Wohl kaum eine Sachsenwahl erlebte bislang einen derart langen Vorlauf, wie die als wegweisend eingestufte Landtagswahl am 1. September 2019. Als eine Art Richtungsentscheidung im Osten wird sie bereits jetzt gehandelt, jede Kandidatennominierung ebenso beobachtet, wie die ersten Stimmen aus den Parteien zur Wahlkampfausrichtung. Und acht Monate vorher hat sogar bereits die Zeit der Glaskugelleserei über Regierungsmöglichkeiten begonnen. Wo steht die Leipziger Linke am Vorabend der eigenen Kandidatenkür? Zeit für eine erste Standortbestimmung mit Adam Bednarsky, dem Leipziger Stadtvorstand der Linken.

Beginnen wir mit der aktuellen Lage, Herr Bednarsky. In letzter Zeit gibt es immer wieder Meldungen (siehe AfD in Bremen, Anschlag zu Silvester in Leipzig, in Döbeln usw.), bei welchen angenommen wird oder bereits klar scheint (Leipzig), dass die Taten aus politischen Gründen stattfanden. Was versteht die Leipziger Linke unter einem konsequenten Eintreten für Antifaschismus und gegen menschenverachtende Ideologien?

Unsere Partei wirkt in der Tradition mutiger und couragierter AntifaschistInnen, von denen viele im Kampf gegen die Nazi-Barbarei ihr Leben ließen. Getreu dem Motto der Überlebenden von Buchenwald sagen wir: Nie wieder Faschismus! Unser Eintreten für eine soziale und gerechte Gesellschaft ist die beste Grundlage, den Nazis von heute ihren Aktionsradius einzugrenzen.

Bei den strafrechtlich relevanten Aktionen, die Sie ansprechen, besteht die große Gefahr, dass sich ungewollte Solidarisierungseffekte mit der rechten Seite einstellen. Damit kann das Anliegen in sein Gegenteil verkehrt werden. Somit sagen wir, jeder kleine Schritt des sozialen Engagements und der humanistischen Aufklärung ist wichtig – im Kleinen wie in der vermeintlich großen Politik.

Im Vorgespräch haben Sie gesagt, für Sie ist Wohnen ein Menschenrecht und keine Anlegestrategie. Welche Möglichkeiten gibt es, vor allem in den Großstädten Sachsens Fehler anderer Metropolen wie Hamburg, München oder Berlin nicht noch einmal zu machen?

Wohnen ist in der Tat die soziale Frage unserer Zeit und somit ein Kernthema für meine Partei. Auch wenn wir in Leipzig noch nicht so hohe Mieten haben wie in München, Hamburg oder Frankfurt. Denn hier sind die Einkommen wesentlich geringer. Schon jetzt muss knapp jeder dritte Leipziger mehr als 30 Prozent davon für die Miete aufwenden. Hier brauchen wir dringend eine Trendwende.

Allein in Leipzig fehlen mehr als 46.000 bezahlbare Wohnungen. Lösungen sind allerdings komplex und erfordern Maßnahmen auf verschiedenen politischen Ebenen. Zuerst einmal muss der soziale und gemeinnützige Wohnungsbau in Sachsen wieder in Gang gebracht werden Wir verlieren wertvolle Zeit.

Machen wir Druck: Eine gute sächsische Regierung hätte schon längst gehandelt und entsprechende Förderprogramme aufgelegt.

Zwei drängende Fragen sind in diesem Zusammenhang in Leipzig, aber auch und vor allem im Osten relevant – Altersarmut in Verbindung mit den derzeitigen Löhnen. Welche Ansätze gäbe es, dies nachhaltig zu verändern, und was kann die Landesebene dafür tun?

Sie sprechen ein weiteres drängendes Problem an. Nach Dortmund ist Leipzig immer noch eine der deutschen Armutshauptstädte. Nachdem es in den letzten Jahren ein quantitatives Wachstum an Arbeitsplätzen gab, muss es in den nächsten Jahren darum gehen, qualitativ hochwertige und gut bezahlte Jobs zu schaffen.

Hier ist eine kluge Wirtschaftspolitik erforderlich – von der aktuellen Staatsregierung sind dahingehend leider kaum Impulse zu erwarten. Und auf Bundesebene muss endlich damit Schluss sein, DDR-Biografien zu benachteiligen. Die Angleichung der Ost- an die Westrenten ist überfällig – hier dürfen keine weiteren Ausreden gelten, und hier müssen wir „Ossis“ mutiger auftreten. Meine Partei steht genau für diese Inhalte und die Einführung des Mindestlohns in Höhe von 12 Euro.

