Was erwartet man, wenn eine Anwaltskanzlei zu einer Konferenz und zum Barcamp zum Thema „Online, Technologie & Marketing trifft Recht“ ins „Felix“ einlädt? Herren und Damen in Business-Kleidung und trockene juristische Themen wahrscheinlich. Dann wurde diese Erwartungshaltung am 19. April auf jeden Fall enttäuscht. Kleine, nicht ganz ernst gemeinte, Kritik des Autors: Es hätte gern drei Tage dauern dürfen, mehr dazu unter „Die Sessions“.
Das Format von OTMR ist etwas Besonderes. Steigen wir gleich ins Geschehen ein, die Keynote von Dr. Johanna Sprondel zum Thema „KI, Denken und Bildung“ zeigte schon, wo es lang gehen wird. Einige wichtige Fragen waren: Wollen wir der KI Verantwortung übertragen? Glauben wir an die Fähigkeiten und die Kompetenz von KI?
Das Fazit: Die Kompetenz des Prüfers wird immer wichtiger! Was brauchen wir dafür?
Die nicht wirkliche Überraschung: Wir brauchen Bildung, unter anderem die klassische Methode der Quellenkritik.
Johanna Sprondel hat noch viel mehr zum Thema ausgeführt, einiges davon kann man im Buch „Träge Transformation. Welche Denkfehler den digitalen Wandel blockieren“ nachlesen.
Die Sessions
Die größte Herausforderung für Teilnehmerinnen und Teilnehmer war wohl: „An welcher Session nehme ich teil?“ Alle waren hochinteressant, Problem war: Es fanden immer gleichzeitig drei statt.
Session 1: Schweren Herzens die Entscheidung, ich lasse „Herzkampf – Projekt und Kampagne“ und „Einführung Unternehmens-KI“ weg und gehe zu Thomas Busch und „Neues in der Plattformregulierung“. Dem Thema geschuldet, also dem „Digital Service Act“ (DSA), sehr Jura-lastig, aber hochinteressant. Wo gilt diese Regulierung, für wen gilt sie, wozu das Ganze? Auch für juristische Laien, wie mich, gut rübergebracht, es ging augenscheinlich allen so.
Session 2: Ich entschied mich für „Krisenkommunikation und Recht“ bei Marc Lenzke, also nicht für „Politische Kommunikation über Instagram“und „Wie künstliche Intelligenz wirklich funktioniert“. Ich hoffe, das Dilemma bei der Auswahl, nicht nur für mich, wird klar.
Hier schlug der Barcamp-Effekt zu, Marc kam, durch die Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, kaum über den Krisenbegriff hinaus. Eine Wahnsinnsdiskussion, aus der alle etwas mitnahmen.
Session 3: Zur Auswahl standen „Menschenrecht gilt auch digital“, „Ethik bei Cookie-Bannern“ und „Geopolitische Leaks und Datenanalyse“, ich nahm an letzterem teil.
Johannes Wobus zeigte hier Methoden und Tools zum Auffinden von Leaks, erklärte, wie man diese analysiert und verband das, unterstützt von Peter Hense, mit den juristischen Einschränkungen. Hochinteressant, wenn auch aufgrund des Zeitverlaufs etwas kurz, war die Erkennung von Deepfakes, also von gefälschten Bildern und Videos. Das Thema werde ich mit Johannes, zu einem späteren Zeitpunkt, ausführlicher betrachten.
Session 4: „Grünes Marketing für einen blauen Ozean“, „Spannungsfeld öffentliche Ausschreibung“ und „KI in People & Culture“ standen zur Auswahl. Ich entschied mich für das Erste und hörte Kay Theuers Ausführung zur Firmengeschichte von „priwatt“, einem Leipziger Unternehmen in der Solartechnik. Hier erspare ich mir die Ausführungen, ich habe mich mit ihm verabredet und werde speziell dazu berichten.
Session 5: „Instagram Richterin für nahbare Rechtssprechung“, „Google Tracking“ und „RegInt Decoding AI-Regulation“, warum nochmal der DSA? Das interessierte mich dann doch und ich ging hin.
Ich wurde nicht enttäuscht, in Session 1 wurde über den DSA gesprochen, hier wurde er dekodiert. Tea Mustać zeigte uns an Beispielen, dass der Digital Services Act viele Unklarheiten hat. Das Motto „AI Act ist wie französische Grammatik. Für jede Regel mindestens 7 Ausnahmen“ scheint sich zu bestätigen. Wir dürfen gespannt bleiben.
Die Pausen
Pausen sind bei solchen Veranstaltungen immer ein Höhepunkt, nicht wegen der Verpflegung (obwohl auch da nichts zu wünschen übrig blieb), sondern wegen der Gespräche, des Kennenlernens und der Vernetzung. Festzustellen war, dass der Teilnehmerkreis äußerst vielschichtig war. Menschen aus Unternehmen der Digitalwirtschaft, aus Verwaltungen, Handwerkskammer, Tourismusvereine, ein Mode Label, Kommunalpolitik und viele die ich in der Kürze der Zeit nicht zuordnen konnte.
Der Eindruck „Die kennen sich alle schon“ täuscht, es war diese Barcamp-Stimmung, alle waren für alle ansprechbar, man war schnell beim Du und beim Austausch von Meinungen zu Gehörtem und von Kontaktdaten. Wo waren die „steifen Juristinnen und Juristen“? Die waren mittendrin und alles andere als „steif“.
Ein Fazit
Kurz vor Schluss sprach ich mit Dr. Jonas Kahl, aus seiner Sicht ist es gut gelaufen. 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, gut besuchte Sessions und kurz vor Schluss sind die meisten noch anwesend. Das kann ich auch so bestätigen.
Mein persönliches Fazit: Ein tolles Format, man kann sehr viele interessante Menschen kennenlernen, hochinteressant und informative Vorträge hören – nur die, einleitend befürchteten, „Herren und Damen in Business-Kleidung und trockene juristische Themen“ kann ich nicht bestätigen. Hoffentlich lässt das nächste OTMR nicht wieder vier Jahre auf sich warten.
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