Es ist noch nicht der richtige, vom Stadtrat bestellte Wärmeplan. Aber das jetzt für die Ratsversammlung vorgelegte „Rahmenpapier des kommunalen Wärmeplans für die Stadt Leipzig“ beschreibt schon sehr detailliert, was für eine Herkulesaufgabe da auf Leipzig und die Leipziger Gruppe in den nächsten Jahren zukommt, um die Stadt bis 2045 klimaneutral zu machen. Das kostet viel Geld. Aber wer jetzt nicht plant, zahlt noch viel mehr.

Oberbürgermeister Burkhard Jung konnte zwar zum Pressetermin am Mittwoch, dem 8. Januar, im Stadtbüro nicht teilnehmen, lässt sich aber mit mahnenden Worten zitieren: „Rund ein Drittel der CO₂-Belastung in
Deutschland entsteht durch das Heizen. Das Ziel, diesen Sektor bis 2045 klimaneutral umzubauen, ist richtig, wenn wir unsere Klimavorgaben einhalten wollen.

Aber die Aufgabe ist gewaltig, vielleicht vergleichbar mit dem Aufbau Ost der vergangenen Jahrzehnte, dieses Mal für ganz Deutschland. Wir reden hier deutschlandweit über Kosten von bis zu zwei Billionen Euro. Wir brauchen dringend verbindliche Förderinstrumente des Bundes, ansonsten wird die Wärmewende nicht zu stemmen sein.“

Dass man bei so einer Zahl vorsichtig sein solle, betonten sowohl Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal als auch Karsten Rogall, Sprecher der Geschäftsführung der LVV, die den Rahmenplan am Mittwoch vorstellten.

Denn die zwei Billionen Euro sind eine Gesamtkalkulation, die der Deutsche Städtetag einmal vorgenommen hat. Darin enthalten sind aber auch sämtliche Kosten, die in den nächsten 20 Jahren sowieso fällig werden, weil alte Heizungen ausgetauscht, Leitungen erneuert, Infrastrukturen saniert werden müssen. Kosten, die auch dann anfielen, wenn Deutschland keine Energiewende bewältigen müsste.

Den Wärmeplan gibt es 2026

Aber der Umbau und Ausbau der Infrastrukturen kostet trotzdem Geld. Und ganz aus eigener Kraft wird das weder Leipzig noch eine andere Stadt in Deutschland bewältigen können. Ohne ein großes Investitionsförderprogramm des Bundes wird es nicht gehen. Seit dem 1. Januar 2024 gibt es das Wärmeplanungsgesetz, auf dessen Grundlage die Kommunen eigentlich Fördergelder auch schon für die Wärmeplanung bekommen können.

Aber Leipzig werde wohl keinen müden Cent daraus sehen, stellte Heiko Rosenthal am Mittwoch fest. Denn Grundlage für die Verteilung ist eine Gesetzgebung auf Länderebene – die es aber im Freistaat Sachsen bislang nicht gibt. Also habe man schon eine „niedrige sechsstellige Summe“ in die Rahmenplanung gesteckt, so Rosenthal. Und arbeitete jetzt daran, die Wärmeplanung weiter zu konkretisieren, um dem Stadtrat dann 2026 einen richtigen Wärmeplan vorlegen zu können.

Sie sStellten den Rahmenplan für die Leipziger Wärmewende am 8. Januar im Stadtbüro vor: Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal und Karsten Rogall, Sprecher der LVV-Geschäftsführung. Foto: Ralf Julke
Stellten den Rahmenplan für die Leipziger Wärmewende am 8. Januar im Stadtbüro vor: Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal und Karsten Rogall, Sprecher der LVV-Geschäftsführung. Foto: Ralf Julke

Grundlage dafür war die Ermittlung des aktuellen und des künftigen Energiebedarfs: Leipzig hat zurzeit einen Gesamtwärmebedarf von rund 4.600 Gigawattstunden pro Jahr; weniger als 2,5 Prozent davon werden momentan aus erneuerbaren Energien hergestellt. Knapp die Hälfte des Wärmebedarfs wird momentan mit Erdgas gedeckt, 28 Prozent mit Fernwärme.

Jedes zehnte Gebäude heizt mit Heizöl. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Gebäudeenergiegesetz festgelegt, dass deutschlandweit ab 2045 nur noch klimaneutrale Heizungen betrieben werden dürfen.

12 Milliarden für die Wärmewende

Bis auf jedes einzelne Haus genau habe man dafür eine digitale Karte erstellt, so Rosenthal, die den Sanierungsstand und die aktuelle Energieversorgung festhält. Auf dieser Grundlage hat die Stadt die Gesamtsummen ermittelt, die ungefähr für die komplette Wärmewende in Leipzig nötig sein werden.

Dabei entfallen rund 6 Milliarden auf eine energetische Sanierung des Gebäudebestandes (bei einer Vollsanierung, die die Möglichkeiten der meisten Immobilienbesitzer bei weitem übersteigt, wären es sogar 18,5 Milliarden Euro). Dazu kommen 5,9 Milliarden Euro für den Umbau der Energieversorgung.