Apropos Osten – derzeit läuft ein Volksantrag längeres gemeinsames Lernen in Sachsen. Wie steht die Linke Leipzig zum Thema Bildung, speziell bezogen auf diese Frage?

Jedes Kind hat ein Recht auf gute Bildung und die darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Wir müssen daher grundsätzlich umsteuern, Kurs nehmen auf eine neue Lernkultur und auch auf eine teilweise neue Lernstruktur. Deshalb ist es gut, dass ein breites Bündnis jetzt den Volksantrag für längeres gemeinsames Lernen gestartet hat. Diese Forderung vertreten wir als LINKE seit Jahren.

Bisher wurden von unserer Partei über 10.000 Unterschriften in ganz Sachsen gesammelt. Die nächste Aktions-Sammelwoche findet ab dem 11. Februar 2019 statt. Dann wollen wir nochmals gezielt vor den Grundschulen der Stadt Unterschriften sammeln.

All das beginnt ja einen Schritt vorher, bei der Vorschulbildung. Gerade ist das „Gute-Kita-Gesetz“ auf Bundesebene an den Start gebracht worden. Wie viele Leipziger Kinder und Eltern betrifft das, was bringt es für die finanziell schwachen Leipziger und ihre Kinder und was nicht?

Das Gesetz ist eine Mogelpackung. Durch dieses Gesetz wird keine einzige Familie bzw. kein einziges Kind in Sachsen finanziell profitieren. Die sächsische Staatsregierung plant, die dem Freistaat zustehenden 75 Millionen Euro für die Bezahlung der Vor- bzw. Nachbereitungsstunden der Erzieherinnen und Erzieher in den Kindergärten zu verwenden. Wir unterstützen die Zielstellung, endlich auch Vor- und Nachbereitung adäquat zu bezahlen. Es ist jedoch ein Skandal, dass sich die sächsische Staatsregierung mal wieder aus der Verantwortung stiehlt.

Sie will nämlich die Bundesmittel nicht zusätzlich verwenden, sondern ersetzt damit die schon im Sächsischen Haushalt eingeplanten Mittel in gleicher Höhe. Wir als LINKE fordern, dass die Bundesmittel zusätzlich eingesetzt werden. So würden 150 Mio. Euro aus Bundes- und Landesmitteln für die qualitative Verbesserung der Kinderbetreuung in Sachsen zur Verfügung stehen.

Angesichts der zunehmend stärkeren Umfragewerte der Grünen auch in Sachsen rückt – neben einer klar europafreundlichen und antirassistischen Grundhaltung – offenbar auch das Thema Umwelt, Umweltschutz und Klimawandel immer stärker ins Bewusstsein der Menschen. Gibt es dazu konkrete Ansätze, welche die Linke in und für Sachsen verfolgt?

Die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation ist für uns eine Selbstverständlichkeit und deswegen keinesfalls neu. Für DIE LINKE ist das Wort sozial dabei essentiell. Für uns gibt es keine ökologische Wende, ohne die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit zu stellen. Der dringend notwendige sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft betrifft die gesamte Art und Weise, wie und was wir produzieren und wie der gesellschaftliche Reichtum verteilt und verwendet wird. Man muss dabei immer auch die Frage nach Umverteilung stellen.

Ein ganz konkreter Ansatz zum Umweltschutz hier vor Ort ist die notwendige Verkehrswende. Gerade in Leipzig kämpfen wir für eine Verbesserung des Radverkehrs und für einen bezahlbaren ÖPNV. Erst Ende letzten Jahres ist es unserer Stadtratsfraktion gelungen, die jährlichen Preissteigerungen bei der LVB zu stoppen. Übrigens gegen die Stimmen der Grünen.

Nach derzeitigen Umfragen stehen eigentlich in Sachsen (aktuell) zum Einstieg in den Wahlkampf zur Sachsenwahl nur zwei Koalitionsoptionen im Raum: CDU/SPD/Grüne oder CDU/AfD. Die Linke kommt bei diesen ersten Denkspielchen praktisch nicht vor. Wie könnte sie das ändern?

