Sänger Lindemann beauftragt Mockridge-Anwälte
Rammstein-Sänger Till Lindemann hat sich knapp zwei Wochen nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe gegen ihn erstmals öffentlich positioniert – zumindest indirekt. Wie heute bekannt wurde, hat Lindemann die Berliner Medienrechtskanzlei Schertz Bergmann beauftragt, ihn „in äußerungs- und presserechtlichen Angelegenheiten“ zu vertreten. Die Kanzlei hat sich offenbar auf berühmte Mandanten spezialisiert, die sich mit Vorwürfen der (sexuellen) Gewalt gegen Frauen konfrontiert sahen: Sie sorgte zum Beispiel im Auftrag des Komikers Luke Mockridge dafür, dass der „Spiegel“ mehrere Passagen seiner Berichterstattung über ihn schwärzen musste. Zuvor hatte der „Spiegel“ aus Ermittlungsakten gegen Mockridge zitiert und Vorwürfe anonymer Frauen gegen Mockridge veröffentlicht.
Schertz Bergmann erwirkte außerdem im Auftrag des Rappers Marteria eine einstweilige Verfügung gegen die „Bild“-Zeitung, nachdem bekannt geworden war, dass Marteria im März nach einem Streit mit seiner Lebensgefährtin in den USA in Polizeigewahrsam gekommen war. Gegen ihn wurde daraufhin wegen Körperverletzung durch Strangulation sowie Angriff auf eine Frau ermittelt, das Verfahren kurze Zeit später aber eingestellt und die Vorwürfe somit fallengelassen.
Im Fall Lindemann kündigte Schertz Bergmann heute an, „wegen sämtlicher Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einzuleiten“. Gemeint sind einige der Vorwürfe, die hunderte Frauen in den vergangenen Tagen auf Social Media erhoben haben. „So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von ‚Rammstein‘ mithilfe von K.O.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können“, fasste die Kanzlei zusammen. Diese Vorwürfe seien „ausnahmslos unwahr“.
Der Jurist und ehemalige Bundestagsabgeordnete Niema Movassat (Die Linke) sieht in der Beauftragung der Kanzlei Schertz Bergmann durch Lindemann eine klare Message: „Mit dieser Stellungnahme der Anwälte von Till Lindemann hat sich Rammstein entschieden, statt zur Aufklärung beizutragen, Opfer systematisch mundtot zu machen“, schrieb Movassat auf Twitter.
Mehrere Frauen haben in den vergangenen Wochen von einer Art „Sex-Casting“ junger Frauen für Lindemann rund um Rammstein-Konzerte berichtet. Unter anderem hatten eine Frau aus Irland, die vor Kurzem ein Konzert der Band in Vilnius besucht hatte, den Verdacht geäußert, von Personen aus dem Umfeld Lindemanns beziehungsweise von Lindemann selbst unter Drogen gesetzt worden zu sein. Auch die Schilderungen der deutschen Youtuberin „Kayla Shyx“ über den Umgang mit weiblichen Rammstein-Fans auf den After-Show-Partys haben in den letzten Tagen für viel Aufsehen gesorgt.
Rammstein hat die Vorwürfe bezüglich des Konzerts in Vilnius dementiert. „Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst“, ließ die Band am Samstag verlauten. Rammstein verurteile jede Art von Übergriffigkeit und bat die Fans: „Beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge.“ Dazu betonte die Band: „Wir, die Band, haben aber auch ein Recht – nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden.“
Am Mittwochabend war Rammstein das erste Mal seit Bekanntwerden der Vorwürfe öffentlich in Deutschland aufgetreten: Die Band spielte das erste von vier Serienkonzerten in München. Rund 60 Personen demonstrierten unter Polizeischutz vor dem Olympia-Stadion, einige Rammstein-Fans beschimpften die Demonstrierenden. Zu den Vorwürfen äußerte sich auf der Bühne keines der Bandmitglieder. Das deutlichste Signal ging von Schlagzeuger Christoph Schneider aus: Als die Bandmitglieder sich am Ende des Konzerts von den Fans verabschiedeten, brach Schneider in Tränen aus.
Knapp eine Million unversteuerte Zigaretten: Fahrer in U-Haft
Der Zoll hat am gestrigen Mittwoch auf der A4 nahe Dresden eine wertvolle Ladung beschlagnahmt: Knapp eine Million unversteuerte Zigaretten fanden die Beamt*innen im Laderaum eines Kleintransporters mit polnischem Kennzeichen. Das teilte das Hauptzollamt Dresden heute mit. Bei der beschlagnahmten Ware handelt es sich um Zigaretten der Marken Marlboro und L&M, die in hundert Kartons im Transporter verstaut waren.
Der entstandene Steuerschaden liegt laut dem Hauptzollamt Dresden bei fast 190.000 Euro. Der Fahrer wurde noch vor Ort vorläufig festgenommen, gegen ihn wird nun im Rahmen eines Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Am heutigen Donnerstag hat das Amtsgericht Dresden Haftbefehl gegen den Mann erlassen. Zuvor hatte die mobile Zollstreife den Transporter für eine Zollkontrolle aus dem Verkehr gewunken.
Leipziger Bachfest eröffnet
Worüber die LZ heute außerdem berichtet hat: darüber, ob die Stadt die selbstauferlegte Energieeinsparung geschafft hat,
über das Leipziger Jugendparlament und
über Blühstreifen auf zehn weiteren Leipziger Straßen.
Was heute außerdem wichtig war: Unter dem Motto „Bach for Future“ wurde heute Abend das diesjährige Leipziger Bachfest eröffnet. Zur Eröffnungsveranstaltung in der Thomaskirche traten am Donnerstagabend der Thomanerchor und das Gewandhausorchester unter Leitung von Thomaskantor Andreas Reize auf. Das Bachfest würdigt alljährlich die Werke des Komponisten Johann Sebastian Bach und läuft noch bis zum Sonntag, den 18. Juni. Im Vordergrund steht in diesem Jahr ein großes Jubiläum: Am ersten Sonntag nach Trinitatis 1723 trat Bach sein Amt als Leipziger Thomaskantor an. Sein Amtsantritt jährt sich in diesem Jahr zum 300. Mal.
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