Da gab es mal deutlich gestiegene Gewerbesteuereinnahmen für den Leipziger Stadthaushalt 2023 – gleich wuchsen die Begehrlichkeiten. Wenn es schon mehr Gewerbesteuer gibt, dann könnte die Stadt doch jetzt auch mehr Geld in die Wirtschaftsförderung stecken, fand die CDU-Fraktion und beantragte schon im September 2023, als sich das abzeichnete, ein Extra-Paket für die Transformation der Leipziger Wirtschaft.
„Die Stadtverwaltung prüft, inwieweit ein großer Teil der überplanmäßigen Gewerbesteuereinnahmen zielgerichtet zur langfristigen und nachhaltigen Transformation der Leipziger Wirtschaft eingesetzt werden kann“, beantragte die CDU-Fraktion.
Und: „Hierzu informiert die Stadtverwaltung den Stadtrat hinsichtlich möglicher Formen der Begleitung und Steuerung der Wandlungsprozesse sowie benötigter finanzieller Mittel. Bis zum Ende des I. Quartals 2024 legt die Verwaltung dem Rat entsprechende Vorschläge vor.“
Eine vage Vorstellung, wie das aussehen könnte, hatte die CDU-Fraktion auch schon: „Um einen nachhaltige und generationengerechte Verwendung des überplanmäßigen Gewerbesteueraufkommens sicherzustellen, prüft die Verwaltung entsprechende Ansätze, inwieweit die Mittel gezielt zur Förderung der Wirtschaft eingesetzt werden können. Hier sind u.a. Förderprogramme, Bildungs- und Beratungsangebote oder auch Forschungsprojekte zu bewerten.“
Da mĂĽssen auch Soziales und Ă–kologie mitbedacht werden
Aber das Thema traf auch bei anderen Fraktionen auf Aufmerksamkeit. Denn natürlich ist die Frage: Welche Transformation eigentlich? Wo kann die Stadt tatsächlich helfen umzusteuern? Denn die unternehmerischen Entscheidungen fallen natürlich in den Unternehmen selbst. Und die richtig dicken Fördergelder dafür reichen ja Bund und Land aus.
Und so preschten dann auch die Fraktionen von SPD und Linke vor, um ihre Vorstellungen in die Verwendung der Mittel einzubringen. Die SPD-Fraktion zum Beispiel mit dem Vorschlag: „Die Handlungsoptionen sollen sich dabei auf langfristige, strukturelle Standortverbesserungen konzentrieren, insbesondere in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Infrastruktur sowie verbesserte Finanzierungsangebote für lokale Unternehmen.
Dabei sind auch bereits vorgestellte und geplante Projekte der Wirtschaftsförderung, wie die EnergyCity, die Wasserstoffringleitung und die Empfehlungen der kurzfristig erwarteten Evaluation der Clusterförderung besonders zu berücksichtigen.“
Und die Linksfraktion listete dann gleich auf, wo überall eine Stadt wie Leipzig helfen kann, ohne direkt Unternehmensförderung zu betreiben:
„Verbesserung des sozialen Standortes Leipzig, Bildung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken
Stärkung der regionalen Wirtschaft und Beschäftigung durch eine Unterstützung von Klein- und Mittelständischen Unternehmen, Unternehmensgründungen und Forschungseinrichtungen bei einer nachhaltigen Transformation;
Strategische Liegenschaftspolitik fĂĽr Wohnen, Soziokultur und Kreativwirtschaft, Daseinsvorsorge und nachhaltige Gewerbe;
Klima- und Umweltschutz, insbesondere fĂĽr SofortmaĂźnahmen der Klimawandelanpassung
Öffentliche Verkehrsinfrastruktur im Sinne von Mobilitätswende ausbauen;
Kultur- und Sportinfrastruktur stärken und ausbauen, dringend notwendige Instandhaltungen und Sanierungen u.a. zum dauerhaften Weiterbetrieb voranbringen.“
Ein Wirtschaftsdezernat mit vielen Ideen
Denn das fehlte im CDU-Antrag irgendwie, dass es oft auch die Rahmenbedingungen sind, die Unternehmen dazu bringen, an einem Standort zu investieren: Verkehrsanbindungen, Kultur, verfügbare Arbeitskräfte, gesellschaftliches Klima usw.
Und ganz genauso sah es dann auch das Dezernat Wirtschaft, Arbeit und Digitales, das in seinem angepassten Verwaltungsvorschlag dann ein ganz ähnlich breites Maßnahmenbündel vorschlug, wo die Stadt unterstützend für Unternehmen tätig werden könnte.
