Im Landtag wäre das, was die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat aktuell zur Wärmeplanung der Stadt Leipzig angefragt hat, schon als Große Anfrage durchgegangen. Und vom Thema her ist es eine große Anfrage. Denn wenn Leipzig bis 2035 (oder aus Stadtsicht 2040) klimaneutral werden will, dann muss auch die komplette Wärmeversorgung klimaneutral werden – also ohne Kohle, ohne Öl und auch ohne Erdgas. Eine Mammutaufgabe.

Doch bis das komplette Konzept zur Wärmeplanung dem Stadtrat vorgelegt wird, dauert es noch ein bisschen, vertröstet das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz in seiner Antwort.

Fernwärmebezug aus Lippendorf endet Ende 2025

Und darin geht es natürlich auch – wie die Grünen feststellten – um den Ausstieg aus der Fernwärmeversorgung aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf, vom Stadtrat beschlossen mit dem Antrag „Ausstieg aus dem Fernwärmebezug aus Lippendorf“ 2019. Dafür haben die Stadtwerke Leipzig ja extra das neue Gaskraftwerk Süd in der Bornaischen Straße gebaut.

Was ja bekanntlich beim Recherchenetzwerk correctiv.org für gewaltige Irritationen gesorgt hat. Dort hielt man das Kraftwerk, das erst einmal ganz klassisch mit Erdgas betrieben wird, für eine Art Roßtäuschung, weil in den Turbinen zwar schon Erdgas mit Wasserstoff-Beimischung verbrannt werden kann, aber richtig komplett auf Wasserstoff-Beschickung müssten die Turbinen erst noch umgebaut werden. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Denn dieser Wasserstoff ist ja noch gar nicht verfügbar.

Aber den Ausstiegstermin aus der Fernwärmelieferung aus Lippendorf hat der Stadtrat gesetzt. Die Stadtwerke Leipzig mussten also eine Lösung finden, den Ausstiegstermin zu halten und trotzdem die Option eines Übergangs zum Wasserstoffbetrieb zu schaffen.

Warten aufs Wasserstoffnetz

Und genau das passiert auch, wie das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz auf die Grünen-Anfrage hin erläutert. Sobald es nämlich möglich ist, soll das Kraftwerk ans mitteldeutsche Wasserstoffnetz angeschlossen werden.

Das Referat dazu: „Sobald eine Anbindung an ein Wasserstofftransportnetz und ein wirtschaftlicher Einsatz von Wasserstoff am Standort Süd darstellbar ist, soll das HKW Süd mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Für den Transformationspfad der Leipziger Stadtwerke wurde konservativ unterstellt, dass der vollständig kommerzielle Einsatz erst nach 2035 erfolgen kann. Für diesen Zeitpunkt erscheint nach heutigen Preissimulationen und gemäß den Projektionen für ein zukünftiges Wasserstofftransportnetz ein Wechsel von Erdgas auf Wasserstoff möglich. Für den Wechsel wurde unterstellt, dass die zukünftigen Gaspreise und CO2‐Kosten denen von Wasserstoff im Grundsatz entsprechen. Die abgeleiteten Prognosen zeigen, dass in allen betrachteten Szenarien zukünftig durch die Nutzung von Wasserstoff weniger als 10 % der Heizwärme erzeugt werden kann. Sollte sich der Bau von Transportleitungen früher realisieren und die Marktsituation den Einsatz von Wasserstoff in der Wärmeerzeugung ermöglichen, wird diese Umstellung früher erfolgen können.“

In den Jahren 2024 und 2025 drosseln die Stadtwerke Leipzig schon die Fernwärmelieferungen aus Lippendorf auf 40 Prozent des Wärmebedarfs. Das sind die beiden zusätzlichen Jahre, die der Stadtrat genehmigt hat, weil das neue Gaskraftwerk so schnell nicht betriebsbereit war. Aber danach soll Schluss sein, stellt das Nachhaltigkeitsreferat fest: „Der Vertrag zur Lieferung von Wärme aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf endet zum 31.12.2025. Aktuell laufen die entsprechenden Vorbereitungen.“

Aber woher kommt dann die restliche Wärme, wenn nicht alles aus dem Gaskraftwerk Süd kommen soll?

Solarthermie-Anlage, visualisiert aus der Vogelperspektive.
Der Blick in die nahe Zukunft: So soll die Solarthermie Leipzig-West einmal aussehen. Visualisierung: Leipziger Gruppe

Wärme aus Leuna

„Die systematische Untersuchung und Erhebung der Potenziale konzentrierte sich bislang auf die Potenziale auf Stadtgebiet. Für eine Nutzung der Potenziale im Fernwärmenetz ist aufgrund der notwendigen Anbindung eine Erschließung von breit untersuchten Potenzialen im Umland nur bei Vorhandensein großer Wärmequellen sinnvoll. Eine solche Quelle wurde im Chemiedreieck Leuna gefunden und wird im Rahmen des Projekts industrielle Abwärme West weiterverfolgt“, hatte das Nachhaltigkeitsreferat geantwortet.