Und wer jetzt denkt, das bezahle alles die Stadt, der irrt: Da stecken auch alle Gelder mit drin, die jeder einzelne Immobilieneigentümer investieren muss, um sein Haus bis 2045 klimaneutral zu bekommen. Und die meisten Hauseigentümer in Leipzig wissen das. Allein für einen Anschluss ans Fernwärmenetz liegen den Stadtwerken rund 6.000 Kundenanfragen vor, sagt Rogall.

Fernwärme wird der wichtigste Weg sein, Leipzig möglichst schnell klimaneutral zu bekommen. Heute sind schon 30 Prozent der Leipziger Gebäude ans Fernwärmenetz angeschlossen, künftig sollen es 45 bis 50 Prozent sein, perspektivisch möglicherweise bis zu 60 Prozent.

Zum Fernwärmebestand in Leipzig, die fünf geplanten Ausbaugebiete (grün) und die Prüfgebiete für mögliche Fernwärmeanschlüsse (schraffiert). Karte: Stadt Leipzig
Der Fernwärmebestand in Leipzig, die fünf geplanten Ausbaugebiete (grün) und die Prüfgebiete für mögliche Fernwärmeanschlüsse (schraffiert). Karte: Stadt Leipzig

Fünf Ausbaugebiete haben die Stadtwerke im Leipziger Stadtgebiet ausgemacht, wo sie in den nächsten Jahren auf jeden Fall das Fernwärmenetz ausbauen werden. Ein Pilotprojekt befindet sich dafür in der Südvorstadt, deren westlicher Teil als erstes vorbildhaft mit Fernwärme ausgestattet werden soll. Der Plan dafür soll dem Stadtrat im Frühjahr vorgelegt werden, kündigt Heiko Rosenthal an.

Pilotgebiet deshalb, weil dabei der komplette Straßenraum angepackt wird, sämtliche Leitungen im Untergrund erneuert werden und oberirdisch mehr Aufenthaltsqualität mit Bäumen, Sitzbänken und Radbügeln geschaffen wird.

Für mehr Wärmepumpen braucht es mehr Strom

Neben den fünf schon geplanten Ausbaugebieten haben die Stadtwerke auch noch großräumig Prüfgebiete rund um den Stadtkern definiert, wo sie in den nächsten Jahren herausbekommen wollen, ob sich hier ein Fernwärmeausbau lohnt. Denn am Ende geht es ums Geld. Nicht in jedem Teil der Stadt ist Fernwärme der preiswertere Energielieferant.

Während im Stadtzentrum die Versorgung mit Fernwärme noch überall, nachverdichtet werden kann, wo heute noch Gasanschlüsse liegen, rechnet sich Fernwärme in ländlicheren Stadtbereichen nicht. Der Ausbau würde so teuer werden, dass ihn die Kunden nicht mehr bezahlen können.

Weshalb auch Rogall davon ausgeht, dass diese Bereiche der Stadt künftig ihre Wärme mit Wärmepumpen erzeugen. Das aber hat wieder Folgen für die Stromversorgung, denn dafür ist das Leipziger Stromnetz heute noch nicht ausgelegt. Rogall geht davon aus, dass sich der Leipziger Strombedarf bis 2038 von derzeit 2,3 auf 4,3 TWh erhöhen wird. Während der Wärmebedarf durch den Ausbau des Fernwärmenetzes sogar sinkt (von 5,5 auf 4,9 TWh).

Aber für die Leipziger Gruppe bedeutet das trotzdem, dass sie allein 800 Millionen Euro in den Ausbau des Fernwärmenetzes investieren muss. Das Leitungsnetz wächst dabei von 500 auf 800 Kilometer. Der Ausbau der Strominfrastruktur, die dann den massenhaften Betrieb von Wärmepumpen und immer mehr E-Autos ermöglichen muss, wird von der Leipziger Gruppe auf rund 500 Millionen Euro kalkuliert. Das sind die konkreten Summen der Wärmewende, die auf die Leipziger Gruppe zukommen.

Viermal 50 Millionen Euro aus dem Leipziger Stadthaushalt

Und deshalb sind im neuen Doppelhaushalt 2025/2026 eben auch 100 Millionen Euro als Unterstützung für die Leipziger Gruppe vorgesehen, damit sie die Projekte in Angriff nehmen kann. Weitere 100 Millionen Euro sollen im nächsten Doppelhaushalt folgen.

Dass sich das alles refinanzieren muss, dessen ist sich auch Rogall sicher. Aber die Energieversorgung für die Leipziger soll sich dabei nicht stärker verteuern als die allgemeine Inflation. Rogall: „Unser Ziel ist es, eine sichere, bezahlbare und klimaneutrale Wärmeversorgung in Leipzig aufzubauen. Dazu gilt es, das Fernwärmenetz weiterzuentwickeln, das Stromnetz für die neuen Herausforderungen fit zu machen und gleichzeitig die Trink- und Abwasserinfrastruktur zu erneuern. Wir wollen deshalb nun mit aller Kraft den Ausbau unserer Netze voranbringen.“

Bleibt freilich die Frage der Klimaneutralität. Denn die Fernwärme wird aktuell in den Kraftwerken der Stadtwerke nach wie vor mit Erdgas erzeugt. Zwei Projekte werden das in naher Zukunft ein Stück weit verändert. Ab 2026 soll die neue Solarthermieanlage in Lausen Fernwärme ins Netz speisen.

