Wenn von Förderungen durch die EU die Rede ist, denken die meisten Menschen an Großunternehmen und Hightech. Allerdings gibt es auch Förderinstrumente, die gezielt für kleine und mittlere Unternehmen aufgelegt wurden. Davon konnten wir uns auf einer Pressereise mit der Europäischen Kommission von Leipzig bis zur Oberlausitz überzeugen. Uns wurden vier Unternehmen vorgestellt, die durch den „Just Transition Fund“ (JTF) gefördert werden.

Was ist der „Just Transition Fund“? Wir beschränken uns hier auf die Förderung für Sachsen, es gibt diese aber auch in anderen Bundesländern, viele weitere Informationen sind öffentlich verfügbar. Der JTF soll Regionen und Menschen, in den vom Strukturwandel betroffenen Regionen, in die Lage versetzen, die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu bewältigen, so die Europäische Kommission.

Dazu stehen im JTF 645 Millionen Euro zur Verfügung. Diese verteilen sich auf das Lausitzer Revier mit 375 Millionen, das Mitteldeutsche Revier, zu dem auch Leipzig gehört, mit 200 Millionen und die Stadt Chemnitz mit 70 Millionen.

Leipzig: Hülsenreich GmbH

Die Busfahrt begann am Leipziger Hauptbahnhof, der erste Stopp war in der Zschortauer Straße 76 bei der Hülsenreich GmbH.

Die Firma Hülsenreich wurde 2019 in Halle/Saale gegründet. Über ihre Intentionen verriet uns Emilie Wegner, Gründerin und Geschäftsführerin: „Die Hülsenreich GmbH wurde 2019 aufgrund meiner fixen Idee, dass ich Hülsenfrüchte attraktiver machen möchte, gegründet. Meine Vision ist es, dass jeder Mensch täglich Hülsenfrüchte isst und das war damals überhaupt noch nicht gegeben.

Statistiken haben ausgesagt, dass die deutsche Durchschnittsperson gerade mal anderthalb Kilo Hülsenfrüchte im Jahr isst. Das fand ich phänomenal unterirdisch und wollte das ändern. Ich habe mir gedacht: Snacks essen alle gerne, also kombiniere ich diese beiden Dinge und schaffe es so, dass mehr Hülsenfrüchte gegessen werden.“

In Halle gegründet und dann Umzug nach Leipzig, warum war das so?

„Ich bin dann mit zwei Mitgründern 2019 gestartet, ganz klein in einer Bäckerfiliale in Halle, 40 Quadratmeter, der Röster war ein kleiner Kasten ähnlich einem Airfryer, so haben wir erst mal losgelegt. Wir sind dann aber relativ schnell gewachsen, weil das Produkt im Markt gut performt hat. Wir hatten dann zwischendurch eine Produktion in der Leipziger Innenstadt in einer Catering-Küche, die wurde dann irgendwann zu klein und war auch suboptimal gelegen.

Wir mussten immer Treppenstufen überwinden, das ist mit Palettenware echt schwer zu händeln. Wir konnten schon nach zwei, drei Jahren größere Listungen erreichen, die nehmen die Ware nur auf Paletten an.“

Ein Blick in die Produktion der Hülsenreich GmbH. Foto: Thomas Köhler
Blick in die Produktion der Hülsenreich GmbH. Foto: Thomas Köhler

Der Umzug in eine größere Produktionsstätte war also erforderlich, die fand sich in Leipzig. Hülsenreich ist ein Start-up und wird durch den JTF im Rahmen des Business-Angel-Bonus gefördert. Das bedeutet: Wenn ein Start-up einen Investor als Business Angel findet und dieser eine Summe x investiert, wird mit der gleichen Summe des JTF gefördert. Das Investment wird verdoppelt.

Wie das bei Hülsenreich war, dazu sagte Emilie Wegner: „Wir sind nicht das erste Mal EU-gefördert, wir sind schon damals in Sachsen-Anhalt mit einer Förderung, die uns unseren Lebensunterhalt erst mal gefördert hat, gestartet. Das heißt, wir wussten von Anfang an, Förderungen können maßgeblich helfen. Die aktuellste Förderung hat uns geholfen, Investoren zu finden. Also, es war eine Business-Angel-Förderung. Letztes Jahr war meine Hauptaufgabe, Geld zu akquirieren, weil wir neue Produkte launchen wollten, die es mittlerweile in den Handel geschafft haben.