Was die Grünen aber doch noch eingehender interessierte. Dazu hatten sie gleich drei Fragen gestellt.

Drei Fragen zu Leuna:

Worauf fußt die Annahme, dass der Chemiestandort Leuna seine Überschusswärme den Stadtwerken Leipzig langfristig zur Verfügung stellen will, anstatt diese selbst zu nutzen?

Es handelt sich hierbei nicht um eine Annahme, sondern eine vertragliche Verpflichtung, welche die TotalEnergies Raffinerie Mitteldeutschland in Leuna gegenüber den Leipziger Stadtwerken eingegangen ist.

Wurde die zukünftige Entwicklung des Raffinerie-Geschäfts berücksichtigt und gibt es Alternativpläne im Fall einer nicht mehr verfügbaren Wärme aus dem Chemie-Standort Leuna?

Die zukünftige Entwicklung des Raffineriegeschäfts wurde im Rahmen der Entscheidungsfindung umfangreich (auch mit externer Expertise) betrachtet und berücksichtigt. Im Rahmen der derzeitigen Weiterentwicklung der Erzeugungsstrategie wird auch das Besicherungskonzept aktualisiert, welches auch den Ausfall der Abwärme aus Leuna berücksichtigen wird. Parallel hierzu laufen Gespräche mit weiteren potenziellen Abwärmelieferanten in der Region.

Wie wird im Hinblick auf Strategie und CO₂-Emissionen gewichtet, dass die Abwärme aus dem Chemiestandort/total energies aus fossilem Geschäft stammt?
Gemäß Wärmeplanungsgesetz ist industrielle Abwärme anderen Erneuerbaren Energien als klimaneutrale Wärme gleichgestellt.

***

Die Frage bleibt also, wie Leuna künftig klimaneutral produziert und ob dann trotzdem weiter Abwärme nach Leipzig fließen kann.

Eine weitere Wärmequelle wird ja gerade in Lausen gebaut, die dortige Solarthemie-Anlage der Stadtwerke.

Ein Strauß von möglichen Wärmequellen

Aber bei einem ist man sich zwischen Stadt und Stadtwerken eigentlich einig: Erdgas wird nicht die Energiequelle der Zukunft: „Da Erdgas nicht die Eignung hinsichtlich der Klimawirkung erfüllt, spielte die Entwicklung des Erdgaspreises keine Rolle in der Entwicklung eines Zielszenarios für das Jahr 2038.“

Was ja impliziert, dass die Stadtwerke Leipzig bis 2038 auch aus der Erdgasverbrennung aussteigen wollen. Was noch eine Menge nicht gerade billiger Investitionen bedingt. Jetzt warten ganz gewiss nicht nur die Grünen auf die von der Verwaltung versprochene Vorlage, die schon einmal im Vorgriff auf die Wärmeplanung zusammengestellt werden soll. „Diese soll demnächst dem Stadtrat und der Öffentlichkeit präsentiert werden.“

Und darin werden doch noch etliche weitere Wärmequellen behandelt, die für eine künftige Wärmeversorgung der Stadt untersucht werden. Das sind unter anderem:

Solarthermie
Flusswasser
Kanalwärme
Biomasse
Seethermie
Tiefengeothermie
Industrielle Abwärme
Luftwärme
Oberflächennahe Geothermie
Grundwasser-/Aquifernutzung
Saisonalspeicher

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Es gibt 2 Kommentare

Die Berechnung des Preises für die Fernwärme ist äußerst komplex – da muss angesetzt werden, indem die tatsächlichen Kosten des Versorgers als Grundlage verwendet werden, nicht irgendwelche kalkulatorischen bzw. fiktiven Kosten.

Wenn die Stadt schon mal die möglichen Wärmequellen für die Wärmeplanung erörtert, fehlen aus meiner Sicht doch wichtige mögliche Quellen, wie Nutzung der Nahwärme mit Abwärme von Serverzentren, Abwärme von Umformerstationen, dezentrale Geothermie in den Wohngebieten, Großwärmepumpen und die Nutzung der Abwärme aus dem Klärwerk Rosental. Für die Fernwärmekunden muss die Möglichkeit zur Nutzung von unterschiedlichen Anbietern geschaffen werden um die Monopolbildung zu unterbinden.

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