Und 2026 sollen auch die Arbeiten an der Fernwärmeleitung nach Leuna beginnen, die künftig industrielle Abwärme nach Leipzig bringen soll, sodass allein davon 100.000 Leipziger Haushalte versorgt werden können.

Nur vom Erdgas kommt Leipzig so schnell nicht los. Eigentlich hätten auch die Stadtwerke fest damit gerechnet, dass noch in diesem Jahrzehnt der erste Grüne Wasserstoff über das H2-Kernnetz nach Leipzig fließt. Aber das Kernnetz soll erst 2032 fertig sein, sodass Rogall erst Mitte der 2030er Jahre damit rechnet, dass in den wasserstofffähigen Turbinen der Stadtwerke grüner Wasserstoff zugesetzt werden kann.

Eigene Pläne, selbst grünen Wasserstoff herzustellen, habe man vorerst verschoben, so Rogall. Dazu sei die Technik noch nicht ausgereift genug.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Dieser Fahrplan ist erst einmal ein Anfang. Der weitere Ausbau der Fernwärmeversorgung (FW) wird lt. Fahrplan als nachhaltig eingeordnet und wäre überdenkenswert unter bestimmten Voraussetzungen:
1. zur Fernwärme: Bisher gibt es für die FW-Versorgung für die Stadt nur einen Anbieter – die Stadtwerke Leipzig im Verbund der L-Gruppe als Tochterfirma der Stadt Leipzig. In den festgelegten FW-Versorgungsgebieten wird seitens der Stadt ein Vorrang für die Heizungsversorgung über FW
vorgesehen. In den, im Wärmeplan ausgewiesenen FW-Vorranggebieten, bestünde also eine
Monopolstellung für den FW-Versorger Stadtwerke.
Um das Anschlussinteresse der Eigentümer und Bürgerschaft zu sichern und die Information zu den regionalen ortsüblichen Heizungskosten zu gewährleisten, sollte die Stadt ein öffentlich einsehbares Internet-Portal einrichten zur Vergleichbarkeit der Kosten für verschiedenen FW-Anbieter in der Region, bemessen in kwh.
Dazu müsste noch über den Bund oder/und das Land die Möglichkeit eingerichtet werden, das die FW-Abnehmenden auch FW zu Tarifen von einem anderen FW-Anbieter sich auswählen können. Die Stadtverwaltung sollte also beim Bund/Land folgende Position mit vertreten: Bei der Abnahme
von FW gibt es bundesweit recht unterschiedliche Kostenberechnungen. Damit die Kosten
für die FW bundesweit nicht aus dem Ruder laufen und die Abnehmer(Nutzer) im
Fernwärmevorranggebiet nicht nur an einen Anbieter gebunden sind, wäre eine Regelung
wünschenswert, so das der Nutzer, wie beim Strom, einen FW-Tarif aus dem
Bundesgebiet auswählen kann, aber die Versorgung über den regionalen Anbieter erfolgt.
Eine Kostenregelung zwischen den nachweisbaren FW-Kosten des regionalen Anbieters
zum Tarif des Nutzers, müsste dann noch über die Bundeskontrollbehörde für FW
gefunden werden.
2. Wärmepumpen: Das Stromnetz muss noch für den Strombedarf der Wärmepumpen in den Gebieten außerhalb der FW-Versorgung massiv ausgebaut werden. In den Gebieten mit Mehrfamiliengebäuden kann aber nicht jeder Haushalt eine eigene Wärmepumpe im Hof aufbauen. Dafür ist kaum der Platz vorhanden. Außerdem würden die Höfe mit WP-Außengeräten voll gestellt. Die Geräuschbelastung wäre dabei nicht das ausschlaggebende Problem, aber eher der mögliche Vandalismus. Deshalb sollten für Mehrfamilienhäuser Großwärmepumpen (GWP) aufgebaut werden, die möglichst einzuhausen sind. Die GWP können mit Außenluft betrieben werden, über eine Abwärmenutzung wie zB. über das Klärwerk Rosental oder über die Nutzung von Oberflächengewässer wie über die Weiße Elster, Pleiße, Neue Luppe oder über die Tagebauseen.
3. Es war vor einiger Zeit noch der Aufbau eines Holzheizkraftwerk seitens der Stadtwerke Leipzig im Gespräch für die Stadt. Diese Option wurde im Fahrplan nicht mit benannt. Wird darüber noch weiter nachgedacht oder welche anderen Optionen zur Wärmeversorgung sind noch im Gespräch?

Schreiben Sie einen Kommentar