Einige Programme und Stadtratsbeschlüsse gibt es dazu ja schon. Und die listete das Dezernat in seinem Verwaltungsvorschlag dann auch als Denküberlegungen auf – in einem schönen Beziehungsdreieck, das sich in Leipzig eigentlich über zwei Jahrzehnte als kluge Arbeitsgrundlage etabliert hat: Ökonomie, Soziales und Ökologie. Das gehört nämlich alles zusammen. Und in dem Dreieck kann sich das Wirtschaftsdezernat auch vorstellen, tätig zu werden.
Die Ăśberlegungen im Wortlaut:
„Ökonomie
Einrichtung eines kapitalstarken Beteiligungsfonds zur Schaffung eines (Eigen-) kapitalangebotes für den Leipziger Mittelstand. Damit könnten Wachstum, Unternehmensnachfolge sowie Umgang mit Klimakrise und ihren Folgen finanziert werden.
Unterstützung/Anwerbung anwendungsnaher Forschungseinrichtungen, die z. B. die Clusterentwicklung und Internationalität fördern (ähnlich wie beim Fraunhofer IZI) sowie Startup- und Gründerförderung
Investitionen in Infrastruktur von Gewerbeflächen
Soziales
UnterstĂĽtzung des Ausbildungsortes Leipzig, z B. durch Azubi-Wohnen,
Stärkung ausgewählter Berufsbilder (z.B. im Handwerk und in Berufsausbildungszentren) oder die Weiterfinanzierung der Produktionsschulen
Investitionen in Bildung über MINT – Projekte, wie z. B. Inspirata und Garage
Pilotprojekt im Kommunalen Eigenbetrieb Leipzig/Engelsdorf (KEE) „Kommunales Jugendwohnen“ für Jugendliche mit Problemen beim Einstieg in das Berufsleben
MaĂźnahmen Ă–kologie
Unterstützung des Ausbaus von Solaranlagen auf gewerblichen Dächern
Klimagerechte Aufwertung von Bestandsgewerbegebieten, etwa durch Begrünung von Gewerbeflächen oder energetischen Konzepten,
Finanzierung von AusgleichsmaĂźnahmen,
Digitale Tools für die Planung der Wärmewende, auch für gewerbliche Nutzer.“
Spielraum: 25 Millionen Euro
In der Stadtratsdebatte sprach vor allem Steffen Wehmann aus der Linksfraktion über diese Vielschichtigkeit. Während CDU-Stadtrat Falk Dossin die Transformation der Leipziger Wirtschaft anmahnte, die derzeit stark von der Automobilindustrie abhängt. Und FDP-Stadtrat Sven Morlok fragte dabei auch auf etwas ironische Weise nach der Wirtschaftskompetenz des OBM. Um dann freilich im Ergebnis den Verwaltungsvorschlag als Änderungsantrag zum Antrag der CDU-Fraktion vorzuschlagen.
Womit dann genau der Vorschlag des Wirtschaftsdezernats zur Abstimmung stand, der auch gleich noch eine Summe vorschlug, mit der jetzt operiert werden soll: „Der Oberbürgermeister erarbeitet im Rahmen der Leipzig Strategie bis zum Ende des 3. Quartals 2024 Handlungsoptionen zur nachhaltigen Stärkung des Standorts Leipzig, und zwar von bis zu 25 Millionen Euro.“
Und das Erstaunliche: Das fanden die meisten Mitglieder des Stadtrats gut – auch wenn sich dann elf in der Abstimmung enthielten. Aber die klare Mehrheit von 48 stimmte zu, sodass Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke – wie OBM Burkhard Jung betonte – jetzt richtig viel Arbeit bekommt. Denn im Herbst muss die Strategie vorliegen. Die Anträge von CDU, SPD und Linken hatten sich mit dieser Entscheidung erübrigt.
Dabei liegen viele der Punkte gar nicht auf dem Tisch des Wirtschaftsdezernats, sondern auch im Umweltdezernat und im Sozialdezernat. Wobei der geplante „Beteiligungsfonds zur Schaffung eines (Eigen-) Kapitalangebotes für den Leipziger Mittelstand“ für viele kleinere Unternehmen in Leipzig interessant wird, denen das Eigenkapital für wichtige Investitionen bislang fehlt.
Keine Kommentare bisher