Das arabische Wort Hawala bedeutet so viel wie Überweisung – es beschreibt eine einfache Technik, Gelder abseits offizieller Banken zu verschieben. Vor dem Landgericht müssen sich seit Donnerstag vier Syrer (16, 28, 26, 30) und ein Deutscher (24) verantworten, die ihr Insiderwissen für Überfälle genutzt haben sollen.
Ein pakistanischer Gastarbeiter, sagen wir in Saudi-Arabien, zahlt einen Teil seines Monatslohns bei einer Person seines Vertrauens ein, erhält dafür einen Code. Diesen übermittelt er seiner Familie in der Heimat, die dann gegen Vorlage des Codes das Geld bei einem Verbindungsmann vor Ort in Landeswährung ausgezahlt bekommt. An diesem vereinfachten Beispiel lässt sich illustrieren, wie das sogenannte Hawala-Banking funktioniert. Basierend auf einem informellen Beziehungsnetz abseits von Banksystem und Automaten, lassen sich so auch enorme Geldsummen problemlos hin- und herschieben. Die wichtige Ressource dabei: Vertrauen. Wer hier einmal betrügt, hat keine Chance mehr, sagen Insider.
Da diese Überweisungstechnik kaum Spuren hinterlässt, zieht sie auch Kriminelle, Drogenhändler und Terroristen an. In Deutschland ist Hawala-Banking per se nicht strafbar, aber genehmigungspflichtig.
„Geld sollte um jeden Preis erlangt werden“
Zwei der Männer, die sich seit Donnerstag vor dem Leipziger Landgericht verantworten müssen, sollen ihr Insider-Wissen über solche Transfers ausgenutzt und sich mit drei Komplizen zusammengetan haben, um Geldkuriere zu überfallen. Die beiden Syrer Qusay A. (28) und Abboud A. (30) hätten darauf gesetzt, dass wegen der Herkunft des transportierten Geldes mit keiner Strafanzeige bei der Polizei zu rechnen sei, sagte Oberstaatsanwältin Beate Herber. „Das Geld sollte um jeden Preis erlangt werden.“
Überfall in Magdeburg?
Abboud A. habe einem unbekannten Boten irgendwann vor dem 12. Januar 2018 eine Geldsumme zwischen 15.000 und 30.000 Euro am Leipziger Hauptbahnhof übergeben und anschließend seine Komplizen Ahmad A. (26) und Jonny A. (24) informiert. Diese hätten den Kurier bis Magdeburg verfolgt und das Geld dort gewaltsam an sich genommen. Ein zweiter, für Ende Januar geplanter Raub sei wegen der Verhaftung der Akteure dagegen nicht mehr realisiert worden.
Angeklagte schweigen – Verteidigung zweifelt Beweismittel an
Da es für den mutmaßlichen Überfall keinen Zeugen gibt und die Kenntnisse der Ermittler vor allem auf einem mitgeschnittenen Telefonat basieren, dürfte die Beweisführung kompliziert werden. Die Angeklagten selbst wollten am Donnerstag keine Angaben zum Tatvorwurf des gemeinschaftlich begangenen, schweren Raubes machen. Stattdessen erklärten die Strafverteidiger von Ahmad A., der beim Überfall dabei gewesen sein soll, die Mutmaßung über einen Überfall mit Schusswaffe basiere auf einer fehlerhaften Übersetzung des abgehörten Telefongespräches.
So sei in der Audiodatei nur von „zuschlagen“ die Rede, was der arabischen Übersetzung von „schießen“ vom Klang her nah komme. Zugleich spräche der Satz „Wenn die Aktion stattgefunden hätte, hätten wir etwas bekommen“ dagegen, dass es jemals zu dem angeklagten Raub kam, sagte Rechtsanwalt Stephan Flemming.
Die 2. Strafkammer unterbrach den Prozess am Donnerstag und wird ihn voraussichtlich am 21. September fortsetzen. Vorsorglich wurden elf weitere Verhandlungstermine bis Dezember geplant.
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