Auch eine nicht ganz unberechtigte Anfrage der Grünen-Fraktion beschäftigte am 16. November die Ratsversammlung. Denn nicht nur die Stadt selbst steckt in einem gewaltigen Investitionsstau und hat zunehmende Probleme, die wichtigsten Vorhaben zu finanzieren. Auch auf den Stadtkonzern LVV kommen gewaltige Investitionen zu, um Energie- und Mobilitätswende zu meistern.

Da wollten die Grünen schon gern wissen, ob die LVV so etwas wie eine strategische Unternehmenskonzeption hat. Wirklich weiterführende Antworten darauf gab es nicht. Auch weil die Aufsichtsratsgremien noch über die Planungen für 2024 diskutieren, wie Finanzbürgermeister Torsten Bonew andeutete.

„Die Leipziger Gruppe, bestehend aus LVV und ihren Töchtern Leipziger Stadtwerke, Wasserwerke und Verkehrsbetriebe, hat auch in den kommenden Jahren massive Investitionen vor sich. Zu nennen sind hier unter anderem die Herausforderungen der Energie- und Wärmewende mit Investitionen in Strom- und Wärmenetzaus- und -umbau, Investitionen in das Klärwerk Rosenthal und die vielerorts maroden Wasser- und Abwasserleitungen, neue Straßenbahnen und Schienen, die Liegenschaften und die Dekarbonisierung der Busflotte“, hatten die Grünen angemerkt.

„Die Verschuldung des Stadtkonzerns wird daher absehbar weiter massiv zunehmen, momentan drückt bereits eine Schuldenlast von etwa 1 Mrd. EURO.“ (Die genauen Zahlen gibt’s weiter unten.)

In der September-Ratsversammlung hatte Oberbürgermeister Burkhard Jung angemerkt, dass allein die Wärmewende in Leipzig Milliarden kosten werde.

Strategiekonzepte in Krisenzeiten

Die Vermutung, der LVV-Konzern habe kein Strategiekonzept, stimme freilich so nicht, hatte die Verwaltung in ihrer Antwort erklärt. Sie hat eine inzwischen veraltete Strategie. Und als sie 2021 die Skizze für eine neue Strategie vorlegte, war es der denkbar falsche Zeitpunkt:

„Das bisher noch gültige strategische Unternehmenskonzept wurde 2016 beschlossen und 2019, nach endgültiger erfolgreicher Beendigung der KWL-Prozesse, in Teilen angepasst bzw. konkretisiert. Die Geschäftsführung hatte dem Aufsichtsrat in 2021 den ersten Entwurf einer Fortschreibung vorgelegt.

Insbesondere vor dem Hintergrund der zu Pandemiezeiten nicht auch nur annähernd prognostizierbarer Rahmenbedingungen einerseits und dem damaligen absoluten Primat der Sicherstellung der Daseinsvorsorge unter Krisenbedingungen, lagen aus Sicht von Aufsichtsrat und Gesellschaftervertreter zu dieser Zeit keine Voraussetzungen für eine sachgerechte Befassung damit vor.“

Als der Entwurf 2022 in den Aufsichtsratsgremien diskutiert wurde, kam wieder was dazwischen: „Dabei wurde die Überarbeitung des strategischen Unternehmenskonzepts im Jahr 2022 sodann durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die dadurch induzierte Energiekrise und die damit verbundenen elementaren Auswirkungen auf die L-Gruppe überlagert.

Erneut stand die Bewältigung von neuen krisenbedingten Herausforderungen im Bereich der Sicherung der Daseinsvorsorge für die Leipziger und Leipzigerinnen unter diesen schwierigsten Bedingungen im Mittelpunkt.“

Vielleicht kommt das Papier ja noch 2023, hofft die Verwaltung: „Die jeweiligen, ausschließlich durch exogene Krisen und Schocks verursachten und objektivierbaren Ursachen und Hintergründe für den im vorliegenden Fall einschlägigen Verfahrensstand sind den Mitgliedern der Aufsichtsräte der Unternehmen der L-Gruppe bekannt. Ansatzpunkte für daraus resultierende Konsequenzen sind nicht erkennbar.