Wir wollten unser Management-Team in der Produktion ausweiten. Wir haben uns dieses Jahr digitaler aufgestellt, ein ERP-System eingeführt und für all diese Pläne brauchten wir Geld. Als Start-up, findet man das Geld gut und gerne bei Business Angels, die konnten durch die Förderung ihr Invest verdoppeln. Das war super attraktiv für die Business Angels, aber natürlich auch für uns, weil das Doppelte an Geld dann bei der Firma ankommt. Der eine Business Angel kommt auch aus Leipzig, das ist der Marc Struhalla. Der hat uns über einen Zeitungsartikel gefunden.“

Ein Blick in die Produktion der Hülsenreich GmbH. Foto: Thomas Köhler
Blick in die Produktion der Hülsenreich GmbH. Foto: Thomas Köhler

Frau Wegner sprach davon, dass die verarbeiteten Kichererbsen und somit die Produkte der Firma Hülsenreich „vegan und bio“ sind. Sind das Produkte für eine Nische?

„Wir dachten am Anfang, wir sprechen vielleicht vor allen Dingen das Bio-Vegan-Klientel an, dem ist aber nicht so. In der Bio-Branche haben wir schwerer Fuß fassen können, als in den Drogeriemärkten und dort ja eher Menschen einkaufen, die auf der Suche sind nach ein bisschen gesünderen und kalorienärmeren Snack-Alternativen. Auf Messen kriegen wir unterschiedliches Feedback, warum unsere Produkte gut ankommen.

Es ist tatsächlich oft die Konsistenz, also wir haben so einen ganz besonderen, sehr knusprigen Biss, das passt gut auch mal als Topping auf Suppen oder Salate. Das holt die Menschen irgendwie ab und man hat gleichzeitig noch das gute Gewissen, man isst jetzt hier Nährstoffe und nicht so viel Fett. Das sind, glaube ich, eher die Argumente als das rein Vegane.“

Die EU-Förderung soll in der Region Arbeitsplätze sichern oder schaffen. Wie viele Menschen arbeiten bei Hülsenreich?

„Hier arbeiten aktuell 15 Menschen, im Winter werden es 25 sein, weil wir da ordentliche Weihnachtsbestellungen haben. Die meisten arbeiten in der Produktion, ich bin die, mittlerweile alleinige, Geschäftsführerin. Ich habe noch einen Finanzer an meiner Seite und zwei Frauen, die mich im Marketing unterstützen.“

Ziel einer Förderung ist ja, dass die Firma irgendwann auf eigenen Beinen steht. Wie sieht es da bei Hülsenreich aus?

„Letztes Jahr haben wir 650.000 Euro Umsatz gemacht und dieses Jahr machen wir knapp die Million. Also, die Wachstumsgeschwindigkeit liegt immer so um die 50 Prozent. Außer in dem Jahr, in dem wir hierhergezogen sind, in dem Jahr war auch Corona, wir haben aber unser Umsatzniveau gehalten und sind gar nicht gewachsen. Nächstes Jahr planen wir genau diese Geschwindigkeit wieder zu schaffen. Wir wollen 2027 auf eigenen Beinen stehen, also komplett profitabel sein.

Nächstes Jahr werden wir nur noch einen kleinen Verlust machen, planmäßig. Und der kann dann natürlich vielleicht auch abgepuffert werden über Förderung oder über Investgelder von unseren Business Angels. Aber, dass Förderungen mal für uns irrelevant werden, das sehe ich nicht.“

Gibt es noch Pläne über neue Produkte und Produktionssteigerungen hinaus?

„Wir kaufen momentan Kichererbsen aus Sizilien im direkten Kontakt. Das ist aber so ein bisschen meine zweite Leidenschaft, dass ich mich sehr für den Kichererbsenanbau in Deutschland engagiere. Da haben wir auch eine Stelle geschaffen, mit noch einer anderen Förderung für eine Frau, die sich jetzt gerade in unserem Unternehmen auch nur damit beschäftigt, wo kriegen wir Kichererbsen vielleicht in zwei, drei Jahren aus Deutschland her. Das heißt, sie spricht mit Landwirten, mit den Netzwerk-Initiativen, die es schon gibt und versucht eine Wertschöpfungskette aufzubauen.

Im Zuge des Klimawandels werden die Bedingungen immer besser, dementsprechend sind die Landwirte auch jetzt schon interessiert und bemüht, alternative Anbaukulturen zu finden. Die Kichererbse braucht es sehr trocken, vor allen Dingen in der Abreife, im Spätsommer, darf es nicht regnen. Und das ist aktuell oft noch der Fall.

Ansonsten muss man die Landwirte überzeugen, sich zu trauen und ihnen zeigen, dass es Abnahmemöglichkeiten gibt. Das ist dann unser Part, dass wir sagen, wir würden euch die 50 Tonnen auf jeden Fall abnehmen, wenn die von der Qualität einigermaßen passen.“

Unser Fazit war, die Förderung durch den JTF ist für die Firma und auch für Leipzig erfolgreich. Es werden neue erfolgreiche Produkte entwickelt und hergestellt. Auch Arbeitsplätze wurden und werden geschaffen. Da bleibt es nur übrig, weiterhin viel Erfolg zu wünschen.

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