Als sich die Stadträte am heutigen Mittwoch zum Ratssaal begaben, wurde der Weg ein Schlängellauf. Mehrere Initiativen hatten sich, vor dem Eingang beginnend, über die Wandelhalle bis zum Eingangsbereich des Ratssaals positioniert. Darunter unter anderem rund 30 Aktivisten, die sich für eine andere Asylpolitik auch in Leipzig einsetzten, ein kleiner Protest gegen den Fluglärm am Flughafen Leipzig/Halle und eine Pressekonferenz samt Infomaterialien seitens der freien Szene. Diese hatte unter der Initiative „Leipzig plus Kultur“ die Einbringung des Doppelhaushaltes 2019/20 heute genutzt, eine dringend deutlich höhere Förderung der freien Szene durch die Stadt Leipzig zu fordern.
Bevor man jedoch zum Geldbedarf der freien Szene vordrang, lag am 19. September jede Menge Orange vor dem Rathauszugang herum. Junge Menschen hatten sich als Ertrunkene positioniert, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, dass die Stadt Leipzig beginnen solle, im Rahmen des Städteverbundes Eurocities direkt Asylsuchende aufzunehmen, die in ihren europäischen Ankunftsländern festsitzen. Während die ebenfalls im Verbund mitarbeitenden Städte Berlin, Bonn, Düsseldorf und Köln bereits angeboten haben, diese häufig aus Seenot geretteten Menschen aufzunehmen, ist es in Leipzig noch ziemlich ruhig.
Nun forderten sie nicht das erste Mal in den vergangenen Monaten, dass Leipzig „sich endlich für eine freiwillige Initiativaufnahme von Geflüchteten in dringenden humanitären Fällen einsetzen bzw. bürgen soll.“ Für die Unterbringung dieser Menschen stünden derzeit rund 1.400 freie Plätze in Asyl-Unterkünften zur Verfügung. Parallel dazu wollten sie damit auf ihre Petition hinweisen, welche diese Forderung verstärken soll. Weitere Unterschriften werden hier also zur Einreichung der Petition bei der Stadt Leipzig noch gesucht.
Mehr Geld für die Freie Szene Leipzig
In der oberen Wandelhalle dann also die Pressekonferenz des Vereins „Leipzig plus Kultur“, welche ihrer Forderung nach mehr Fördergelder um jährlich 3,6 Millionen auf mindestens 9 Millionen gesamt seitens der Kommune Ausdruck verliehen. Angesichts eines heute eingebrachten Gesamthaushaltes der Stadt von fast 2 Milliarden nicht wirklich viel.
Im 2014 gegründeten Verein haben sich unter diesem Dach verschiedenste Kulturhäuser und Künstler aus den freien Szenesparten Bildende und Darstellende Kunst, Medien und Literatur sowie Musik und Soziokultur zusammengefunden, um gegenüber der Stadtpolitik geschlossener auftreten zu können.
Und dies scheint bitter nötig, betrachtet man die Rückschau der Initiative für das abgelaufene Förderjahr 2017. So sind in diesem Kulturbereich, in welchem rund 50 Prozent aller Veranstaltungsbesuche der Leipziger und internationaler Gäste stattfinden, nach wie vor Einkommensverhältnisse die Regel, dass die „Akteure der Freien Szene zu den ,working poor‘“ gehören. Laut einer eigenen Umfrage in der Sparte Darstellende Künste gaben die Theater-, Ballet- und Musiktheaterakteure eine durchschnittliche Tagesgage von 47 Euro und somit rund 26 Prozent des Mindestlohnes zu Protokoll.
Weiter heißt es in der Gesamtschau 2017: „2017 lagen die Stundenhonorare in den von der Stadt Leipzig geförderten Projekten durchschnittlich bei 5,- € und damit bei ca. der Hälfte des gesetzlichen Mindestlohns.“ Und eben diesen müsste man nun endlich erreichen.
Wer die Initiative kennt, weiß jedoch auch, dass sie mitnichten zum Betteln gekommen waren. Weshalb sie ebenfalls schlagkräftige Argumente dabeihatten. Zum einen verwiesen die Akteure auf die rund 300 prozentige Rendite für die Stadt durch Begleiteffekte wie Hotelunterkünfte und weiterer Ausgaben ihrer Gäste – kurz der „Umwegrendite“, bei welcher zusätzliche Steuern in der Stadt verbleiben. Hinzu kämen zusätzliche Förderungen, welche die Häuser und Künstler bei Förderung durch die Stadt von Land und Bund einwerben könnten.
Zur eigentlich nötigen Förderhöhe heißt es: „Hochgerechnet auf alle Sparten der Freien Kulturszene Leipzigs ergibt sich ein Bedarf von 14,8 Millionen städtischer Förderung, wenn bei gleicher Förderquote die bundesweit gesetzten Standards erreicht werden sollen. Das entspricht einem Aufwuchs der Fördermittel um ca. 9 Millionen Euro.“
Um nun wenigstens eine Honorarhöhe entsprechend dem gesetzlichen Mindestlohn zu erreichen, „sind mindestens 9,3 Millionen Euro städtischer Fördermittel nötig.“ Die kommenden Haushaltsberatungen werden hier sicher weitere Debatten bringen.
Zu den ausführlichen Begründungen seitens Leipzig plus Kultur im Netz
Die Zahlen im Detail zur Berechnung des Mehrbedarfs seitens „Leipzig plus Kultur“ (PDF)
Leipziger Zeitung Nr. 59, Ausgabe September 2018 ist da.
Zwischen Überalterung und verschärftem Polizeigesetz: Der Ostdeutsche, das völlig unbegreifliche Wesen
Die Septembersitzung des Stadtrates Leipzig am 19. September (im Stream & Mitschnitt danach)
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