Aus Gesellschafterperspektive ist jedoch eine Beschlussfassung des Aufsichtsrates mit einer entsprechenden Empfehlung an den Gesellschaftervertreter noch in 2023 wünschenswert.“

Milliardeninvestitionen bis 2045

Aber inzwischen liegen in der Leipziger Gruppe tatsächlich erste Schätzungen vor, was in den nächsten Jahren strategisch ausgegeben werden muss: „Die langfristigen Investitionsbedarfe der Leipziger Gruppe betragen nach aktueller Prognose und unter den derzeit dafür zugrundeliegenden Prämissen bis 2045 insgesamt 10,8 Mrd. EUR. Davon entfallen 5,1 Mrd. EUR auf Energie, 2,5 Mrd. EUR auf Wasser und 3,1 Mio. EUR auf Mobilität. Vereinfacht ab 2025 auf 20 Jahre statisch gerechnet rd. 540 Mio. Euro p. a.“

Das sind die Milliarden, von denen Burkhard Jung sprach.

Aber wenn man die aktuellen Umsätze betrachtet, setzt die L-Gruppe im Jahr natürlich mehr Geld um als die Stadt Leipzig: 4,15 Milliarden Euro im Jahr 2022. Dabei standen dann 882 Millionen Euro an Verbindlichkeiten in den Büchern. Investiert hat der Konzern 353 Millionen Euro. Das ist – wie man sieht – deutlich weniger als die tatsächlich benötigten 540 Millionen Euro. Und die Sorge der Grünen, dass der Konzern diese Investitionen nicht aus eigener Kraft stemmen könnte, sind nur zu berechtigt.

Was Torsten Bonew auf jeden Fall in Bezug auf die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) bestätigte: Ohne zusätzliche Gelder von Bund und Land werden die LVB die Mobilitätswende nicht stemmen.

Möglichst aus eigener Kraft

Aber trotzdem soll die L-Gruppe möglichst alle ihre Investitionen aus eigener Kraft finanzieren: „Finanziert sollen die Investitionen zum größten Teil über die Innenfinanzierungskraft des LVV-Konzerns und Fremdkapitalaufnahmen, unter Einhaltung der dafür relevanten, sogenannten Covenants von Fördermitteln (v. a. für den ÖPNV) und Kooperationen mit Partnern außerhalb der Bilanz werden.

Darüber hinaus hängen Zeitpunkt und Umfang der jeweiligen Umsetzung der Investitionsstrategie nicht unwesentlich wiederum von Zeitpunkt und Umfang etwaiger Gesellschafterbeiträge ab.

Die jahresscheibenkonkrete Umsetzung erfolgt bekanntlich unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen finanziellen Leistungs- und Investitionsfähigkeit der L-Gruppe in Form der jährlich von den jeweiligen Gremien zu beschließenden Wirtschaftsplanungen der L-Gruppe. Die einschlägigen Planungen für 2024 stehen in den nächsten Wochen zur Diskussion und Beschlussfassung an.

Der Verwaltungsausschuss wird darüber, wie üblich, vor einem etwaigen Gesellschafterbeschluss vorinformiert. Dies ist aktuell für den 06.12.2023 vorgesehen. Im Zuge dessen werden die jeweiligen Investitionsschwerpunkte auch der Teilkonzerne LVB, Stadtwerke und Wasserwerke mit den damit jeweils verbundenen Finanzvolumina vorgestellt.“

Das heißt: Die laufenden Investitionen sind nicht das Problem, die stemmt der Stadtkonzern aus eigener Kraft. Aber schon die prognostizierten Investitionen bei den LVB von 3,1 Milliarden Euro zeigen, dass selbst das 2018 beschlossene Mobilitätskonzept noch viel zu niedrige Summen angesetzt hat, um den notwendigen Ausbau des LVB-Netzes tatsächlich zu finanzieren.

Aber das Geld ist schlicht nicht da. Und wenn Bund und Land weiter lieber Schuldenbremse spielen, wird es auch nicht da sein.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar