Wie funktioniert eigentlich Wirtschaft? Und was kann eine Stadt tun, um die Wirtschaft anzukurbeln? Das war der Inhalt eines Antrags, den die CDU-Fraktion im Frühjahr stellte, als sich eine Steigerung der Leipziger Gewerbesteuereinnahmen abzeichnete, mit der auch Finanzbürgermeister Torsten Bonew nicht gerechnet hatte. Was kann man tun mit diesem Geld? Und: Sollte man nicht gerade jetzt etwas tun, wenn die Wirtschaft in der Flaute steckt?

Der CDU-Antrag bekam in der April-Ratsversammlung tatsächlich die Zustimmung der Mehrheit. Das Amt für Wirtschaftsförderung hat sich Gedanke darüber gemacht, wie man das in ein sinnvolles Projekt gießen kann. In der Ratsversammlung am 18. Dezember stand das Ergebnis dann auf der Tagesordnung. Obwohl mindestens die Linksfraktion noch erheblichen Beratungsbedarf sah, wie Stadträtin Dr. Olga Naumov erklärte. Aber dem Absetzungsantrag der Linke war die Ratsmehrheit nicht gefolgt. Also wurde der Tagesordnungspunkt auch aufgerufen. Mitsamt zwei Änderungsanträgen.

„Der Rat hat in seiner Sitzung im April 2024 die Verwaltung beauftragt, bis zum Ende des dritten Quartals 2024 Handlungsoptionen zur nachhaltigen Stärkung des Standorts Leipzig vorzulegen. Hierzu ist vorgesehen, maximal 25 Mio. EUR zu verwenden (siehe Beschluss VII-A-09100-VSP-05 ‚Neue Kraft für eine starke Leipziger Wirtschaft – Nachhaltigkeit als Wirtschaftstreiber‘). Die Vorlage enthält Projektvorschläge, die die Leipziger Wirtschaft mittel- und langfristig stärken. Die Leipzig-Strategie 2035 dient bei der Wahl der Projekte als Grundlage“, heißt es in der Vorlage.

Wobei es nicht nur um klar definierte Projekte geht, die das Amt für Wirtschaftsförderung in der Vorlage auch schon benannte – zum Beispiel die 1 Million Mietkostenzuschuss für das neu anzusiedelnde Forschungsinstitut Code-Science oder 2 Millionen Euro für das Green BioChem Labs, womit schon ein wichtiger Schwerpunkt der Förderung genannt ist: das in Leipzig wachsende Cluster der Live Sciences. Dazu gehört auch ein Posten von 3 Millionen Euro für einen Life Science Invest-Fonds.

Die geplante Mittelaufteilung aus dem Vorschlag des Amts für Wirtschaftsförderung. Grafik: Stadt Leipzig
Die geplante Mittelaufteilung aus dem Vorschlag des Amts für Wirtschaftsförderung. Grafik: Stadt Leipzig

Debatte über Beteiligungsfonds Mittelstand

Aber gewisse Differenzen gab es über den größten Posten im 25-Millionen-Budget: die 13 Millionen Euro für einen Beteiligungsfonds Mittelstand. Denn da steht die Frage: Wer bekommt eigentlich solche Investitionsunterstützung bzw. Beteiligung von der Stadt? Tatsächlich nur größere Unternehmen oder auch kleine, die eher Fördersummen zwischen 3.000 und 1 Million Euro brauchen? Und die auch bei Bankinstituten meist keine Chance haben, wie Grünen-Stadträtin Katharina Krefft in ihrer Rede betonte.

Denn wenn gerade kleine Antragsteller bei den Banken immer wieder vergeblich vorstellig werden, wären sie doch die eigentliche Zielgruppe für so ein städtisches Unterstützerprogramm.

Im Grünen-Antrag klang das dann freilich noch ein bisschen anders und betonte vor allem die soziale Dimension so einer Förderung: „Der Ratsbeschluss VII-A-09100 ‚Neue Kraft für eine starke Leipziger Wirtschaft – Nachhaltigkeit als Wirtschaftstreiber‘ wird dergestalt geändert, dass die zur Verfügung gestellte Summe von 25 Mio. EUR auf 15 Mio. EUR reduziert wird. Die durch den vorgeschlagenen Antrag freiwerdenden Mittel werden im Geiste des Beschlusses VII-A-09100 zur Deckung diverser vorliegender Haushaltsinitiativen im Sozial-, Kultur-, Umwelt- und freiwilligen Jugendhilfebereich in die Folgejahre übertragen sowie für wegfallende Landesförderung im Bereich Beschäftigungsprojekte bei psychosozialen Trägern ausgereicht.“

Da sah auch CDU-Stadtrat Falk Dossin nicht so recht, was das noch mit Wirtschaftsförderung zu tun haben sollte. Auch wenn natürlich stimmt, dass soziale Stabilität in der Stadt wieder der Wirtschaft hilft. Nur halt nicht direkt und zielgenau.