Bleiben wir bei den aktuellen Umfragelieblingen, der grünen Partei. Diese sind CDU-kompatibel, weil sie für ein „Weiter-so“ mit grünem Anstrich stehen. Ein zutiefst ungerechter Kapitalismus soll nicht etwa überwunden, sondern allenfalls „nachhaltig“ gestaltet werden. DIE LINKE steht hingegen für einen konsequenten sozial-ökologischen Systemwechsel. Es geht uns vor allem um die Veränderung von gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen zugunsten der lohnabhängig Beschäftigten und prekarisierten Bevölkerungsteile.

Wir arbeiten jeden Tag daran, als konsequente, linke Oppositions- und Gestaltungspartei in der Bevölkerung für unsere Inhalte zu werben und politischen Druck aufzubauen. Wir werden außerparlamentarisch, parlamentarisch und in den Wahlkämpfen des Jahres 2019 klarmachen, dass es nur eine Partei gibt, die sich konsequent für die Verbesserung der Lage aller Menschen einsetzt: DIE LINKE.

Ist nach derzeitiger Lage auch innerhalb und zwischen den Parteien ein Bündnis R2G in Sachsen überhaupt denkbar?

Denkbar ist denkbar vieles. Die anti-soziale Politik in Sachsen muss gestoppt werden, sie ist ein zentraler Nährboden der aktuellen nationalistischen-rechtspopulistischen Bewegungen. Wir laden alle zivilgesellschaftlichen Gruppen und Parteien ein, sich gemeinsam mit uns für gesellschaftliche Mehrheiten einzusetzen. Wenn mit dem Ergebnis der Landtagswahl am 1. September 2019 eine parlamentarische Mehrheit für Rot-Rot-Grün (R2G) besteht, werden wir den Dialog nicht verweigern.

Informationen zur Leipziger Kandidatenkür am 19. Januar 2019

Leipziger Linke rüstet sich für Landtagswahl 2019

Kandidatenzeit (5): Die Wahlkreise 30 und 31 – The Swingstates of Leipzig

Kandidatenzeit (5): Die Wahlkreise 30 und 31 – The Swingstates of Leipzig

Die Leipziger Wahlkreise zur Sachsenwahl am 1. September 2019

Wahlkreiseinteilung zur Landtagswahl 2019. Karte: Freistaat Sachsen, Landesamt für Statistik
Wahlkreiseinteilung zur Landtagswahl 2019. Karte: Freistaat Sachsen, Landesamt für Statistik

Wahlkreis 27 (Anger-Crottendorf, Althen-Kleinpösna, Baalsdorf, Engelsdorf, Heiterblick, Holzhausen, Mölkau, Sellerhausen-Stünz und Stötteritz)

Wahlkreis 28 (Probstheida, Connewitz, Dölitz-Dösen, Liebertwolkwitz, Lößnig, Marienbrunn, Meusdorf und Südvorstadt)

Wahlkreis 29 (Großzschocher, Burghausen-Rückmarsdorf, Grünau-Mitte, Grünau-Nord, Grünau-Ost, Grünau-Siedlung, Hartmannsdorf-Knautnaundorf, Kleinzschocher, Knautkleeberg-Knauthain, Lausen-Grünau, Miltitz und Schönau)

Wahlkreis 30 (Altlindenau, Böhlitz-Ehrenberg, Leutzsch, Lindenau, Lützschena-Stahmeln, Neulindenau, Plagwitz und Schleußig)

Wahlkreis 31 (Reudnitz-Thonberg, Zentrum, Zentrum-Nord, Zentrum-Nordwest, Zentrum-Ost, Zentrum-Süd, Zentrum-Südost und Zentrum-West)

Wahlkreis 32 (Eutritzsch, Gohlis-Mitte, Gohlis-Nord, Gohlis-Süd, Lindenthal, Möckern und Wahren)

Wahlkreis 33 (Mockau-Nord, Mockau-Süd, Neustadt-Neuschönefeld, Plaußig-Portitz, Schönefeld-Abtnaundorf, Schönefeld-Ost, Seehausen, Thekla, Volksmarsdorf und Wiederitzsch)

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Keine Kommentare bisher

“Meine Partei steht genau für diese Inhalte und die Einführung des Mindestlohns in Höhe von 12 Euro.”

Ob das die Betreiber der Connewitzer Szenekneipen, die ja auch seinen Roten Stern unterstützen und wo er und Jule gerne mal trinken gehen, ähnlich euphorisch sehen?
Das große Bier wird in so einem Fall nicht mehr unter 5 oder 6 EUR zu haben sein.

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