Da war wohl ein LVZ-Redakteur völlig übermüdet oder hat am 1. Juni etwas völlig falsch verstanden, als er für den 2. Juni eine Meldung in die Tasten hackte, die Leipziger Stadtwerke hätten eigenmächtig den Fernwärmeliefervertrag mit dem Kraftwerk Lippendorf um volle zwei Jahre bis 2027 verlängert. Für die Grünen-Fraktion ein einziges Rätsel, wie das an allen Gremien vorbei hätte passieren sollen. Am 14. Juni gab es eine kurze und knackige Aufklärung durch Torsten Bonew.

Finanzbürgermeister Torsten Bonew leitete anstelle von OBM die beiden Stadtratssitzungen am 14. und 15. Juni, da Jung am Kongress der Eurocities teilnahm, wo er am 14. Juni sogar zum neuen Präsidenten gewählt wurde.

Die LVZ hatte berichtet, als hätte sie tatsächlich belastbare Informationen zu diesem doch erstaunlichen Deal, dass die Stadtwerke eigenmächtig die Lieferverträge mit der LEAG für Fernwärme aus deren Kraftwerksblock in Lippendorf bis 2027 verlängert hätten.

Am 1. Juni hatte die LVV-Gruppe ihre Bilanzpressekonferenz abgehalten und dabei auch die durchaus respektablen Zahlen der Stadtwerke bekannt gegeben. Aber von einer weiteren Vertragsverlängerung mit Lippendorf war keine Rede. Dabei hatte Leipzigs Stadtrat mit dem Beschluss zum Klimanotstand 2019 auch beschlossen, dass die Stadtwerke die Fernwärmebezüge aus Lippendorf möglichst bis 2023 (als frühestmöglichem Zeitpunkt), aber spätestens bis 2025 beenden sollten.

Voraussetzung war natürlich der Bau des neuen Heizkraftwerkes an der Bornaischen Straße, das 2022 in Betrieb ging und mit Erdgas genauso wie mit Wasserstoff betrieben werden kann. Um aber Deckungslücken zu vermeiden, zogen die Stadtwerke 2021 die Option, auch noch bis 2025 Fernwärme aus Lippendorf zu beziehen.

Mehr ist durch die Entscheidungen der Gremien nicht möglich. Weshalb sich die Fraktion der Grünen im Stadtrat zurecht über die Behauptungen in der LVZ wunderten.

Dringliche Anfrage, knappe Antwort

„Der LVZ war am 2. Juni 2023 zu entnehmen, dass die Stadtwerke Leipzig Ende letzten Jahres ihre Fernwärmeverträge mit dem Kraftwerk Lippendorf bis Ende 2027 verlängert haben“, schrieben sie in ihrer Anfrage.

„In der Ratsversammlung vom 30.10.2019, in welcher auch der Leipziger Klimanotstand ausgerufen wurde, wurde der Beschluss zum ‚Ausstieg aus dem Fernwärmebezug aus Lippendorf‘ verabschiedet. Der Beschluss besagte, dass ein frühestmöglicher vollständiger Ersatz der bisher aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf gelieferten Fernwärme möglichst schon bis 2023, jedoch bei unvorhergesehenen Verzögerungen bis spätestens 2025 umzusetzen ist. Von dieser Option wurde bereits Anfang 2021 Gebrauch gemacht.
Im Oktober 2022 gab es eine Ablehnung des AfD-Antrags auf Verlängerung der Fernwärme-Verträge bis 2027/2030.

Die beschlossenen Leipziger Klimaziele sind gesamtstädtisch Klimaneutralität bis 2040, bei der Wärmeversorgung bereits bis 2038, möglichst 2035.

Wir fragen daher an:
1. War der Oberbürgermeister in Kenntnis über die Verlängerung der Fernwärmeverträge bis 2027 und wie stellt sich die Entscheidungskette (z. B. Gremien) dar?
2. Ist ein Gesellschafterbeschluss zum damaligen Stadtratsbeschluss zum Ausstieg aus der Fernwärme aus Lippendorf vorhanden und wenn nein, warum nicht?
3. Wie ist ein verlängerter Bezug der Fernwärme aus dem Lippendorfer Braunkohlekraftwerk mit unseren Leipziger Klimazielen für den Wärmesektor zusammenzubringen und angesichts der wieder gefallenen Gaspreise und des fertiggestellten HKW Süd zu rechtfertigen?
4. Wie schätzt die Stadt die Verlängerung der Fernwärmeverträge angesichts oben aufgeführter Beschlusslage des Stadtrates und der Leipziger Klimaziele ein?
5. Wie schätzt die Stadt Leipzig die Kommunikation der Leipziger Stadtwerke zum Thema Fernwärmebezug aus Lippendorf ein?“

Da sie es als „Dringliche Anfrage“ formuliert hatten, nahm Torsten Bonew am 14. Juni die Gelegenheit war, die Anfrage auch gleich zu Beginn der Sitzung kurz und bündig zu beantworten.

„Es handelt sich hier um eine Falschmeldung hinsichtlich des Zeitraums. Es hat keine Vertragsverlängerung über den bekannten 31. 12. 2025 hinaus stattgefunden. Es liegt diesbezüglich ein eindeutiger Gesellschafterbeschluss vor, dessen Weisungen die Stadtwerke selbstverständlich nachkommen.“

Da bauen die Stadtwerke im Auftrag des Stadtrats systematisch die Wärmeversorgung um. Das Heizkraftwerk in der Bornaischen Straße ist in Betrieb. Selbst die Gaspreiskrise von 2022 haben die Stadtwerke gemeistert.

Es gibt also nicht einmal einen Grund, warum die Stadtwerke nach 2025 noch eine Fernwärmelieferung aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf benötigen könnten. Aber all das schien dem LVZ-Redakteur nicht einzufallen, als er die Meldung von einer Vertragsverlängerung bis 2027 in die Welt setzte.

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