Und Unterstützer für ihren Antrag hatten sich die Grünen auch nicht gesucht, was gerade bei den sehr knappen Mehrheiten im frisch gewählten Stadtrat fast die Grundbedingung dafür geworden ist, dass Anträge überhaupt noch Chancen auf eine Mehrheit bekommen sollen.

Noch offene Fragen zum Mittelstandsfonds

Auch Dr. Olga Naumov betonte, wie wichtig gerade dieser Beteiligungsfonds Mittelstand ist, auch wenn nicht richtig klar ist, wie dieser Fonds im Wirtschaftsdezernat gesteuert werden soll. Sie wies zu Recht darauf hin, dass die Kompetenzen dafür ja in der Sparkasse und im Sparkassen Beteiligungsfonds vorhanden wären. Nur dürfe man diese wegen EU-rechtlicher Rahmenbedingungen nicht in Anspruch nehmen, so Wirtschaftsbeigeordneter Clemens Schülke. Auch wenn er zugestand, dass man sich fachlichen Rat holen könnte.

Wird die Verwaltung des Fonds im Wirtschaftsdezernat angesiedelt, bedeutet das gerade zwangsläufig den Aufbau eines eigenen Verwaltungsapparats. Laut Vorlage ist das noch nicht geklärt. Auch wenn die Vorlage betont: „Diese Vorlage hat keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt.“

Aber bei einem war sich die Stadtratsmehrheit einig: Dass man diesen Mittelstandsfonds unbedingt braucht, gerade weil Leipzigs Wirtschaft – wie das Amt für Wirtschaftsförderung auflistet – nach wie vor eine Menge Schwächen hat, von geringen Unternehmensgrößen, über zu wenige Firmenzentralen bis hin zu einem zurückhaltenden Gründungsgeschehen.

Dazu kommt ein geringes Angebot von Wachstums- und Innovationskapital, das auch die Sparkasse Leipzig nicht kompensieren kann. Was auch zur Folge hat, dass zu wenig Forschung und Entwicklung in den Leipziger Unternehmen stattfinden und auch eine zu geringe Kommerzialisierungsrate von Forschungsergebnissen aus den Instituten vorliegt. Leipzig kann aus dem eigenen Knowhow deshalb viel zu wenig machen. Und genau hier soll der Investitionsfonds für den Mittelstand ansetzen.

Klares Votum für eine Energieagentur

Nur ein Satz aus der Vorlage war dann den Fraktionen von Linken, Grünen und SPD zu wenig. Der lautete nämlich: „Die Auswahl und Umsetzung der Projekte werden nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit konzipiert und durchgeführt. Eine Einteilung erfolgt bereits in der Tabelle. Details folgen in den Steckbriefen und Einzelvorlagen.“

Nur ist das Wort Nachhaltigkeit mittlerweile ziemlich ausgelatscht und oft genug einfach ausgeleert. Weshalb sich alle drei Fraktionen zusammentaten und eine deutliche Ergänzung zur Vorlage formulierten: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis Ende 4. Quartal 2025 ein Konzept für die Gründung einer Kommunalen Energieagentur vorzulegen, in dem dargelegt wird, wie der größtmögliche Beitrag zur kommunalen Energie- und Wärmewende erreicht werden kann. Die Anschub-Finanzierung dieser Agentur soll aus Mitteln der Vorlage VII-DS-10611-NF-01 erfolgen. Die Maßnahme soll in Projekt 1 – ‚Kommunaler Beteiligungsfonds Mittelstand‘ eingeordnet werden oder – ersatzweise – als eigenes Projekt etabliert werden. In letzterem Fall sind die dafür benötigten Mittel aus Projekt 1 entsprechend umzuleiten.“

Denn auf dem Feld der Energiewende wird in Leipzig in den nächsten Jahren eine Menge passieren – und passieren müssen. Das sahen zwar die konservativen Fraktionen im Stadtrat nicht so, der Änderungsantrag bekam aber trotzdem mit 29:26 Stimmen bei fünf Enthaltungen die notwendige Mehrheit, sodass die Stadt jetzt eben auch den Auftrag hat, eine Energieagentur aus der Taufe zu heben.

Die drei Faktionen verwiesen darauf, dass die Gründung einer Leipziger Energieagentur längst Beschlusslage ist. Nur die Verwaltung hat den Beschluss bislang nicht umgesetzt. „Obwohl die Stadt Leipzig bereits im Energie- und Klimaschutzprogramm 2014–2020 die Gründung einer solchen avisiert hat, ist bis heute wenig passiert. Durch die Bereitstellung einer Anschub-Finanzierung soll nun ein erster Schritt unternommen werden, um eine kommunale Energieagentur Leipzig zu initiieren.“

Während die Energieagentur eine Mehrheit fand, hatte der Grünen-Antrag zur Umverteilung der 13 Millionen Euro keine Chancen und wurde mit 10:49 Stimmen abgelehnt.

Während das vom Wirtschaftsdezernat vorgelegte Maßnahmenpaket mit 47:0 Stimmen bei zehn Enthaltungen eine klare Mehrheit bekam.

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