Hat Dr. Olga Naumov am 19. September in der Ratsversammlung dem Leipziger Wirtschaftsdezernat die Leviten gelesen? Oder hat Wirtschaftsbรผrgermeister Clemens Schรผlke recht, wenn er sagt, dass er den Auftrag des Stadtrats, die Clusterstrategie der Stadt zu erneuern, lรคngst umsetzt? Am 19. September gab es zumindest schon mal den โMonitoringbericht 2023 zum Fรถrderprogramm fรผr Wachstum und Kompetenz im Leipziger Mittelstand (Mittelstandsfรถrderprogramm)โ. Als Informationsvorlage, also einfach zum Abnicken.
Obwohl das Thema in Leipzig nicht einfach abgenickt werden kann. Denn zu Recht stellte Olga Naumov in ihrem kritischen Beitrag zur Informationsvorlage fest, dass es Leipzig โ anders als groรen westdeutschen Stรคdten โ an Mittelstand fehlt. Der ging schon in der Zeit der sozialistischen Enteignungen in der DDR verloren. Und 1990 wurde dann praktisch die komplette Industrie in Leipzig abgewickelt. Wirklich steuerkrรคftige Unternehmen kamen erst mit der Ansiedlung von Porsche und BMW.
Einen wirklich starken Mittelstand hat Leipzig nicht. Der muss also nach und nach erst wachsen. Aber das geht nun mal nicht, wenn man nur lauter kleine Unternehmen fรถrdert, deren Geschรคftsmodelle nicht innovativ sind. Weshalb sich der Fachausschuss Wirtschaft 2021 darauf verstรคndigte, das Wirtschaftsdezernat damit zu beauftragen, die Clusterstrategie der Stadt rundzuerneuern.
Die alte stammte noch aus dem Jahr 2011, sah viel zu geringe Fรถrdersummen vor und fokussierte sich vor allem nicht auf das, was in Leipzig gefรถrdert werden mรผsste: junge, innovative Unternehmen, die die Chance bekommen sollen, in Leipzig zu wachsen.
2023 wurden 1,1 Millionen Euro Fรถrderung ausgereicht
Der vorgelegte Bericht listete zumindest auf, was die Stadt im Jahr 2023 alles gefรถrdert hat: โIm Mittelstandsfรถrderprogramm haben fรผr das Jahr 2023 155 Unternehmen 178 Antrรคge fรผr Projektfรถrderungen gestellt. Davon wurden 165 Antrรคge positiv beschieden. Insgesamt wurden Mittel in Hรถhe von 1.395 TEUR bewilligt (Vorjahr: 1.894 TEUR)โ, so das Amt fรผr Wirtschaftsfรถrderung.
โDie Unternehmen gaben an, mit den bewilligten Antrรคgen 40 Mio. EUR Umsรคtze erwirtschaften zu wollen und 316 Mitarbeiter zu beschรคftigen, die durch die Fรถrderung angeregt werden.
Auch in diesem Jahr haben Unternehmen bewilligte Projekte nicht oder nicht so, wie beantragt, durchgefรผhrt. Die Abbruchquote fiel geringer aus: Ausgezahlt hat das Amt fรผr Wirtschaftsfรถrderung (AfW) daher im vergangenen Jahr eine Fรถrderung i. H. v. 1.113 TEUR, also 80 % der bewilligten Mittel, (Vorjahr: 1.266 TEUR, 69 %) an 138 Unternehmen in 156 Projekten.โ
Das hรถrt sich nicht nach viel an. Beim Nachrechnen kam Olga Naumov auf eine durchschnittliche Fรถrdersumme von 7.000 Euro. Was aus ihrer Sicht eher in die Fรถrderkulisse fรผr eine Tรถpferwerkstatt passt.
Aber Clemens Schรผlke erwiderte dann mit Blick auf die Zahlen, dass sich die Fรถrdersumme schon verdoppelt hat gegenรผber den Vorjahren, wo im Schnitt nur 3.000 Euro ausgereicht wurden. Und den Auftrag, die Clusterstrategie zu รผberarbeiten, habe man auch schon umgesetzt und darรผber auch im Fachausschuss Wirtschaft im Februar 2024 informiert.
Was Olga Naumov doch sichtlich รผberraschte. Nur schriftlich liegt nichts vor. Aber diese Vorlage, so Schรผlke, sei in Erarbeitung, werde wohl โein paar hundert Meterโ dick und dem Ausschuss in naher Zukunft vorgelegt. Und man habe auch dort, wo die Fรถrderung innovativer Unternehmen Sinn ergibt, die Fรถrderbetrรคge deutlich erhรถht โ ein junges Unternehmen, das sich mit Quantencomputern beschรคftigt, habe sogar 70.000 Euro bekommen.
Viele unterschiedliche Ziele
Wobei ein Blick in die Vorlage zeigt, dass nach wie vor die kleinen Fรถrderungen (unter 5.000 Euro) fรผr kleine und kleinste Unternehmen rund die Hรคlfte der Bewilligungen ausmacht, auch wenn deren Zahl zurรผckgeht.
Mit den Worten des Amts fรผr Wirtschaftsfรถrderung: โ2023 betrug die durchschnittliche Fรถrdersumme je Fรถrderfall 7.133 EUR (Vorjahr: 7.963 EUR) und erreichte damit das Niveau des Vorjahres. Je Unternehmen kรถnnen bis zu drei Maรnahmen im Jahr gefรถrdert werden, weshalb die durchschnittliche Fรถrdersumme je Unternehmen etwas hรถher ausfรคllt. 2023 lag die durchschnittliche Fรถrderung je Unternehmen bei 8.123 EUR (8.732 EUR) und damit auch auf dem Niveau im Jahr zuvor.
Der Anteil von Einzel-Fรถrderungen unter 5.000 EUR ist weiter rรผcklรคufig und liegt bei 48 % (Vorjahr 51 %). Der Anteil von Fรถrderungen unter 5.000 EUR ist zum groรen Teil auf die Grรผndungsfรถrderung und die Prรคmienfรถrderungen fรผr Meister und innovativer Grรผnder zurรผckzufรผhren. In den Maรnahmen โNachhaltiges Wachstumโ und โUnternehmen sichern in Krisensituationenโ liegt der Anteil bei 37 %.โ
Wobei eben lรคngst auch neue Herausforderungen stehen, bei denen eine Fรถrderung durch die Stadt von essenzieller Bedeutung sein kann โ wie der Sicherung der Unternehmensnachfolge oder eben der Herstellung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Denn wer in einer Stadt wie Leipzig โZero Wasteโ will, braucht Unternehmen, die sich mit Rohstoffkreislรคufen auskennen. Ein entsprechendes Programm ist im Entstehen.
Sodass Olga Naumov vielleicht doch ein bisschen schwarz malte, als sie meinte, Leipzig habe keine aktuelle Wirtschaftsfรถrderstrategie. Anders als andere Groรstรคdte.
Aber irgendwie hat die Stadt wohl eine, auch wenn das selbst fรผr den Wirtschaftsausschuss Berge von Papier bedeutet, bei denen man nicht wirklich weiร, welches Papier nun in welche Strategie gehรถrt. Aber die Kriterien fรผr die neue Clusterstrategie habe man entwickelt, so Schรผlke.
Und man wende sie bei der Wirtschaftsfรถrderung auch schon an. Nur eben in eine dicke Vorlage fรผr den Wirtschaftsausschuss ist sie noch nicht geronnen. Da wird sich auch Olga Naumov auf einen Packen Lesestoff freuen kรถnnen, der vielleicht sogar enthรคlt, was sie sich gewรผnscht hat.
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